Gefälschte abstoßende Fälscher

babylon berlin

Der Feitag über „ahistorische Pseudo-Trotzkisten in der ARD-Sky-Produktion ‚Babylon Berlin‚“: „An der Wand des Kellers hängt ein Porträt von Stalin. Warum? Wenn die Gruppe die Nachricht bekommt, dass der entführte Zug erfolgreich die Grenze überquert hat, werfen die Trotzkisten aus Freude Küchenmesser auf das Bild.

Wo soll der Historiker da anfangen? Die Vierte Internationale ist im September 1938 gegründet worden. In der Romanvorlage von Volker Kutscher ist nur von „kommunistischen Abweichlern wie Trotzki“ die Rede. Die Fernsehproduzenten haben sich den unmittelbaren Trotzki-Bezug selbst ausgedacht – und trotz 38-Millionen-Euro-Budget nicht auf Wikipedia nachgeschaut.“

Christian Y. Schmidt (auf Facebook): „Tatsächlich ist die Serie besser als fast der ganze hölzern-miserable ‚Tatort‘-Kram, was zum Beispiel die Dramaturgie angeht, die Dialoge, die Ausstattung oder die Musik. Nur: Wenn man schon mal in Deutschland richtig viel Geld in eine Serie steckt, warum beschäftigt man nicht wenigstens einen richtigen Historiker?

Mir fielen jedenfalls schon beim oberflächlichen Sehen gleich mehrere eklatante Fehler auf, sodaß ich immer wieder dachte: Hallo? Geht’s noch?

So wird im Jahr 1929 in der Sowjetunion ein Zug von oppositionellen Trotzkisten überfallen und anschließend nach Deutschland entführt. Dieser Zug fährt bei Tauroggen über die Grenze ins deutsche Reich. Hier gibt es dann Probleme bei der Grenzabfertigung, die schließlich ein deutscher General mit einem Federstrich aus der Welt schafft. Damals war Litauen jedoch kein Teil der Sowjetunion, sondern (wie heute) selbstständig, sodaß der Zug bereits eine Grenze passiert haben mußte. Und diese Grenzabfertigung dürfte nicht so reibungslos über die Bühne gegangen sein. Damals verfügte die Sowjetunion(so wie Russland heute) über ein Breitspureisenbahnenschienennetz, Litauen aber wie das Deutsche Reich über eines der Normalspur. Ein Zug konnte also ohne langwierigen Achsentausch an jedem Waggon überhaupt nicht vom sowjetischen Schienennetz auf das litauische und anschließend weiter auf das deutsche wechseln. Für eine Dampflok war das meines Wissens überhaupt nicht möglich. Es war also schon aus technischen Gründen, unmöglich, einen Zug aus der Sowjetunion nach Deutschland zu entführen, von anderen Schwierigkeiten jetzt mal abgesehen.

Zweitens wurde das Memelland 1920 vom deutschen Reich abgetrennt und bereits 1923 von Litauen annektiert, sodass Tauragė / Tauroggen 1929 überhaupt keine Grenzstadt mehr war, sondern mitten in Litauen lag.“

Dazu Das Schema: „Warum ist ‚Babylon Berlin‘ so abstoßend?“

Ich bin gelernter Historiker. So etwas kann ich nicht aushalten. Also werde ich nicht hingucken, obwohl die Mainstream-Medien jubeln.

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Kommentare

8 Kommentare zu “Gefälschte abstoßende Fälscher”

  1. Martin Däniken am Oktober 2nd, 2018 11:21 am

    Vielleicht nochmal „Berlin Alexanderplatz“ von 1931 und oder die FassbinderSerie gucken…
    „Ein Mann will nach oben“ wäre auch nicht schlecht,oder…

    Ausserdem wie will man einen Achsentausch dramatisch umsetzen!
    Ja geht’s noch oder achst es schon ;-).

    Es zählt was am Ende rauskommt-
    Quote!

  2. ... der Trittbrettschreiber am Oktober 2nd, 2018 11:22 am

    Du bist gelernter Historiker, Burks? Als Handwerker hätte ich Dich nun nicht eingeschätzt. Ich war (wohl fälschlicherweise) der Meinung, dass du Philologe bist, oder Philantrop? Ich bin oversurprized. Das wirft Fragen auf (obwohl Fragen eigentlich nicht geworfen werden können).

    Zum Filmemachen: Niemand will wissen, wie eine Achse am Zug ausgetauscht wird, es sei denn, unterm Zug findet irgendeine perverse Missbrauchshandlung statt(Penetration, Fellatio, Cunnilingus oder vielleicht ein Dada-Gedicht, vorgetragen von einem Kreuzschlüssel). Wichtig ist, dass Regie und Schaupieler + Backstage-Crew ihren Spaß haben und anschließend der ;-)… Rubel rollt. Wer zuschaut, ist dann etwas egal.
    Auszuhalten ist das selbstverständlich nicht, wenn man realistische Erwartungen an einen Film hat. Ich möchte nicht wissen, wieviele KriminalkommissarInnen sich in die Isar geschmissen haben, nachdem sie ‚Tatort‘ gesehen haben.

  3. andreas am Oktober 2nd, 2018 4:48 pm

    @Trittbrettschreiber Was Kommissare und Flüsse betrift wären mehr Fließgewässer als die Isar betroffen.

  4. Roman Bardet am Oktober 2nd, 2018 5:02 pm

    … der Trittbrettschreiber am Oktober 2nd, 2018 11:22 am

    Du bist gelernter Historiker, Burks?

    Burks ist ein html Idiot der es versäumt

    hat eine html Unterscheidung zwischen einem Zitat und Burk’scher Meinung zu schaffen.

    Auf spiggel.de war immer eindeutig was ein Zitat ist, das Zitat war in roter Schrift. Hier im blog muss der Leser oder die Leserin genau aufpassen und unterscheiden lernen, was ist ein Zitat und was ist Burk’sche Meinung. Wie wir jetzt an diesem Beispiel sehen

    … der Trittbrettschreiber am Oktober 2nd, 2018 11:22 am

    Du bist gelernter Historiker, Burks?

    lernen es selbst manche Stammleser (oder ist es eine Stammleserin oder ein „tatsächlicher“ Trittbrettschreiber?) nie.

  5. rainer am Oktober 2nd, 2018 6:46 pm

    ….Leute….schon mal was von künstlerischer Freiheit gehört?….

  6. Michael am Oktober 2nd, 2018 9:16 pm

    Ich nehme mit: Es ist also Fiktion mit ein paar historischen Versatzstücken aber vielleicht wenigstens kurzweilig und unterhaltsam erzählt wie der „Medicus“ z.B.?

  7. ... der Trittbrettschreiber am Oktober 2nd, 2018 10:09 pm

    Ooh woher bekommt ein(e) Nichtraucher(in) Asche her – mein Haupt verlangt danach.
    Oder ginge auch Flüssiges? Es wäre aber schon schade…

    PS: Nun bin ich aber beruhigt. Das mit der Philantropie stimmt also doch. Magier oder Junggeselle. Welcher Abschluss?

  8. Christian G. am Oktober 5th, 2018 7:35 pm

    Noch ’n paar Higlights (ich hab die ersten beiden Folgen mit dem linken Auge so nebenher gesehen): die Lokomotive ist Baujahr ab ca. 1942, der Kesselwagen aus den 60er. Waffen und Uniformen passen ebenfalls nicht.

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