Der deutsche Michel und die kultursensible Zensur

Vorabmeldung des Spiegel: „Mehr als 30 Jahre ist das Material alt, beim WDR lagert es immer noch im Giftschrank: Aufnahmen aus dem Film ‚Informationen aus dem Hinterland‚, die Undercover-Journalist Günter Wallraff in seiner Rolle als Hans Esser bei ‚Bild‘ zeigen. Für ein Porträt in der Reihe ‚NRWs Beste‚ über den heute 67-Jährigen waren Filmausschnitte verwendet worden. Kurz vor Ausstrahlung mussten jedoch Szenen, die Wallraff bei ‚Bild‘ zeigen, herausgeschnitten werden. Angeblich sei die Verwendung juristisch heikel. ‚Ein klarer Fall von Selbstzensur‘, kritisiert Wallraff. Zudem offenbar ohne Grund. Der von Wallraff angeschriebene Springer-Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner versicherte schriftlich, dass ’seitens der Axel Springer AG gegen den Film nie juristische Schritte unternommen oder auch nur angekündigt worden‘ seien. Im Gegenteil sei er ‚ein historisches Dokument‘.

Dazu passt eine Meldung der Nordwest-Zeitung online: „Ministerin will Medien Inhalte vorgeben. (…) Das Ministerium verlangt, dass die Medien schriftlich erklären sollen, dass sie künftig   über Sachverhalte und Herausforderungen beim Thema Integration verstärkt berichten und informieren;   dabei eine kultursensible Sprache anwenden;   die interkulturelle Öffnung fördern;   ihre interkulturelle Kompetenz verstärken und  Projekte hierfür initiieren und künftig journalistisch begleiten. Es dürfte in Deutschland bislang einzigartig sein, dass eine Landesregierung die Medien auf gemeinsame Inhalte verpflichten will und sogar die dabei zu wählende Sprache vorschreiben möchte.“

Was ist daran verwunderlich? Diese Ministerin ist von einem Herrn Christian Wulff berufen worden, der heute Bundespräsident ist. Passt doch wie Arsch auf Eimer. Die sollte sich gleich mit der bayerischen Justizministerin zusammentun. Gleich zu gleich gesellt sich gern. Zensur findet der Deutsche an sich immer gut, immerhin haben wir den Obrigkeitsstatt und den dazu passenden kriecherischen Untertanen erfunden. Nicht zufällig nannte das Ausland uns den „Deutschen Michel“ und setzte uns eine Schlafmütze auf. Feigheit und Denunziation sind Bürgertugenden und der Jugendschutzwart ein ehrenhafter Beruf.

Und keine Sorge: Deutsche Mainstream-Medien lassen bekanntlich auch Interviews „autorisieren“, damit ja kein böses Wort gedruckt und niemandem wehgetan wird. Die zensieren freiwillig und distanzieren sich nicht vom gut Gemeinten. Beispiel: Der stern finanziert Lichterkettenträger; auch die Zeit hat es versucht und sich dann leise weinend zurückgezogen.

Hanns Joachim Friedrichs‘ Statement verhallt immer noch ungehört: „Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache; dass er überall dabei ist, aber nirgendwo dazugehört.“

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