Staatsgeleiteter Kapitalismus

New socialist Countryside
Designer: Du Jiang (杜江), 1997: „Build a prosperous and cultured new socialist countryside | Jianshe fuyu wenmingde shehui zhuyi xin nongcun (建设富裕文明的社会主义新农村).

Ich hätte doch nicht aufhören sollen, Mandarin zu lernen. Aber wenn man, wie mein damaliger Lehrer sagte, vier Jahre intensiven Studiums braucht, um eine Zeitung lesen zu können, benötigt man noch ein zusätzliches Motiv – und ich hatte keine chinesische Geliebte zur Hand.

Analyse & Kritik hat ein sehr interessantes Interview mit Stefan Schmalz über Aspekte des Klassenkampfs in China:
Bei der Größe, die das chinesische Industrieproletariat hat, ist klar, dass es zu Auseinandersetzungen kommen muss. Die erste Welle war nach der Weltwirtschaftskrise, als eine junge Generation von Arbeitern bessere Bedingungen und höhere Löhne eingefordert hat, vor allem im Automobilsektor. Paradigmatisch ist der große Honda-Streik 2010. Seitdem sind die Löhne in der Branche deutlich gestiegen. 2014 gab es einen zweiten wichtigen Streik bei Yue Yuen, einem Schuhhersteller mit 40.000 Beschäftigten am Standort Dongguan, überwiegend ältere Frauen, die für Sozialversicherung gestreikt haben. Hier ging es auch um Standortverlagerung. Die Produktion für den Export wird teilweise verlagert nach Vietnam oder in andere Länder. Ein Teil geht auch ins Binnenland, nach Westchina, wo noch billiger produziert werden kann. Letztes Jahr gab es den dritten paradigmatischen Streik bei Jasic Technology in Shenzhen, auch in Südchina. Dieser Arbeitskampf wurde massiv unterstützt von Studierenden. Es gibt viele aktive Studierende, die sich selbst als Marxisten bezeichnen, aber sagen, wir setzen die neue Xi-Jinping-Lehre, die Marx wieder stärker ins Zentrum rückt, richtig um, wir helfen den Arbeitern. Hier gab es massive Repression, viele Leute sind im Gefängnis gelandet. (…)
Inzwischen gelten Arbeitskämpfe als gefährlich, weil sie das Klassenthema auf die Tagesordnung setzen und damit auch an der Legitimation der Kommunistischen Partei kratzen.

Ich habe mir zudem Jörg Kronauers Der Rivale: Chinas Aufstieg zur Weltmacht und die Gegenwehr des Westens (Konkret Texte) besorgt, ich muss es aber noch lesen.

China bleibt das spannendste Wirtschaftsthema.

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Kommentare

6 Kommentare zu “Staatsgeleiteter Kapitalismus”

  1. Die Anmerkung am August 1st, 2019 10:24 am

    Wer Studierende schreibt, ist für mich nicht satisfaktionsfähig, da ein Labernder.

  2. Crazy Eddie am August 1st, 2019 12:28 pm

    Die Sowjetunion war u.a. deswegen ein Koloss auf tönernen Füßen, weil sie viel zu viele Resourcen dafür vergeudete, eine gewaltige, aber zweitklassige Streitmacht aufzubauen und zu erhalten. Als ähnlichen Koloss sehe ich auch China. Was wir dort passieren, wenn eine hausgemachte Wirtschafts- oder Finanzkrise eintritt? Sagen die Kommunisten dann: Nur keine Sorge, der Kapitalismus ist sicher, dafür sorgt die Volksarmee?

    „Staatlich gelenkter Kapitalismus“, wenn ich das schon höre. Und dann auch noch Kommunisten am Ruder? Das kann ja nicht klappen, das muß ja schiefgehen.

