Unter Ibrahimen aus dem Streifen

messerangriff

„Die Hintergründe sind noch unklar“, heißt es wie gewohnt. Zwei Tote. Aber welche „Hintergründe“ könnten es sein? Ich habe mir die juristische Analyse des Rechtsexperten („Redakteur bei „Welt“ mit Schwerpunkt Justiz und Rechtspolitik“) Constantin van Lijnden angesehen.

Der Täter ist 2014 eingereist und beantragte Asyl. „Laut Staatsanwaltschaft reiste er im Dezember 2014 nach Deutschland ein – von woher, sei unklar.“(taz) Er hat das nicht bekommen, aber subsidiären Schutz, „wahrscheinlich auch zu recht.“ Das steht im Urteil des Amtsgerichts Hamburg: Der Täter war in seiner Heimat, im Gazastreifen, Misshandlungen ausgesetzt durch die Hamas, er und seine Familie, Schnittwunden, Verbrennungen, Folter, „furchtbare Dinge“.

Was geschieht mit so jemandem, der im Land ist, sich aber absolut nicht integriert, sondern – im Gegenteiil – immer weiter „absteigt“, drogenabhängig wird und gewalttätig?

Man kann dann ein Verfahren einleiten, um den Schutzstatus zu widerrufen. Das ist auch in diesem Fall 2021 geschehen, noch vor der Messerattacke vor einem Obdachlosenheim. Dieses Verfahren wurde bis heute nicht abgeschlossen. Warum nicht, muss noch geklärt werden.

Das ist aber fast egal: Es ist keineswegs klar, dass man jemanden, der den Schutzstatus verloren hat, dann auch abschieben könnte. Da ist eine praktische Hürde: Der Zielstaat, in diesem Fall das „palästinensische Gebiet“, muss seinen „Staatsbürger“ auch zurücknehmen. Daran scheitern Abschiebungen sehr häufig.

Im Falle des Täters ist es ganz besonders schwierig, weil „Palästina“ einen völkerrechtlichen Sonderstatus hat. Der Täter hat auch keine Staatsangehörigkeit. In den „palästinensischen Gebieten“ gibt es keine internationalen Flughäfen. In der Praxis wäre man auf die Mithilfe von „Palästina“ und Israel angewiesen. Das geschieht so selten, dass es die meisten Staaten bei ausreisepflichtigen „Palästinensern“ erst gar nicht mehr versuchen.

Das Amtgericht Hamburg hatte die Wahrscheinlichkeit, dass der Täter weitere Staftaten begehen würde, „auf 50 Prozent geschätzt.“ Ist es nicht zynisch, wenn man so jemanden auf freien Fuß setzt?

„Die Antwort ist kompliziert, und man muss differenzieren.“ Das Ergebnis wird trotzdem niemandem gefallen können. Die „50 Prozent“ kamen so zustande: Er wurde vor dem Amtsgericht Hamburg wegen der Attacke vor dem Obdachlosenheim angeklagt und zu einer Haftstrafe verurteilt. Das Gericht muss bei einer Verurteilung zu einer Haftstrafe überlegen, ob die zur Bewährung ausgesetzt wird und wie die Sozialprognose ist. Das Gericht war nicht von einer positiven Sozialprognose überzeugt, deswegen wurde die Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt.

Der Täter hat aber Berufung eingelegt, sodass er seine Haftstrafe einstweilen nicht antreten musste. Er saß aber trotzdem in Haft, aber nicht wegen seiner Strafe, sondern in Untersuchungshaft. Über die Berufung wurde nicht schnell genug entschieden. Das kommt oft vor, aber war in diesem Fall egal, weil er schon so lange in Untersuchungshaft gesessen hatte, dass er seine Strafe schon fast abgesessen hatte. Das Gericht war offenbar der Meinung, wenn seine Berufung abgelehnt worden wäre, wäre das Ergebnis identisch gewesen. Der Täter wäre also ohnehin bald entlassen worden.

Die Frage bleibt: Warum nur ein Jahr Haft? Man weiß es nicht. „Irgendwas wird sich das Gericht vermutlich dabei gedacht haben.“ Es wirkt sehr milde für jemanden, der schon damals ein beträchtliches Vorstrafenregister hatte und mit einem Messer auf jemanden eingestochen hatte.

So weit die Analyse. Übrigens: Ein Messerangriff ist schwere Körperverletzung, aber: In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

„Die Gruppe der Zuwanderer – Asylbewerber, Schutzberechtigte, unerlaubt Aufhältige und Geduldete – war 2021 für 44 Prozent aller Tötungs- und 37 Prozent aller schweren Gewaltdelikte verantwortlich, obwohl sie nur etwa zwei Prozent der Bevölkerung ausmacht. Wie kommt das?“ (Zitat: Qualitätsmedien)

Die Leserschaft mag eigene Schlussfolgerungen ziehen, wie man mit solchen Leuten umzugehen habe.

