Sicherungsverwahrung

Sicherungsverwahrung – das ist ein schönes Wort, dass den Urgrund der deutschen Seele widerspiegelt. Es kling ähnlich wie Kinderkarten, Blitzkrieg, Berufsverbot, Telekommunikationsüberwachungsverordnung und Durchführungsbestimmung, Begriffe, mit denen ich Ausländern immer erklärt habe und erkläre, was deutsch ist und meint. Wenn sie dann noch „Streichholzschächtelchen“ fehlerfrei aussprechen können, sind sie reif für die deutsche Staatsbürgerschaft und die Beamtenlaufbahn.

Auf Wikipedia lesen wir: „Die Sicherungsverwahrung (fälschlich Sicherheitsverwahrung genannt) ist im deutschen Strafrecht eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung. Sie soll dazu dienen, die Allgemeinheit vor gefährlichen Straftätern zu schützen.“

Schutz, Schutzzoll, Schutztruppe, Schutzgebühr, Jugendschutz – auch bei der Zeichenkette „schutz“ sollte man aufhorchen. Es ist im Deutschen meistens etwas anderes drin als draufsteht – meistens ist es Neusprech und meint just das Gegenteil des Suggerierten. Wenn man jemanden umbringt, es das im Behördendeutsch eine lebensentziehende Maßnahme, und wenn ich jemanden zusammenschlüge, dann würde ihm das vermutlich zeitweilig die Gesundheit entziehen.

Um eine lange Geschichte kurz zu machen: Die so genannte Sicherheitsverwahrung führt durch die Hintertür die lebenslange Freiheitsstrafe ein, auch wenn die gar nicht ausgesprochen wurde. Grund genug, dass bei dem Thema reaktionäre Faselheinis jedweder politischer Couleur populistisch herumgeifern. Allen voran Beate Merk (CSU, Bayern, Justiz(!)ministerin): „Wir müssen gemeinsam alles in unserer Macht stehende tun, um die Freilassung hochgefährlicher Triebtäter zu verhindern.“ Die Hausbesetzer der frühen achtziger Jahre (ich war dabei) hätten diese juristische These knapper formuliert: legal, illegal, scheißegal. Oder wie der Volksmund: Rübe ab.

„Wie oben erwähnt setzten erst die Nationalsozialisten mit dem Gewohnheitsverbrechergesetz vom 24. November 1933 (RGBl. I 995) einen Vorschlag zur Sicherungsverwahrung in die Tat um. Unklar ist, ob sie dieses eigenständig ausarbeiteten oder ob sie es adaptierten.“ Die CSU möchte Sondergerichte, um eine Sonderbehandlung bestimmter Straftäter durchzusetzen. Ich frage mich, wie dünn der Firnis der Zivilisation in Deutschland ist: Man muss nur ein wenig kratzen, und schon erscheint das Kackbraune wieder; in Bayern reicht offenbar ein leichte Pusten.

Nur gut, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EUGH) entschieden hat, dass das deutsche Gesetz Unrecht ist.

In einer Vorabmelduing zum neuen Spiegel heisst es nun: „Der Essener Psychiater Norbert Leygraf (Spiegel Offline geruhte nicht, diesen Link zu setzen) hält den von der Bundesregierung präsentierten Kompromiss zur Sicherungsverwahrung für ’schrecklich unausgegoren‘. (…) Entweder die Regelung sei ’so restriktiv, dass sie praktisch nicht angewandt werden kann“; oder sie werde sehr weit gefasst, ‚dann besteht die große Gefahr, dass sie vom Straßburger Gerichtshof für Menschenrechte wieder kassiert wird‘.“

Es wäre ja noch schöner, wenn deutsche Politiker die Rechtsprechung des EuGH einfach anerkennen würden, wenn die ihnen nicht in den innenpolitischen Kram passt. Ehrlich gesagt – ich verstehe das Problem gar nicht. Wenn man jemanden lebenslang einsperrt auf Grund der Gesetze, die das möglich machen, dann soll man das tun, wenn es Gründe dafür geben sollte. Wenn nicht, dann sollte man auch nicht jammern, wenn jemand irgendwann wieder freikommt. Schafft die „Sicherheitsverwahrung“ ab!

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Kommentare

3 Kommentare zu “Sicherungsverwahrung”

  1. Seitenhiebe » Blog Archive » Poetisches Wort zum Sonntag am August 29th, 2010 1:28 pm

    […] via Sicherungsverwahrung : Burks’ Blog. […]

  2. Bernd Albert am August 29th, 2010 10:25 pm

    Eine kleine – aber wie ich finde – wichtige Korrektur: der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat nicht die Sicherungsverwahrung generell für menschenrechtswidrig erklärt, sondern nur die nachträgliche Anordnung einer solchen Maßnahme.

    Das bedeutet: das Urteil betrifft nur die Straftäter, bei denen nicht zugleich mit dem Strafauspruch auch eine Sicherungsverwahrung nach der Verbüßung der Strafe angeordnet wurde.

    VG, Bernd

  3. Sicherungsverwahrung, revisited : Burks' Blog am Mai 4th, 2011 6:11 pm

    […] August 2010 hatte ich gefordert, die so genannte “Sicherheitsverwahrung” abzuschaffen. Das […]

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