Virtuelle Streifenfahrt in aller Seelenruhe und unter aller Sau

Polizeistreife

Man muss Udo Vetter recht geben, wenn er im Lawblog schreibt: „Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft Rainer Wendt ist immer für einen Knaller gut.“ Der hat in der FAZ (Sonntagsausgabe) ein Wort zum Sonntag gesagt: „Bei der Polizei wird die Entwicklung mit Sorge gesehen. ‚Durch den neuen Internetdienst können Kriminelle die Objekte in aller Seelenruhe betrachten. Sie können sehen: Wie ist das Haus gesichert?'“ sagte der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft Rainer Wendt der F.A.S. Gleichzeitig hegt er Zweifel, ob die neuen Möglichkeiten umgekehrt auch von der Polizei genutzt werden können: ‚Es ist rechtlich unklar, ob eine virtuelle Streifenfahrt möglich ist.'“ (Zeichensetzung im Original)

Da können wir doch helfen. Ja, eine virtuelle Streifenfahrt ist möglich, rechtlich oder unrechtlich, ganz egal! Dieser Avatar hier fährt gerade Streife auf der Straße vor der Marienkirche am Alexanderplatz in Berlin. Die Version Berlin 2.0 ist, wie gewohnt, menschen- bzw. avatarleer. Die pöhsen Kriminellen, Pädophilen und Internet-Bombenbastler könnte man also schon von weitem sehen. Nur die Farbe des Polizeiautos lässt zu wünschen übrig. Dafür hat es aber einen aufmontiertes Maschinengewehr. (Hoffentlich kommt Herr Wendt dabei nicht auf dumme Gedanken… „Polizeigewerkschaft fordert bessere Ausstattung der virtuellen Streifenwagen.“)

Udo Vetter schreibt: „Immerhin ist der bloße Gedanke, Polizeistreifen könnten auf Google Street View Sinn machen, ähnlich belämmert wie die Hoffnung des deutschen Eigenheimbesitzers, der neue Dienst von Google sei ein Fernwartungstool für Immobilien oder mache langfristig gar den Babysitter überflüssig.“ Nun, ob etwas belämmert, bescheuert oder total irre ist, hat weder einen Politiker noch einen Polizeigewerkschaftsfunktionär noch einen Zensur-Lobbyisten noch einen Jugendschutzwart jemals daran gehindert, das zu sagen bzw. zu fordern.

Das erinnert mich an einen schönen Satz Oskar Negts im aktuellen Spiegel: „Es kommt zu einer unmerklichen, aber folgenreichen Wirklichkeitsspaltung: Die subjektiven Orientierungen des Menschen und das öffentliche System der staatlichen Institutionen driften auseinander.“ Das Beispiel passt nicht so ganz, aber von zwei unterschiedlichen und nicht kompatibel „Wirklichkeiten“ kann man schon reden – von der Realität der Internet-Ausdrucker und -Exorzisten und die der anderen, die wissen, worum es geht. Ein gemeinsames Gespräch scheint nicht mehr möglich.

Wenn man sich den – auch aus technischer Sicht – groben Unfug der FAZ zum Thema Internet-Zensur (die nennen das bekanntlich anders) anschaut, gruselt es einen. Da lässt sich jemand von einigen BKA-Lobbyisten briefen und gibt das als „Journalismus“ aus. Das suggestive Meinen, Wünschen und Wollen quillt zwischen den Zeilen hervor wie breit getretener Quark zwischen den Zehen:

„So sei es oft schwierig, den Provider überhaupt ausfindig zu machen. Viele Adressen seien untervermietet oder würden ins Ausland umgeleitet. Dabei ist Amerika das wichtigste Pflaster für die Kinderporno-Mafia. Dort findet sich gut die Hälfte aller entdeckten Internetseiten. Das ganze Ausmaß der Kinderpornographie im Netz ist aber unbekannt.“ Aha. Noch mal langsam zum Mitschreiben: Wer vermietet wem unter und sagt es nicht weiter? Die gesetzliche Grundlage, was child porn sei, ist also in den USA identisch mit der in Deutschland? Und man weiß eigentlich gar nicht, wieviele angebliche Kipo-Websites es gibt? Vielleicht viel weniger, als die Zensur-Lobby und die Jugendschutzwarte behaupten? So hatte ich mir das gedacht. Welch ein Gefasel, Kollege Tomik! Das ist, um es schweinisch zu sagen, unter aller Sau.

„Deshalb hält das BKA Internetsperren weiterhin für nötig. Selbst wenn sich die Websites innerhalb von vielleicht zwei Wochen aus dem Netz nehmen lassen, sagen BKA-Mitarbeiter“. Ach ja? Das sagen sie, so ganz an der Pressestelle des BKA vorbei. Haben die auch einen Namen und eine Funktion? Oder kennt man nur deren Decknamen, wenn sie, den Schlapphut ins Gesicht gezogen, bei der FAZ vorbeischauen, um ihre neueste Agitprop für Internet-Zensur ungefiltert ins Blatt zu hieven? Pfui Teufel.

image_pdfimage_print

Kommentare

One Kommentar zu “Virtuelle Streifenfahrt in aller Seelenruhe und unter aller Sau”

  1. Impfpflichtdurchsetzungsgesetz und Klarnamendurchsetzungsgesetz : Burks' Blog – in dubio pro contra am Dezember 11th, 2021 5:30 pm

    […] now to something similar. (Rainer Wendt – das ist übrigens der mit den virtuellen Streifenfahrten.) Unsere Qualitätsmedien schreiben oft: Klarnamenpflicht im „Netz“ sei gefordert […]

Schreibe einen Kommentar