Das wichtigste militärische Ereignis des II. Weltkriegs

Warschauer Ghetto

Dieser Artikel erschien auf burks.de vor zehn Jahren. Ich habe ihn leicht verändert und die Links und Bilder aktualisiert.

Am 19. April 1943 fand die herausragendste militärische Leistung des zweiten Weltkriegs statt. Sehr wenige gegen viele, sehr schlecht Bewaffnete gegen einen übermächtigen militärischen Apparat, heroischer Mut, den sicheren Tod vor Augen, nur noch ein mögliches Ziel: in Würde zu sterben. Der Kampf der wenigen hundert Frauen und Männer hinterließ der Welt ein Fanal – es machte sie und die wenigen Bilder, der erhalten sind, unsterblich.

Am 19. April 1943 begann der Aufstand im Warschauer Ghetto. Im Juli des Vorjahres hatten die Nazis angefangen, die Juden aus Warschau in die Konzentrationslager zu deportieren. Die Geschichte ist bekannt, und zahlreiche und gute Websites informieren über die Details. Im Oktober 1942 gründete sich die „Jüdische Kampforganisation“ Żydowska Organizacja Bojowa“ im Ghetto. Die ersten Aktionen wandten sich gegen Kollaborateure. Am 23. Januar sollte losgeschlagen werden. Doch vier Tage vorher marschierten die Nazis in das Ghetto ein. Nach vier Tagen erbitterten Kampfes mussten sich die Deutschen zurückziehen. Die ZOB verlor fast 80 Prozent ihrer KämpferInnen.
Warschauer Ghetto
In den folgenden Wochen organisierten die Juden im Ghetto ein System von Bunkern, die mit der Kanalisation verbunden sind, und versuchten, Waffen „nach drinnen“ zu schmuggeln. Einige Namen sollen hier genannt werden: Mordechai Anielewicz, der Organisator der Untergrundbewegung und des Aufstands im Ghetto, Yitzhak Zuckerman, Gole Mire and Adolf Liebeskind. Und Marek Edelmann der letzte überlebende Anführer des Aufstands starb 2009. Eine Ironie der Geschichte ist es, dass die Fotos des heroischen Widerstands ausgerechnet von einem fanatischen Nazi stammen, von Jürgen Stroop, SS-Brigadeführer und Generalmajor der Polizei, Leiter der Vernichtung des Warschauer Ghettos. Der 76-seitige „Stroop-Report“ samt Fotos kann digitalisiert im Original im Internet nachgelesen werden.

Im Morgengrauen des 19. April marschieren die Waffen-SS erneut in das Ghetto ein – Himmler will Hitler zum Geburtstag ein „judenfreies“ Warschau schenken. Die Juden – weniger als 1000 – haben nur zwei Maschinengewehre, 15 (!) Gewehre und 500 Pistolen – und eröffnen dennoch das Feuer. Die Nazis werden zurückgeschlagen und kommen mit 5000 Mann am Abend zurück.

Ein Augenzeuge: „Die unseren kämpften so gut sie konnten. (..) Ich blickte in die ruhigen Gesichter der Frauen, sie waren ohne Tränen, ohne Furcht, entschlossen, würdig zu sterben.“ Am vierten Tag der Kämpfe beginnen die Nazis das Ghetto auszuräuchern und schießen mit Flammenwerfern die Häuser in Brand. Die ZOB zieht sich in die Bunker zurück. Da die Nazis hier nicht eindringen können, leiten sie Giftgas in die Bunker oder setzen die Gebäude unter Wasser. Roza Rozenfeld – die Kommandeurin des Bunkers in der Lesznostraße – kämpft, bis ihr das Wasser bis zum Hals steht. Dann wird sie erschossen. Am 8. Mai 1943 nehmen die Nazis den Bunker, in dem der Führungsstab der ZOB kämpft. Doch der Widerstand geht weiter. Viele der Kämpfer bringen sich um. Die SS braucht zehn Wochen, um die jüdischen KämpferInnen zu besiegen. Die Überlebenden werden in Konzentrationslager gebracht. Nur wenigen gelingt die Flucht. Das Warschauer Ghetto wird dem Erdboden gleichgemacht.

