Neguse Negest oder: No Brain and headache

Tiken Jah Fakoly

Wie jedem, der Reggae zu schätzen weiß, bekannt ist, gehörte Bob Marley der religiösen Sekte der Rastafari an, die weltanschaulich nur den allergrößten Unfug verbreitete. „…eine in Jamaika in den 1930er Jahren entstandene und weltweit verbreitete Glaubensrichtung, die dem Christentum entsprungen ist und viele alttestamentliche Bezüge aufweist. Die Bewegung lehrt die Göttlichkeit Haile Selassies.“

Schon klar. Almighty god is a living man und der Messias. Ich vermute, dass der Hype um Bob Marley in Europa damals vor allem damit zusammenhing, dass die Rastafari die Joints niemals ausgehen ließen, wie Wolfgang Neuss das formulieren würden, und eben das als religiöses Ritual verkauften.

Irgendwann Anfang der 80-er Jahre besuchte ich mit meiner damaligen Freundin, die Ethnologin war, ein Seminar über dieses Thema an der FU Berlin, weil wir planten, auch nach Grenada zu reisen, wo die Rastafari die revolutionäre Bewegung um Maurice Bishop unterstützten. Ich habe nur leider die Unterlagen verschlampt.

Neulich also bei Youtube. Wenn man heute Reggae hört, sind die Texte oft entweder total banal oder genau so ein Unsinn wie damals. Alpha Blondy hat zwar eine Biografie, die mich beeindruckt. Aber wenn ich ihn von „Jerusalem“ singen höre oder von Adonai (nicht zufällig weiß ich, was das heißt), wird mir ganz anders. Man muss einfach weghören und nur den Rhythmus genießen. Es grenzt auch schon an höheren Blödsinn, wenn jemand Frieden zwischen „Israel und Palästina“ wünscht und die Menge natürlich positiv aufheult, aber vergisst, wer den Terror verursacht und wer Israel von der Landkarte verschwinden lassen will.

In Großbritannien ging das auch anders. Die Nachgeborenen werden Linton Kwesi Johnson nicht kennen, aber dessen Texte sind immerhin zitierfähig. Ich hatte mal das Vergnügen, einem seiner Konzerte beizuwohnen.

Bei Tiken Jah Fakoly zum Beispiel gefällt mir aus ethnologischer Sicht die Ikonografie – er würde wunderbar in den 2. Teil von Matrix zu den pseudorevolutionären Witzfiguren dort passen. Bob Marley kam in Straßenkleidung auf die Bühne und hatte es nicht nötig, sich merkwürdige Schlabbermäntel umzuhängen. Wursthaare sind auch nicht automatisch systemkritisch, nur in verkitschten Hollywood-Filmen, wenn man noch ein paar Quoten-Neger unterbringen will.

By the way; Tiken Jah Fakoly: Africa United ist eine sinnlose Aussage, solange man nicht die Machtfrage stellt und eine Idee hat, was dann kommen soll – Kapitalismus unter anderen Vorzeichen oder nur: habt Euch alle lieb?! Ich kriege immer einen Anfall, wenn ich das höre – erinnert mich zu viel an Mädchen, die „was mit Tieren“ machen möchten und wegen des „Klimas“ zu den Grünen laufen. Geschenkt. Dann doch besser aur die Wiedergeburt des Neguse Negest warten, das macht genauso viel Sinn.

corvid19

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Kommentare

6 Kommentare zu “Neguse Negest oder: No Brain and headache”

  1. ... der Trittbrettschreiber am April 22nd, 2020 6:10 pm

    Besetzte Häuser wurde von großen Lautsprechern auf Polizeilastwagen entweder mit Rock oder mit Raggae stundenlang „beschallt“. Man rate mal welche Wohlklänge effektiver waren. Das sich Frauen zu no women cry nächtelang in bis zur Willenslosigkeit ausufernden Trance tanzten, lage wohl an weit verbreiteten Defiziten in Englisch. Ich besonders war nicht so slangversiert und dachte immer, er möchte nicht, das Frauen weinen… unser Bob.

  2. bentux am April 22nd, 2020 8:34 pm

    Also Ich finde das haben Die, aus Franken, auch gut ausgedrückt: https://youtu.be/LNawRmkhWEI, ja auf deutsch und nicht ganz so bekannt. Reicht um Ärger zu bekommen. :-)

  3. Martin Däniken am April 23rd, 2020 10:00 am

    Empfehle das hier:“King of Kings von Oliver Sturm
    Geht zwar um den Oberst aus Libyen…

  4. Corsin am April 23rd, 2020 4:07 pm

    Einer der besten Burks-Texte seit langem. Nicht alles ist schlecht in und an diesen Zeiten.

    Schade allerdings, dass es hier keine Updates aus dem Urban mehr gibt. Gutes Timing übrigens ;)

  5. Herbert Eisenbeiß am Mai 20th, 2021 10:10 am

    Wie man neulich im SPARGL ONLINE lesen konnte, verbrachte Marley seine letzten Lebenswochen damals zur Krebstherapie im winterlichen Rottach-Egern.

    Was es nicht alles gibt…

  6. In den Markt integrierte Saat des Bösen : Burks' Blog – in dubio pro contra am September 9th, 2021 12:49 pm

    […] moraltriefend und divers herüberkommen wie die pseudorevolutionären Witzfiguren in der Matrix: Quotenmaximalpigmentierte, Wursthaare und Pseudo-Obdachlosen-Chic. Aber natürlich besser als der […]

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