Von Äthiopien, Autokelaphen und Österreich

Christ church

Wir müssen uns kurz religionssoziologisch betätigen und vor allem den religiotischen Überblick behalten, was jetzt ziemlich schwierig sein wird. Hier also ein weiterer Teil der „Hidden-Gems-Tour“ durch Jerusalem mit Noam Chen.

Und das beginnt so: Man betritt eine Kneipe im armenischen Viertel hinter dem christlichen schwedischen Studienzentrum. Man muss eben wissen, welche Kneipe. Hinter dem Hinterausgang steht die Christuskirche.

Wait a minute. Das sind Anglikaner, also Protestanten – „originally named the „Apostolic Anglican Church“, it was consecrated as „Christ Church“ on 21 January 1849.“ Apostolisch? Da klingelt doch was. Wir hatten irgendwann die „die Katholisch-apostolische Gemeinden, die sich von der Anglikanischen Kirche abspalteten“ durchgenommen.

Aha. Wisst ihr also Bescheid. Nein, diese haben mit jenen nichts zu tun. Dazu sind Abspaltungen da.

Christ church

Wir haben hier eine religionssoziologische Absurdität Besonderheit: Auf dem Altar ist alles Hebräisch. Und die Gläubigen singen und werfen die Hände hoch wie die ekstatischen protestantischen Sekten in den USA (nein, das tun Anglikaner nicht, die bleiben stumm und still sitzen und lauschen dem Wort). Ich war Augenzeuge.

Das geht ja gar nicht. Ist das etwas religiotischer Eklektizismus wie ein melanesischer Cargo-Kult? Die korrekte Antwort ist vermutlich: Es ist Jerusalem.

griechisch orthodox

Wir marschieren weiter. Ich musste ChatGPT fragen. Das Schild ist auf Griechisch und lautet:
ΕΛΛΗΝΟΡΘΟΔΟΞΟΝ ΠΑΤΡΙΑΡΧΕΙΟΝ ΙΕΡΟΣΟΛΥΜΩΝ
ΙΕΡΑ ΜΟΝΗ ΙΩΑΝΝΟΥ ΤΟΥ ΠΡΟΔΡΟΜΟΥ ΚΑΙ ΒΑΠΤΙΣΤΟΥ
Griechisch-Orthodoxes Patriarchat von Jerusalem – Heiliges Kloster des Johannes des Vorläufers und Täufers. Muss man aber erst einmal finden. Die Tür ist nicht sehr groß. Abgehakt.

omar moschee

Hatten wir schon die Muselmanen? Die Omar-Moschee liegt recht versteckt und ist nur zum Verehren des zuständigen höheren Wesens zugänglich. Ich hatte Noam vorher gesagt, dass mich der Islam gar nicht interessierte, nur wenn es sich nicht vermeiden ließe.

koptisch armenisch

Ein paar Schritte weiter lauert das Koptische Orthodoxe Patriarchat Jerusalem. Der Eingang ist winzig und sieht wie ein Seiteneingang der Grabeskirche aus. Die Touristen werfen nur manchmal einen kurzen Blick hinein.

griechisch orthodox

Aber dort geht es in den Untergrund – eine extrem steile Treppe und Torbögen, die nur gut einen halben Meter hoch waren. Ich kam kaum hindurch. Dorthin verirrt sich so gut wie nie jemand.

Queen Helen Coptic Orthodox ChurchQueen Helen Coptic Orthodox Church
Beide Fotos: Noam Chen

Der Boden der versteckten und fast leeren Zisterne ist voll Müll und Matsch, aber das scheint die Kopten nicht zu interessieren.

Steigen wir ganz hoch auf die Dächer der Grabeskirche. Ohne Führer findet man das übrigens nie.

äthiopisch-orthodoxe Kloster Deir es-Sultan

Hier haben wir das äthiopisch-orthodoxe Kloster Deir es-Sultan. Die Mönche und Nonnen gehören zur Äthiopisch-Orthodoxen Tewahedo-Kirche, einer altorientalischen Kirche, die ihre Wurzeln in Äthiopien und Eritrea hat und sich von den Kopten abgespalten hat.