Postscriptum: „An mehreren Orten im Gazastreifen haben sich Palästinenser spontan versammelt: Sie feierten den Angriff in Jerusalem, bei dem sieben Menschen getötet wurden. Einige verteilten Süßigkeiten. Jubelfeiern gab es auch in Ramallah im Westjordanland.“

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Kommentare

16 Kommentare zu “Unter Ibrahimen aus dem Streifen”

  1. Godwin am Januar 28th, 2023 3:12 pm

    worauf will der Burks jetzt hinaus?
    härtere Strafen?
    schnelle Abschiebung, trotz den genannten rechtlichen Hürden?
    eine aufgabe des Rechtsstaates, damit man wieder pauschal ab- und vor allem auch vorverurteilen kann?

    mich wundert, dass du zumindest soweit differenzierst, dass der selber Opfer das Hamas war, statt pauschal seine palästinensische Herkunft als „Beweis“ für irgendwas heranzuziehen…

    was wird denn dafür getan, dass Opfer von Folter etc. überhaupt integriert werden??

    natürlich wird viel zu viel Schindluder getrieben – wer z.B. seine Herkunft und pers. Daten verschweigt, sollte m.E. gar nicht erst „bearbeitet“ werden.
    aber wer einmal nerkannt wurde – ja was dann? dann heißt es nur: „sie mal zu
    und dann trift man auf Vorurteile, Vorbehalte, Ablehnung

    mal Hand aufs Herz – was soll an deine anti-humanistischen Ansicht noch „links“ sein?

  2. admin am Januar 28th, 2023 3:47 pm

    Ich habe keinerlei Vorschläge gemacht. Was ist an „keine Vorschläge“ antihumanistisch?

  3. Trebon am Januar 28th, 2023 4:55 pm

    @Godwin

    Bei Israelfetischisten setzt es bei diesem Thema halt aus. Der Täter hätte von überallher kommen können und ob seine Stories stimmen kann auch keiner prüfen.

    Die Statistik verrät auch nur das nicht die klügsten und besten hierher kommen sondern häufig jene die Sie da unten gerne loszuwerden.

    Natürlich unter Auslassung der Fallzahlen.
    so ist es z.B. hundertmal wahrscheinlicher von einem deutschen! Autofahrer getötet zu werden als von irgendjemandem der von sonstwo hierher gekommen ist.

    Ausnahmen sind u.a. der Inhaber kleiner Läden die entweder der Verfassungsschutz für seine Aganda killt oder die albanische Mafia aus nicht sonderlich anderen Gründen.

  4. Keinkölner am Januar 28th, 2023 5:49 pm

    Hier kommt ohnehin hin wer will. Aber wir schaffen das!

  5. KleeneIcke am Januar 28th, 2023 8:49 pm

    @Trebon
    Wie rechnet man das mit dem hundert mal? Wenn ich ganz schnell gucke:
    Wir haben etwa 2600 Verkehrstote pro Jahr (2021, https://de.wikipedia.org/wiki/Verkehrstod)
    und etwa 2980 Tötungsdelikte (2021, https://de.wikipedia.org/wiki/T%C3%B6tungsdelikt_(Deutschland)).

    Wenn von den Tötungsdelikten 44% der Gruppe der Zuwanderer zuschreiben ist, sind wir aber von „hundertmal“ weit entfernt.

  6. multiplikato am Januar 29th, 2023 7:58 am

    Manchmal wünsche ich mir die Diktatur des Proletariats zurück. Eine dekadente Scheindemokratie, ist bei den 300% alla Marx, gar nicht mehr in der Lage, etwas zu ändern.

  7. takeshi am Januar 29th, 2023 10:01 am

    Um mal den Blick auf einen positiveren Aspekt zu lenken:

    „und etwa 2980 Tötungsdelikte (2021)“

    Um das noch etwas zu vertiefen siehe die beiden unter der Tabelle stehenden Anmerkungen:

    –> Etwa 50 % aller begangenen Tötungsdelikte sind Versuche

    –> umfasst Mord, Totschlag, Tötung auf Verlangen, Kindstötung, fahrlässige Tötung und strafbarer Schwangerschaftsabbruch

    Nach Abzug von ca. 50% Versuchen bleiben also noch etwa 1500 vollendete Taten übrig.
    Abzüglich 92 strafbarer Schwangerschaftsabbrüche 2021 lt. PKS-Tabellen der BKA für 2021 verbleiben noch etwa 1400 vollendete Tötungsdelikte.