Warschauer Ghetto

Aus dem Kriegstagebuch des Wehrmachtsoffiziers Wilm Hosenfeld: „In Treblinka werden die Züge mit den Viehwaggons ausgeladen, viele der transportierten Menschen sind schon tot. Die Toten werden neben den Gleisen aufgeschichtet, die gesunden Männer müssen die Leichenberge wegschaffen, neue Gruben graben und die gefüllten zuwerfen. Dann werden sie erschossen. Frauen und Kinder müssen sich entkleiden, werden in eine fahrbare Baracke getrieben und werden da vergast. […] So geht das nun schon lange. Ein furchtbarer Leichengeruch liegt über der ganzen Gegend.“

Bildquellen: „Unknown Stroop Report photographer“, vgl. die Angaben bei Wikipedia

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Kommentare

15 Kommentare zu “Das wichtigste militärische Ereignis des II. Weltkriegs”

  1. hdschulz am April 19th, 2013 2:53 pm

    Ereignisse, bei deren Erwähnung man heute noch als Nachgeborener vor Scham und Entsetzen im Boden versinken möchte.
    Leider ist Vielen die einzig richtige und erfolgversprechende Konsequenz nicht bewußt:
    Nie wieder Kollektivismus, Etatismus, Korporatismus, Gehorsam oder „right or wrong – my country!“, nicht rechts mit links bekämpfen sondern Individualismus, Subsidiarität, Freiheit und Verantwortung auf allen Ebenen.

  2. FDominicus am April 19th, 2013 5:07 pm

    Leider hat es nicht geklappt. War aber auch unmöglich ohne Waffen, die wurden bei den Nazis ja rigoros verboten. Auf die Gnade von Gewaltmonopolen und Verbrechern zu setzen ist eine ganz schlechte Idee.

    Ich hätte allen dort und damals eine Waffe gewünscht….

    Diese Verbrechen sind so unsäglich, daß man es einfach nicht fassen kann…

  3. bombjack am April 19th, 2013 5:36 pm

    Tja….und genau deshalb heißt bei uns in Deutschland ein Grundsatz „So wenig Waffen wie möglich ins Volk“ und der stammt vom Bundesverwaltungsgericht….denn es kann ja nicht sein, dass der Untertan die Möglichkeit und eine geringe Chance hat Widerstand zu leisten…

    Etwas was man sich in Erinnerung rufen sollte, wenn wieder mal der Ruf laut wird, Waffen für Privatpersonen generell zu verbieten…und da Kriminelle sich ja dann auch an dieses Gesetz halten, herrscht dann überall Wohlgefallen und Sonnenschein…..

    bombjack

  4. Wolf-Dieter am April 19th, 2013 8:33 pm

    Danke für den Beitrag.

  5. Joschi am April 20th, 2013 2:04 am

    hdschulz ZITAT ANFANG: Ereignisse, bei deren Erwähnung man heute noch als Nachgeborener vor Scham und Entsetzen im Boden versinken möchte. ZITAT ENDE

    Warum? Was kannst Du als Nachgeborener dafür? Nur weil Du (nehme ich an) Deutscher bist? Gibt es – nach dem Vorbild der Kinderficker-Sekte – eine deutsche Erbschuld, wonach man nur durch seine eigene Geburt in hiesigen Gefilden schlecht und schuldig (woran auch immer) ist?

    Ich lehne „Schuld“ jeglicher Art und Weise ab.
    K e i n M e n sch i st a n o d e r e t w a s sch u l d i g !
    Die ständige Suche nach der Schuld und/oder deren ständige Verschiebung ist für eine Problemlösung mehr als hinderlich. Am Ende hat man zwar jemanden, der schuldig ist (besser gesagt: Jemanden, der keinen findet, auf den er die Schuld abwälzen kann), aber das war’s dann auch. Schuld läßt einen erstarren, Schuld macht Angst – und Angst blockiert bekanntlich jedes kreative Denken.
    Weitaus besser als blind der Schuld nachzurennen, ist das „Übernehmen“ von Verantwortung. Kann ich einen Zustand mit meinem Gewissen vereinbaren? Komm‘ ich damit klar?

