Opium für das kleine Volk

the honor of kings

Telepolis: „Außer Freitag, Samstag und Sonntag von 20 bis 21 Uhr sind Online-Spiele in der Volksrepublik China fortan Erwachsenen vorbehalten“.

Gut oder schlecht? Ein Kommentator schreibt dort: Der Vergleich zu Opium ist sicher nicht zufällig gezogen, wenn man auf die chinesische Geschichte schaut: Opium hatte China geschwächt und die Opium-Kriege führten u.a. zur britischen Besetzung Hongkongs, Plünderung des Sommerpalasts durch britische Truppen und kolonialer Fremdbestimmung.

Der Vergleich zu Opium ist aber überaus passend, wenn man bedenkt, welche perfiden Mechanismen viele Online-Spiele einsetzen, um Suchtverhalten hervorzurufen und welchen schädlichen Teufelskreis sie in Gang setzen können, wenn sie einerseits schnelle Erfolgserlebnisse bieten, andererseits aber durch die beanspruchte Zeit Erfolgserlebnisse im realen Leben zunehmend verhindern. (Vgl. Wall Street Journal.)

Als langjähriger Gamer vermutet man natürlich sofort ein größeres Bullshit-Bingo. Hierzulande sollten sogar Spieler bestraft werden. Die Reaktionen der Qualitätsmedien sind daher verhalten, da man vermutlich weiß, dass die Glashäuser, in denen man sitzt, völlig entglast werden würden, entgegnete jetzt mit den üblichen Textbausteinen à la: Die pöhse Diktatur in China schränkt wieder die Freiheiten ein.

Also gemacht. Erstens geht es um Jugendliche. Zweitens: Soll der Staat so etwas anordnen oder die Eltern oder irgendeine „Jugendschutzbehörde“ – und wer soll das wie kontrollieren? Spielen die lieben chinesischen Kleinen The Honor of Kings auf dem Smartphone, auf der Konsole, auf dem PC oder in Internet-Cafes? Online-Spiele ohne vorherige Nutzerregistrierung unter Klarnamen seien in der Diktatur (har har) seit 2019 illegal, schreibt Telepolis sehr „neutral“. Zahlungen dürfen nur über bestimmte, staatlich vorgegebene Schnittstellen erfolgen. Letzteres find ich übrigens völlig ok, wenn es um Jugendliche geht.

By the way: Was machen eigentlich HiPiHi (ein chinesischer Klon von Second Life, burks.de berichtete)? Oder Entropia Universe? (Die einschlägige wissenschaftliche Presse gibt es noch.) Vielleicht will die chinesische Regierung die Kinderchen nicht mit etwas Japanischem behelligen – wegen weltanschaulicher Bedenken?

Mir weht da viele heiße Luft entgegen. Ich sehe in der staatlichen chinesischen Propaganda gegen „Online-Spiele“ auch keinen Unterschied zu dem, was einem hier aus den Anstalten Qualitätsmedien mehrheitlich entgegenschwallt. Man darf vermuten, dass die übergroße Mehrheit der chinesischen Eltern ohnehin hinter den aktuellen Gesetzen steht. Hierzulande fordern die Grünen genau das, was in China umgesetzt wurde. So what?

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Kommentare

6 Kommentare zu “Opium für das kleine Volk”

  1. Wolf-Dieter Busch am August 31st, 2021 5:40 pm

    Ich betrachte es mit westlichen Augen und empfinde es als Beschneidung der Freiheit. (Ich selbst spiele nicht online, meine Kategorie ist eher Puzzle im weiteren Sinn.)

    Den Vergleich mit Opium halte ich für verfehlt. Der Mensch braucht zwischen der Arbeit auch Spiel, sonst verkommt er.

    Always work
    Never play
    Makes Tom
    A dull boy.

  2. bentux am August 31st, 2021 9:23 pm

    Coole Idee, das Spielen zu verbieten. Da will sich wohl Einer bei den Taliban lieb Kind machen? Ich meine als Gottesstaat, nicht um den Kontakt, zu den Mit gläubigeninnen, abbrechen zu lassen. Ist das schon mal ein guter Anfang. Als nächstes noch der Dresscode? Humor ist wegen der politischen Korrektheit auch nicht mehr. Ja, die Demokratie und Religion wird am Hindukusch oder Bayern verteidigt. Wir sind schon auf dem Weg…

    <8*) ein Aluhut, vorsichtshalber schon Mitglied der Inquisition.

  3. Christoph Kühn am August 31st, 2021 10:11 pm

    Das war 2006 in Bayern. Inzwischen hat man wohl auch in der bayrischen Staatsregierung den „Homo ludens“ von Johan Huizinga gelesen. Je heftiger es zugehe, desto eher gelänge im Spiel die Abfuhr von Affekten, schrieb Huizinga schon 1939. Was wäre der Welt wohl erspart geblieben, wenn die entscheidenden Leute 1939 zu den „Homines ludentes“ gehört hätten.

  4. blu_frisbee am September 2nd, 2021 11:27 am

    Wenn der bürgerliche Freiheitsfasel raktionär wird beißt er um sich wie ein tollwütiges Tier, verliert alle Vernunft.

    Die KPC will das Finanzkapital in produktivere Bereiche lenken als die Unterhaltungsindustrie. Wenn drüber das irre Bürgertum aufheult ist das gut und nicht schlecht.
    https://nymag.com/intelligencer/2021/08/chinas-sweeping-crackdown-on-big-tech-is-a-wake-up-call.html

    Auch sonst verliert sich das Bürgertum zunehmends in fiktive, bloß ideal vorgestellte Welten. Ich erwarte den Kollaps der Zivilisation noch in diesem Jahrhundert.
    https://www.freitag.de/autoren/martina-mescher/das-sind-ammenmaerchen

  5. ... der Trittbrettschreiber am September 2nd, 2021 1:54 pm

    @blue_frisbee

    Würden sich Lemminge allein in die Tiefe stürzen?

    https://tinyurl.com/uu6h7c37

  6. Die Anmerkung am September 3rd, 2021 12:24 pm

    @blue_frisbee

    Eva von Redecker, geb. 1982, ist Philosophin. Ihre Arbeit liegt an der Schnittstelle von Kritischer Theorie und feministischer Philosophie.
    —–
    Das heißt, deren Kernkompetenz ist fliegen lassen aka Furzen.

    „Neue Schafe sind bereits bestellt und werden voraussichtlich morgen hingerichtet, damit Ihr verzogener Luxusbalg seine Biogase im Warmen in die Atmosphäre flatulieren kann.“

    https://de.wiktionary.org/wiki/flatulieren

    Paßt prima auf grüne Schafe und die Luxusbälger unter diesen grünen Schafen.

    Es wird nicht ohne Opfer gehen.

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