Berlin: Yorckstrasse 59 wurde rechtswidrig geräumt

Presseerklärung vom 16.12.2008: Am 15.12.08 entschied das Kammergericht: „Kein Hausfriedensbruch in der Yorck59 – 145 ungültige Strafbefehle und eine rechtswidrige Räumung am 6.6.2005“

„Dreieinhalb Jahre nachdem das Hausprojekt Yorck 59 am 6.6.2005 mit polizeilichem Großeinsatz geräumt wurde, befand das Berliner Kammergericht am 15.12.2008 die Strafbefehle gegen aus dem Haus geräumte Aktivist_innen für ungültig. Zudem stellte das Gericht fest, dass die Räumung als Ganzes rechtswidrig war, da zu diesem Zeitpunkt keine Räumungstitel gegen die BewohnerInnen des Hauses vorlagen.

145 ungültige Strafanträge
In dritter Instanz verhandelte das Gericht den Fall von Karla D.*. Ihr wurde wie 144 weiteren Personen vorgeworfen, am 6.6.2005 durch ihren Aufenthalt in den Räumen der Yorck59 gemeinschaftlichen Hausfriedensbruch begangen zu haben. Einen entsprechenden Strafantrag hatte der Hauseigentümer Marc Walter auf Anraten der Polizei bereits am 30.5.2005 gegen Unbekannt gestellt. Jedoch bestätigt der aktuelle Beschluss das vorangegangene Urteil des Oberlandesgerichts vom 16.4.2008, demzufolge der Hauseigentümer zum Zeitpunkt der Räumung überhaupt nicht dazu berechtigt war, Strafantrag zu stellen. Denn gemäß Mietrecht liegt das Hausrecht bis zur Räumung durch den Gerichtsvollzieher bei den Mieter_innen. Und ohne Hausrecht, kann es keinen Hausfriedensbruch geben. Im diesem Fall handelte es sich bei den Mieter_innen um ca. 50 Untermieter_innen des Hausvereins Färbung e.V., auf den die Hauptmietverträge ausgestellt waren.

… und eine rechtswidrige Räumung
Weiterhin bestätigte das Gericht, dass der Gerichtsvollzieher Thomas Luedtke mit der Amtshilfe von 500 Polizeikräften das Hausprojekt ohne die notwendigen Titel gegen besagten Untermieter_innen räumen ließ. Mit dieser Entscheidung ignorierte Herr Luedtke erstens mehrere Untermietverträge, die ihm von der rechtlichen Vertretung des Hausprojekts exemplarisch vorgelegt worden waren. Zweitens handelte er in logischem und rechtlichem Widerspruch zu einer Auskunftsklage, durch welche der Hauptmieter Färbung e.V. zur Herausgabe der Namen aller seiner Untermieter_innen gezwungen wurde, um die notwendigen Räumungstitel gegen die tatsächlichen Hausbewohner_innen ausstellen zu können. Bis zum 6.6.2005 lagen diese Namen weder der Hauseigentümerin „Yorck59 Gbr“ noch dem Gerichtsvollzieher vor.

Was folgt daraus?_
Erstens: Das verbissene Vorgehen der Staatsanwaltschaft zeigt die politische Brisanz der heutigen Entscheidung; denn trotz dünner rechtlicher Grundlage war das vergleichsweise kleine Verfahren gegen Karla D. – es handelte sich um ein Strafmaß von 10 bis 30 Tagessätzen – bis in die dritte (!) Instanz getrieben worden. Insofern stellt das Urteil des Kammergerichts vom 15.12 für die Staatsanwaltschaft eine Blamage dar: 145 ungültigen Strafanträge und jeder dieser Strafanträge steht für ein Einzelverfahren. Für alle noch offenen Verfahren ist nun eine Einstellung auf Kosten der Staatskasse zu erwarten. Von Seiten der Yorck59-Unterstützer_innen wird zudem geprüft, inwiefern aufgrund des heutigen Urteils eine Wiederaufnahme all jener bereits abgeschlossenen Verfahren möglich ist.

Zweitens: Die Räumung der Yorck59 ist nachträglich als gesetzeswidrig anzusehen. Diese Feststellung verändert an den vollendeten Tatsachen zwar nichts, denn das Haus gibt es nicht zurück. Was bleibt ist ein politischer Skandal, zumindest innerhalb der Logik des Rechtsstaats. Den rechtlichen Grundlagen zuwider hatte der Gerichtsvollzieher zugunsten der Interessen des Hauseigentümers gehandelt. Die Polizei leistete bei dieser unrechtmäßigen Räumung nicht nur Amtshilfe, sondern empfahl dem Hauseigentümer Walter, seinen unzulässigen Strafantrag zu stellen. Wie in den Aussagen der Polizeibeamten vor Gericht deutlich wurde, waren sie vom gleichen Hausbesetzerdiskurs benebelt, wie er von der Boulevard-Zeitung BZ zur Yorck59-Räumung geführt wurde: Sie sehen wie Besetzer aus und hängen Transparente aus ihren Fenstern; sie treten wie Besetzer auf und solidarisieren sich mit solchen — da wird der juristische Status als gewöhnliche Mieter_innen gerne unterschlagen.“

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