    Und das bei 84,3 Millionen Einwohnern.

  8. takeshi am Januar 29th, 2023 10:02 am

    Es muss natürlich „des“ BKA heißen.
    Sorry.

  9. blu_frisbee am Januar 29th, 2023 10:27 am

    Der Marx war Jurist und hatte eine Kritik an der repräsentativen Demokratie.
    https://politischeoekonomie.com/marx-soziale-republik/

  10. Stephan am Januar 29th, 2023 12:04 pm

    Kleine Korrektur: Angriffe mit einem Messer werden für gewöhnlich als gefährliche Körperverletzung (§224) gewertet, das macht im Strafmaß keinen ernsthaften Unterschied. Bei der gefährlichen Körperverletzung steht der Einsatz einer Waffe oder eines Werkzeuges im Vordergrund der juristischen Bewertung. Bei der schweren Körperverletzung (§226) werden eher die Folgen des Angriffs (bleibende Schäden) betrachtet.

  11. Albert Rech am Januar 29th, 2023 1:31 pm

    Zwei junge, weisse Menschen sind gestorben, und nun wird das von rechten Partein wie der CDU/CSU, FDP, Grünen und SPD instrumentalisiert.
    Wären die Toten ebenfalls POCs würde das kaum jemand interessieren. So wie sich auch niemand für die russischen Zivilisten interessiert die von NATO-Waffen im Schlaf in ihren Betten zerfetzt werden.

    Statt diese tragischen Einzelfälle zu instrumentalisieren um gegen Zuwanderung und Diversität zu hetzen sollten wir den Kampf gegen Rechts und gegen rechte Hetzer in CDU/CSU, FDP, Grünen und SPD verstärken.

  12. Harry Tuttle am Januar 29th, 2023 1:37 pm

    Bei hoher Wahrscheinlichkeit von Fremdgefährdung kommt sicher auch eine Unterbringung und Behandlung in der geschlossenen forensischen Psychiatrie in Frage.

  13. Jens am Januar 29th, 2023 2:21 pm

    … guten Tag zusammen,
    man kann hin und her gegeneinander aufwiegen, soviel man mag. Die aktuelle Rechtsprechung für Asylanten richtet gesellschaftlich sehr viel Schaden an. Seitdem man aus dem Libanon in den siebziger Jahren die Mhallanis ins Land ließ, hat man die Clanproblematik am Hals. OK, konnte damals evtl. keiner voraussehen. Aber jetzt noch sehenden Auges genauso zu verfahren, obwohl man den ganzen Leuten immer noch keine gescheite Integrationsperspektive anbieten kann, ist einfach nur fahrlässig in jeder Hinsicht.

    Irgendwann wird man wohl auch hier dystopische Verhältnisse á la Weihnachtsinsel haben. Der Film „Die Klapperschlange“ lässt grüßen.

    Gruß
    Jens

  14. ... der Trittbrettschreiber am Januar 30th, 2023 6:01 am

    @Albert Rech

    Schon wieder ein Danke an Sie – wenn Sie so weitermachen, werde ich noch abstinent (heftigst inkontinent bin immer, wenn ich Ihre Kommentare lese). Sie haben den Journalismus-Zeitgeist verstanden und wenden ihn mit Bravour zumindest zu meinem verkorksten und aresilenten Vergnuegen an. So boshaft man es empfinden mag, ich freue mich auf Ihre naechsten, hoffentlich empoerenden Ein- und Auslassungen…hx.

    https://www.youtube.com/watch?v=5do7I_-Ifao

  15. Corsin am Januar 30th, 2023 10:23 pm

    @Trittbrettschreiber

    Dem Lob wie der Vorfreude schließe ich mich vollumfänglich an. Er kommt ja fast an die Legende Schnitzler heran.

    Sehr aufschlussreich ist es nebenbei, wie @Albert Rech die AfD unerwähnt lässt in seinem Aufruf zum Kampf gegen „rechte Hetzer“. — Da wollen wir für ihn mal hoffen, dass der Rubel noch lange rollt.

  16. Albert Rech am Januar 30th, 2023 11:20 pm

    @Corsin
    Ich bin tatsächlich von der AfD überrascht das sie sich nicht an der faschistischen Hetze gegen Russland beteiligt sondern wie die Linkspartei für den Frieden kämpft.
    Eventuell entsteht hier etwas neues was gesunden Partiotismus mit demokratischen Sozialismus kombinert.

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