Lachen ist gesund, aber mehr nicht

mauertote

Natürlich lache ich auch, wenn ich gute politische Satire sehe, wie teilweise in der letzten Heute Show. Aber was kommt dann? Lachen ist gesund, mündet aber nicht in eine revolutionäre Attitude ohne etwas vergleichbar Positives. Satire ist ein Ventil, wie die Charaktermaske des Clowns, das den täglichen Wahnsinn erträglicher macht. In Wahrheit müsste man das Lachen verbieten, dann würden die Leute wütend, was eine adäquatere Attitude im und für den Kapitalismus wäre.

Medien bestärken das, was die Leute eh schon meinen. Daher habe ich die unerträglich kitschige Geschichte auf Zeit online: „Vom Rechtsradikalen zum Flüchtlingshelfer“ kommentiert mit:
Nach „macht Mut“ kommen zuverlässig keine journalistischen Inhalte mehr, sondern Moraltheologie. Man soll sich auch nicht mit der guten Sache gemein machen. Alter Lehrsatz, selten befolgt.

Die sind jetzt natürlich angepisst. Wenn man in Deutschland die Kerzen einer Lichterkette auspustet, wird man gleich öffentlich ausgepeitscht und mit Gemeinschaftsentzug bestraft. (Ganz nebenbei: Das Ministerium für Wahrheit, auch bekannt als „Jehovas Zeugen“, gibt bekannt: „Soziale Ächtung“ heißt jetzt „ein Ausdruck von Liebe“.)

Der Lehrsatz über Medien gilt für jedwede Diskussion über Einwanderer, die teilweise auch Flüchtlinge sind. (Quod erat demonstrandum: So würde es kein Medium in Deutschland formulieren, obwohl es wahr und sachlich richtig ist. Der Diskurs ist eben moraltheologisch und je nach politscher Couleur einbetoniert und vorhersagbar.) Von mir kommt nichts über das aktuelle – und ebenso abzusehende – Drama, was sich zwischen Afrika und Europa abspielt.

Betrachtet man die Diskussion der sogenannten „Ausländerfrage“ in längerer Perspektive, so fällt auf, daß sie seit den 70er Jahren alle vier, fünf Jahre in immer neuen Verwandlungen aufs neue enbrennt und jedesmal so tut, als seien plötzlich ganz neue Probleme aufgetaucht. Tatsächlich aber wird die Debatte um den Zuzug von Ausländern in Deutschland seit etwas 120 Jahren unter den im wesentlichen gleichen Fragestellungen und mit den gleichen Frotnlinien geführt. (Ulrich Herbert: Geschichte der Ausländerpolitik in Deutschland: Saisonarbeiter, Zwangsarbeiter, Gastarbeiter, Flüchtlinge, 2001)

Wer sich moralisch empört, was jetzt überall geschieht, handelt unpolitisch. Der Guardian (für mich die beste Zeitung der Welt) schreibt aktuell: „Britain’s criminally stupid attitudes to race and immigration are beyond parody (…) I sometimes wonder if satire has reached a nadir in Britain because British society has itself become a parody of itself.“

Schon klar, auch in Großbritannien wie auch anderswo herrscht hohe politische Pappnasendichte. Aber wer das beklagt, wendet sich an die, die das schon wissen. Pappnasen rezipieren wiederum Medien, die sie bestätigen.

Ein Grund, mit dem Journalismus kürzer zu treten und mich stattdessen in die Belletristik zu begeben, war eben, dass man mit guten Informationen kaum etwas bewegen kann. Im Kostüm der Unterhaltung, so hoffe ich, kann ein Autor vielleicht die Gesetze der Medienrezeption aushebeln und Botschaften unterjubeln, die die Leser, wären diese „korrekt“ verpackt, gar nicht erst konsumieren würden. Das erinnert mich auch schmerzlich daran, dass ich irgendwie die Zeit finden muss, um an meinem zweiten Roman weiterzuschreiben.

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Kommentare

3 Kommentare zu “Lachen ist gesund, aber mehr nicht”

  1. ... der Trittbretschreiber am April 21st, 2015 1:46 pm

    „In Wahrheit müsste man das Lachen verbieten, dann würden die Leute wütend, was eine adäquatere Attitude im und für den Kapitalismus wäre.“

    Eine andere Möglichkeit wäre, wenn Journalismus wieder zu dem würde, was er gern gewesen wäre – dann bliebe uns (wer immer das ist) das Lachen einfach im Halse stecken.

    Ansonsten danke – Das war (ist) Burks vom Feinsten…. :)

    Bru…?

  2. Serdar am April 21st, 2015 3:37 pm

    Zweiter Roman? Worum gehts?

  3. admin am April 21st, 2015 10:41 pm

    Die Fortsetzung des ersten…

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