äthiopisch-orthodoxe Kloster Deir es-Sultan

Tewahedo bedeutet – vergleichbar dem islamischen Konzept Tauhīd – „Einheit“ und bezieht sich auf die Vereinigung der beiden Naturen in Christus, einer theologischen Streitfrage des frühen Christentums, aufgrund derer sich beim Konzil von Chalcedon [451 in Bithynien] einige Gruppen abtrennten, die so genannten Monophysiten. Ob die Äthiopische Kirche monophysitisch war, ist unter Wissenschaftlern noch nicht einhellig geklärt.

Ach. Ach was.

äthiopisch-orthodoxe Kloster Deir es-Sultan

Von denen hatte ich noch nie gehört. Die mussten aufs Dach, weil unten kein Platz mehr war. 35 bis 60 Millionen Gläubige – heilige Scheiße! „So schloss sich beispielsweise ein bedeutender Teil der Anhänger der jamaikanischen Rastafari-Religion inzwischen der äthiopischen Kirche an.“

Ach so. War Bob Marley auch schon hier?

äthiopisch-orthodoxe Kloster Deir es-Sultan

Ich fragte naiv, warum die Dächer der Mönchsbehausungen zum Teil aus Wellblech und die Kreuze so grob zusammengezimmert seien, so dass ich als Heimwerker beinahe meine Hilfe angeboten hätte. Noam antwortet trocken, das würde in Afrika wahrscheinlich alles auch nicht anders aussehen. Klar, dort gibt es bekanntlich viel weniger Baumärkte.

Wir brauchten jetzt unbedingt ein Kontrastprogramm.

Österreichisches Hospiz zur Heiligen FamilieÖsterreichisches Hospiz zur Heiligen Familie

Unweit der Via Dolorosa im muslimischen Viertel der Altstadt liegt das katholische Österreichische Hospiz zur Heiligen Familie. Sei gegrüßt, altes Europa, mit Holzvertäfelung, gutem Kuchen, einem äußerst gepflegten Garten und einer Dachterrasse mit großartiger Aussicht über ganz Jerusalem (schon der Eingang des Hospizes ist ein Stockwerk über den Gassen).

Noch mal zum Mitschreiben: Österreicher. Katholiken. Muslimisches Viertel. Israel.

Österreichisches Hospiz zur Heiligen FamilieÖsterreichisches Hospiz zur Heiligen Familie

Österreichischer als hier geht es gar nicht. Irgendwann war das Gebäude auch eine britische Offiziersschule. Vielleicht sollte man noch anmerken, dass auch der jordanische König Abdallah während der jordanischen Besetzung Jerusalems dort gestorben ist. „Bei der Notbetreuung tat sich besonders Schwester Liliosa Fasching hervor, allerdings erlag der König seinen Verletzungen.“

Gut zu wissen.

Österreichisches Hospiz zur Heiligen FamilieÖsterreichisches Hospiz zur Heiligen FamilieÖsterreichisches Hospiz zur Heiligen Familie

Ich sollte jetzt besser aufhören. Sonst kommt noch der Pastafarianismus auf dumme Gedanken und will irgendeinen Ort in Jerusalem. Aber warum eigentlich nicht?

Österreichisches Hospiz zur Heiligen Familie

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Kommentare

2 Kommentare zu “Von Äthiopien, Autokelaphen und Österreich”

  1. blu_frisbee am Oktober 13th, 2025 9:35 p.m.

    So siehts aus wenn sich jede Richtung ihre eigene WELTSICHT schnitzt. Religioten glauben daß im Jenseits höhere Mächte mit diesseitiger Materie wechselwirken und es eine Existenz nach dem Tod gibt.

    Vor 100 Jahren hatten Moslems und Hindus noch Seit an Seit im selben religiösen Gebäude gebetet.
    Islam hat absolutes Bilderverbot während Hindu die bunteste poppigste Religion von allen ist. Islamis haben nur 1 Buch, die Hinduliteratur ist unüberschaubar.

    https://www.youtube.com/watch?v=iBPDPJgQhe8

    Jerusalem enthält viele solcher Spinnereien.
    Vernünftig ist das nicht.

  2. Godwin am Oktober 13th, 2025 10:22 p.m.

    Endlich eine angemessene Huldigung religiösen Wirkens

    Versuch es dich auch mal
    https://www.n-tv.de/panorama/Mann-uriniert-auf-Papstaltar-im-Vatikan-article26092846.html

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