    Und überhaupt, diese Nebensache muß ich auch noch loswerden: Immer wieder hört man davon, man müsse dies und das verstaatlichen. Wasserversorgung, Kraftwerke, Wohnungsgesellschaften, nun auch Fluggesellschaften. Das mag ja gefühlt gut begründet sein, aber woher nehmen die Leute die Gewißheit, daß alles besser wird, was in den Händen des Staates ist??? Und wie ist es zu erklären, daß ausgerechnet diejenigen am stärksten nach Verstaatlichungen verlangen, die gar nicht mit dem Staat zufrieden sind?

    Und ansonsten sag ich nur Venezuela.

  3. Wolf-Dieter Busch am August 1st, 2019 12:31 pm

    @Die Anmerkung – danke. Gendern ist eine Seuche an unserer kraftvollen und ausdrucksstarken Sprache Deutsch.

  4. Michael am August 1st, 2019 6:28 pm

    Marxisten bzw. Kommunisten, die Marxismus bzw. Kommunismus ernst nehmen. Am Ende haben die von Marx auch noch mehr, als den Namen gelesen. Das geht ja wohl gar nicht in einem Land, welches sich marxistisch bzw. kommunistisch nennt. Das ist ja wie ein Katholik, der den Katholizismus ernst nimmt. Nicht auszudenken.

  5. Frtitz am August 3rd, 2019 5:12 pm

    Scheint mir wenig glaubhaft, dass sich regimekritische Chinesen ausgerechnet als Marxisten sehen sollten; wo doch ihre Führung Marx seit Jahrzehnten im Schild führt.

  6. Die Anmerkung am August 10th, 2019 7:59 am

    https://twitter.com/FunkButcher/status/1157282862720307200

    Frank Butcher

    What do you say wehen the British Government says there are goiong serioues consequences if Bejing doesn’t accept Britain’s right to have a say in this?

    First of all, I think whatever the Foreign Secretary of the United Kingdom said in terms of bad consequences is purely bluffing. I believe, between China and the United Kingdom for example, the United Kingdom is no position tu bluff against China and force China to kowtow to Britain. Those years and that historical Period have passed by forever, and the United Kingdom can better server its own interest, and serve the fundamental interest of the Britisch people if it deals with China with respect, with dignity, wirh equality and with decency.

    Was sagen Sie, wenn die britische Regierung sagt, es gebe ernsthafte Konsequenzen, wenn Peking das britische Mitspracherecht nicht anerkenne?

    Zunächst denke ich, dass alles, was der Außenminister des Vereinigten Königreichs in Bezug auf schlimme Konsequenzen gesagt hat, nur ein Bluff ist. Ich glaube, zwischen China und dem Vereinigten Königreich zum Beispiel ist das Vereinigte Königreich nicht in der Position, um gegen China zu bluffen und China dazu zu zwingen, sich einen Kotau gegenüber Großbritannien zu begehen. Diese Jahre und diese historische Periode sind für immer vorbei, und das Vereinigte Königreich kann seinem eigenen Interesse besser gerecht werden und dem Grundinteresse des britischen Volkes dienen, wenn es China mit Respekt, Würde, Gleichheit und Anstand behandelt.

    https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/aus-aller-welt/china-mehr-shenzen-als-hongkong/

    Klaus-Jürgen Gadamer

    Im Allgemeinen ist Chinas Bevölkerung politisch wenig interessiert. Es gibt ein unausgesprochenes Abkommen zwischen Bevölkerung und Regierung. Solange diese das wirtschaftliche Auskommen garantiert, ist die Bevölkerung zufrieden.

    Es ist ein grundsätzliches Missverständnis der medialen Klasse in Deutschland, die Weltbevölkerung als politisch interessiert zu sehen. Das ist sie nicht! Sie will Wohlstand. Wer diesen schafft oder auch nur verspricht, dem folgt das Volk. Das ist in China so wie überall in der 3. Welt. Allerdings ist China eine leistungs- und erfolgsorientierte Kultur. Das trennt sie wesentlich von den paternalistischen Stammeskulturen Afrikas. …

    So geht China seinen Weg – völlig unbeeindruckt von westlichen Belehrungen. … Make China great again. Dem Volk ist es recht, zumindest so lange es nach oben geht.

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