    Zum Schluß noch eine Bemerkung zum „Entsetzen“:
    Nein, ich bin mittlerweile nicht mehr entsetzt über das, was sich Menschen gegenseitig so alles antun. Mehr oder minder entsetzt wäre ich, wenn so etwas nicht passieren/t würde/wäre. Das sind für mich – leider – normale Symptome einer durch und durch kranken Gesellschaft. Leider sucht diese Gesellschaft die Ursachen nie bei sich, sondern nur bei anderen bzw. woanders. Schließlich ist man ja zivilisiert, etikettiert (höflich) und moralisiert…

  6. admin am April 20th, 2013 8:15 am

    Joschi: Schuld ist ein moralische Kategorie, das muss eh jeder mit sich slbst ausmachen. Hier geht es aber darum, dass die deutsche Kultur so etwas hevorgebracht hat. Da wir Teil davon sind, sind das auch unsere Wurzeln. Deshalb kann man nicht einfach sagen: Ich bin Nachgeborener und habe nichts damit zu tun.

  7. elvis am April 20th, 2013 9:34 am

    Interessant ist auch zu lesen wer denn da in Warschau gekämpft hat. Die Deutschen gehen mit knapp 1000 später mit 2000 Mann auf eine Grosstadt wie Warschau los. Das waren nahezu alles Hilfstruppen, Ausbildungskompanien und weniger als 1/5 dessen Personal waren tatsächlich Deutsche nach der damaligen Rechtsauffassung. Die US-Army hätte dazu 30.000 Mann geschickt und vorher die Stadt mehrere Tage mit Artillerie und Air Force in Trümmer gelegt – selbst wenn da nur 2 Mann zu bekämpfen gewesen wären.

    Nicht genannt werden in dem Bericht wieviel Panzer und sonstige Waffen im Einsatz waren. Das was im Einsatz war, waren Schrottwaffen, Beutewaffen. Selbst die Bewaffnung des auf den Fotos zu erkennenden SD Personals waren Beutewaffen. Einige von denen haben offensichtlich sogar Bügelfalten in den Hosen.

    Schön finde ich auch das Du nicht den Zustand bzw. die Lage der russischen Truppen im Bereich Warschau näher erwähnst. :)

  8. ...der Trittbrettschreiber am April 20th, 2013 9:38 am

    …Schuld, gerade in dieser Hinsicht ist auch ein Status-Symbol, je schwerer (und origineller) die Schuld, desto wichtiger ist man ja auch im internationalen Diskurs. Viele (international!) versuchen, die Schuld der Deutschen damit zu relativieren, dass auch „die anderen“, damit sind die nur zu willfährigen Helfer (Kollaborateure) in den deutsch besetzten Gebieten während des Krieges gemeint, Schuld auf sich geladen haben. Der Hype Heute ist(zumindest nach meiner Erfahrung der letzten Jahre), dass „die Deutschen“ regelrecht darum streiten müssen, doch nun die größere Schuld zu haben. Das wird noch lange nicht aufhören. Schließlich lenkt es ja auch sehr schön von der Schuld ab, die „wir“ uns in unseren Tagen aufladen – praktisch halt.
    Nun zum Witz des 21. Jahrhunderts: Die derzeitige Generation weiß (fühlt) nun wirklich nichts mehr von den Dingen und das Wahrschauer Getto finden die Jugendlichen höchstens cool oder geil, weil man sich in Sachen Widerstand ja irgenwie verbunden fühlt (doofe Lehrer) aber da beginnt ja schon die Verzerrung der Geschichte, eben durch Interpretation der Nach-Nach-Geborenen(was immer das auch „genetisch“ oder „Reisepass technisch“ heißen mag).
    Fazit(gäähn):
    So lasst uns Deutschen doch unsere Schuld, es hebt uns ab vom historischen Mainstream und es ist ja auch bequem, sich (wenn auch nur negativen) Respekt nicht immer wieder auf’s Neue er-diskutieren zu müssen.

    Noch’n Spruch: Nicht nur Sex sells…

  9. elvis am April 20th, 2013 9:40 am

    Noch mal ich.

    Zu dem Artikel passt dieser Beitrag wie die Faust aufs Auge. Die Deutsche Bahnpolizei ist offensichtlich sehr gut für künftige Warschau ähnliche Einsätze zu gebrauchen.

