Arbeiten 4.0 oder: Unter Value Factoring Consultants

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Wer das schreibt, ist doof: „bringt neue soziale Probleme mit sich und wirft grundlegende soziale Fragen auf“. Wer dann weiterliest, ist auch doof. Nein, ich schwurbele nicht so sinnfrei herum, sondern die SPD bzw. ein von Frau Dings (SPD) geführtes Ministerium.

Also versuche ich es noch einmal. Der Kapitalismus ist noch lange nicht am Ende. Das sagt jemand, der meint, der Kapitalismus sei bald am Ende, weil man die Embryonen einer anderen Gesellschaft schon erkennen könne.

Noch mal verschwurbelt, suggestiv Kapitalismus-affin, also SPD-like: „Arbeiten 3.0 meint die Zeit der Konsolidierung des Sozialstaats und der Arbeitnehmerrechte auf Grundlage der Sozialen Marktwirtschaft. (…) Arbeiten 4.0 wird vernetzter, digitaler, flexibler sein. Wie genau die zukünftige Arbeitswelt aussehen wird, ist offen.“

Ja, und ihr habt noch etwas anderes offen: „Soziale Marktwirtschaft“ ist ein weißer Rappe, lupenreine Propaganda und Neusprech vom Feinsten. Aber was rege ich mich unnütz auf: Von Sozialdemokraten und ihren Lohnschreibern erwarte ich nichts anderes als Gefasel.

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Und ja: Ich habe einen Plan, was ich schreiben werde, obwohl es für wohlwollende Leserinnen und geneigte Leser, die hier selten vorbeischauen, nicht so aussehen mag. Tl;dr? Dann geht doch zu LeFloid, der übrigens auch ein kluger, intelligenter und politisch denkener Mensch ist.

Ich empfehle noch einmal ein Buch, das ich mit Gewinn gelesen habe, das die richtigen Fragen stellt und sogar sehr interessante Antworten gibt, wie es mit dem Kapitalismus in der Zukunft aussehen könnte und was danach zwangsweise kommt: „Aufbruch ins Ungewisse (Telepolis): Auf der Suche nach Alternativen zur kapitalistischen Dauerkrise„. (Nicht alle Kapitel sind interessant, aber die ersten beiden sind schon allein das Geld wert.)

Das Fazit: Die Zukunft jenseits des kapitalistischen Marktes ist schon da, man sieht sie aber noch nicht wirklich. Als Beispiel für ein ökonomisches und politisches Embryo hatte ich hier die Ciompi im 14. Jahrhundert genannt: Die Arbeiter der Wolltuchindustrie, einer der Vorformen der kapitalistischen Massenproduktion, entmachteten den Adel und schufen die erste Demokratie der Neuzeit in Mitteleuropa. 500 Jahre, bevor der kapitalistische Markt die alles beherrschende Wirtschaftsform wurde, konnte man also schon erahnen, wie das (die politische Form, die zum Kapitalismus weltanschaulich am besten passt, weil sie der herrschende Klasse nützt) mal aussehen würde, wenn es sich durchgesetzt hätte. („Sätze mit mehr als 30 Wörtern versteht kein Mensch auf Anhieb“, lehre ich übrigens meine Studenten.)

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Wie sieht also die Arbeit aus, wenn der Kapitalismus sich selbst klammheimlich transformiert? Factoring Consultant oder Factoring Broker ist zum Beispiel ein Beruf, der aus dem Finanzkapitalismus stammt. Die Art und Weise zu arbeiten kommt jetzt auch in anderen Sparten vor:
Flexibility – set your own hours. Reoccurring Income – get paid for the lifetime of the customer. Virtual Office – work from a home office.

Hört sich gut an, ist es aber nicht automatisch. Im aktuellen Print-„Spiegel“ kann man das nachlesen: In einem Unternehmen, das digitale Produkte herstellt, entscheiden die Arbeiter selbst im Team darüber, was sie wie wie lange herstellen. Das könnte der Kommunismus sein, wenn es keinen Chef gäbe (den gibt es aber). Nachteil (oder auch Vorteil): Alle kontrollieren alle Arbeitsschritte. „Alle Beschäftigten sind am Gewinn beteiligt.“ Wer nicht spurt, fliegt also raus, aber einen Betriebsrat gibt es nicht. Ceterum censeo: Wenn es den Eigentümer nicht gäbe, sondern das Unternehmen allen gemeinsam gehören würde, wäre das Sozialismus, wie man ihn sich erträumt. Oder auch nicht.

Den Rest müssen die geneigten Stammleserinnen und wohlwollenden Stammleser (die noch übrig geblieben sind) selbst denken. Ich hoffe, dazu angeregt zu haben.

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Kommentare

3 Kommentare zu “Arbeiten 4.0 oder: Unter Value Factoring Consultants”

  1. ... der Trittbrettschreiber am April 19th, 2015 4:08 pm

    „Das sagt jemand, der meint, der Kapitalismus sei bald am Ende, weil man die Embryonen einer anderen Gesellschaft schon erkennen könne.“

    Das ist ja nunmal wirklich interessant – womit sind die denn ausgestattet bezgl. Hirnvolumen, Gewaltbereitschaft, Dominanzlust, Klugscheißerei, Geldgier und Tanatos-Sehnsucht?

  2. Siewurdengelesen am April 19th, 2015 8:39 pm

    +1 – Auch für das verlinkte Buch von Telepolis…

  3. Mordred am April 20th, 2015 5:12 pm

    factoring als soclhes ist schon nen alter, wenn als solches auch kranker hut.
    die werden nicht nur fürs geldeintreiben ansich, sondern vor allem fürs zeitpunktgenaue bezahlen beauftragt. denn heutzutage hat mal als mittelstand aufwärts (insb. als tochter vonner us-firma) so merkwürdige probleme wie zb, dass jeden monat (!) die prognostizierten zahlen stimmen müssen. nen tag zu spät is nich bzw. bedeutet einen haufen papierkram (abweichungsbegründungen…). man beauftragt also lieber einen factor (10% kosten) welcher sofort zahlt.
    das sind probleme, die die welt nicht braucht, aber hat^^

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