Massenarbeitslosigkeit, reloaded

automatisierung

Irgendein höheres Wesen hat in Zeit online einen marxistischen Artikel über die gegenwärtige Ökonomie hineingeschmuggelt, natürlich nicht in den Wirtschaftsteil, sondern in die Rubrik „Karriere“. „Die Digitalisierung zerstört mehr Arbeitsplätze, als sie neue schafft. Zugleich wird der Wettbewerb durch Null-Stunden-Verträge härter. Fünf Thesen zur Zukunft der Arbeit“.

Sehr interessant und lesenswert – und jedes Wort wahr. „Jeder vierte deutsche Erwerbstätige arbeitet mittlerweile im Niedriglohnbereich, das heißt er oder sie verdient weniger als 9,54 Euro brutto die Stunde. (…) In den Niedriglohnsektor fallen oft auch sogenannte zero-hour contracts, die insbesondere in Großbritannien auf dem Vormarsch sind. (…) Die Verträge legen eine Mindestbeschäftigungszeit von null Stunden fest, sprich, feste Arbeitszeiten oder garantierte Stundenzahlen gibt es nicht. Wenn das Unternehmen gerade keinen Bedarf hat, bleibt die Lohntüte leer.“

Es ist eine feine Ironie der Geschichte, dass wieder einmal Großbritannien die Vorhut ist, was die Ausbeutung der Ware Arbeitskraft betrifft. Man sieht auch, dass die aktuellen Forderungen der Gewerkschaften und der „Linken“ („Teilzeitarbeit verbieten!“) nur Rückzugsgefechte sein können und garantiert mit Niederlagen enden werden.

Sogar ein Marx-Zitat (natürlich ohne Quellenangabe) liest man da mit erstaunt geweiteten Augen: „Die Kapitalakkumulation gerät zwangsläufig ins Stocken, wenn es keine Arbeiter mehr gibt, die Lohn erhalten und dann als Konsumenten das Kapital füttern, wie auch Marx betont: „Es liegt also in der Anwendung der Maschinerie zur Produktion von Mehrwert ein immanenter Widerspruch, indem sie die Arbeiterzahl verkleinert. Mit der durch sie selbst produzierten Akkumulation des Kapitals produziert die Arbeiterbevölkerung also in wachsendem Umfang die Mittel ihrer eignen relativen Überzähligmachung.“

Wohl wahr. „Laut einer Studie von Volkswirten der ING-Diba-Bank sind 59 Prozent aller Arbeitsplätze gefährdet; von den rund 31 Millionen sozialversicherungspflichtigen und geringfügigen Beschäftigten hierzulande könnten 18 Millionen von Robotern und Software ersetzt werden.“

Haha. Der Kommunismus kommt also durch die Hintertür. Der Kapitalismus schafft sich selbst ab. Man muss nur noch die Machtfrage stellen.

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Kommentare

5 Kommentare zu “Massenarbeitslosigkeit, reloaded”

  1. ... der Trittbrettschreiber am Januar 23rd, 2016 1:43 pm

    ja, endlich, Freiberufler aller Länder, vereinigt Euch!

    Die meisten Geschäftsführer, Aufsichtsräte, Vorstände et al könnten eh schon durch Roboter oder Software ersetzt werden. Das haben die nur noch nicht „internalisiert“, denn:

    Es gibt nicht Schlimmeres als reich und überflüssig zu sein.

    Manche fangen dann an zu spenden – ein letzter Versuch, Unschuld zurück zu kaufen. Das tolle ist, dass es klappt.
    Jubel Euch von uns, der Menge.

  2. Maxim am Januar 23rd, 2016 2:24 pm

    Wenn dan endlich das BGE kommt, um die Zeit bis die Waren keinen Tauschwert mehr besitzen und der Mensch nurnoch ist und nichtmehr arbeitet, ist alles ganz fein.

  3. Godwin am Januar 23rd, 2016 4:22 pm

    In dem Artikel steht nun wenig neues. Wird alles schon seit ca. 1-2 Jahren in den qualitativ besseren Talksendungen diskutiert.
    Nur sind sich ausnahmslos ALLE darin einig, dass da keine Hintertür mehr da ist, durch die irgendwas kommen könnte…
    Slavoj žižek sagt, die einzige Message die man noch hat, lautet ‚So kann es nicht weitergehen.‘

  4. Temnitzbiber am Januar 23rd, 2016 7:22 pm

    Wenn Frau Haller etc. in ihrem Gottesdienst im TV vom „nachbörslichen Computerhandel“ redet, frage ich mich immer, warum man die ganzen Börsenheinis eigentlich noch herumbrüllen lässt, statt generell nur noch PCs Aktien, Derivate usw. verkaufen und kaufen zu lassen und somit die Dividende jener zu erhöhen, die nicht einmal dieses Ritual mehr selbst pflegen. Aber wohin sollte das Jobcenter die Typen andererseits hinschicken? Kartoffelernte? Das macht auch bald eine Maschine…

  5. Andreas am Januar 23rd, 2016 7:40 pm

    Meinst Du, es gibt eine Rückkopplung von Dir zu diesem Artikel? Es steht zumindest dabei (jetzt?), dass da Marx zitiert wurde. Ist zwar nicht, was man unter einer exakten Quellenangabe versteht, aber der Artikel ist ja auch kein akademisches Werk.
    Zum Inhalt: Ja, jeder der in Deinem Blog liest wusste das siher alles schon, aber vielleicht regt es ja auch ein paar Zeit-Leser zum drüber Nachdenken an.

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