  10. Rolandr am April 20th, 2013 12:09 pm

    @elvis:
    Du verwechselst wohl den Aufstand des Warschauer Ghettos mit dem Aufstand von 1944. Im April stand die Rote Armee noch arg weit von Warschau entfernt. Sie hätte da mit Sicherheit auch mit allerbestem Willen nicht zur Unterstützung des Aufstandes eingreifen können.

  11. hdschulz am April 20th, 2013 12:13 pm

    @Joschi: „Warum? Was kannst Du als Nachgeborener dafür? Nur weil Du (nehme ich an) Deutscher bist?“
    Natürlich kann ich nichts dafür, nehme mir aber die Freiheit, trotzdem entsetzt und beschämt zu reagieren.
    „Das sind für mich – leider – normale Symptome einer durch und durch kranken Gesellschaft.“
    Quatsch! (sorry) Genocide und unfaßbare Brutalitäten gegen Angehörige fremder Gruppen gab es seit dem Auftauchen des Homo sapiens (oder länger).
    „Leider sucht diese Gesellschaft die Ursachen nie bei sich…..“
    Und die wären?

    @Burks: „Hier geht es aber darum, dass die deutsche Kultur so etwas hevorgebracht hat.“ Hervorgebracht? Die deutsche Kultur? Wohl kaum. „Zugelassen“ würde ich gerade noch akzeptieren. Hervorgebracht hat das der verdammte Kollektivismus, diesmal in seiner nationalen Variante. Und ja – die Deutschen sind leider ziemlich anfällig für Kollektivismus. Ist ja auch viel einfacher als selbst denken.

  12. Wolf-Dieter am April 20th, 2013 4:20 pm

    Kommentar-Zusatz zu oben (Danke für den Beitrag):

    Die Aufständischen haben Mut aufgebracht im besten Sinn des Wortes. Ich bin stolz auf sie. (Nicht, weil ich Deutscher bin, sondern weil ich ein Mensch bin.) Als der Wahnsinn (Judenhass) zur Methode wurde (zu Hitlers Geburtstag judenfreies Ghetto), sagten sie, Gespräch zu Ende, Waffe raus.

    Die Nazi-Untaten lassen mich zwar schaudern, aber sie rufen bei kein individuelles Schuldgefühl hervor, ebensowenig wie die Hexenverbrennungen. Was sie aber hervorrufen, ist Verantwortungsgefühl.

    Lernen wir draus.

  13. elvis am April 20th, 2013 5:43 pm

    Rolandr am April 20th, 2013 12:09 pm

    @elvis:
    Du verwechselst wohl den Aufstand des Warschauer Ghettos mit dem Aufstand von 1944. Im April stand die Rote Armee noch arg weit von Warschau entfernt. Sie hätte da mit Sicherheit auch mit allerbestem Willen nicht zur Unterstützung des Aufstandes eingreifen können.

    Yes, Sir, stimmt. Danke für den Hinweis. Sorry, Burks für meinen Schändungsversuch. :-P

  14. Reiner am April 20th, 2013 10:42 pm

    Naja,
    solange alle nur Ihre Pflicht gemacht haben, ist ja alles in Ordnung, so etwas würde heute nicht mehr passieren können. Heute sind angefangen von den Abgeordneten bis hin zum letzten Hartz4-Sachbearbeiter nur noch grundrechtstreue Pflichterfüller am Wirken. Deshalb gibt es schließlich das Grundgesetz und eigentlich bedarf es keines Bundesverfassungsgerichtes mehr. [/Ironie=off]
    Das bisschen Folter (=Sanktionen) an den Ärmsten der Armen – weiter gehts (nur noch heute) nicht, der Gedanke an Zwangsumzüge, Kasernierungen, Lager ist vollkommen weit hergeholt und wird ganz bestimmt nicht bei all den grundrechtstreuen Juristen/Polizisten/H4-Sachbearbeitern/Abgeordneten nie realistisch sein.
    der nachdenkliche Reiner

  15. Das wichtigste militärische Ereignis des II. Weltkriegs, revisited again : Burks' Blog am Mai 16th, 2018 10:26 pm

    […] Jahren. Ich habe ihn leicht verändert und die Links und Bilder aktualisiert. Vgl Burks.de vom 19. April 2013 und vom 20. April 2003: „Das wichtigste militärische Ereignis des II. Weltkriegs“ […]

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