Rebellion in Ubangi-Schari

CAR

„Ich wünsche Ihnen eine gute Entwicklung da unten.“ (Heinrich Lübke, Bundespräsident 1959-1969, zu einer Delegation aus Mauretanien)

In der Zentralafrikanischen Republik (aka Sango Ködörösêse tî Bêafrîka oder R.C.A.) gab es vor einigen Tagen einen Militärputsch. Ich fühle mich durch die deutschen Medien nicht hinreichend informiert und habe daher selbst über die Hintergründe recherchiert.

Das letzte Mal hatte ich etwas über dieses Land im Zusammenhang mit „Kaiser“ Jean-Bédel Bokassa gehört, einer der zahlreichen durchgeknallten und korrupten Folter-Despoten Afrikas, der sich aber der besonderen Zuneigung des damaligen französischen Präsidenten Valéry Giscard d’Estaing erfreute: Der schützte ihn mit französischen Soldaten und der Fremdenlegion und erhielt dafür Uran für das französische Atom-Programm. Das übliche und bekannte Muster eben.

Der Plot des aktuellen Putsches scheint zunächst einfach zu sein: Eine ehemalige französische Kolonie, ohne deren Willen oder Duldung bis heute nichts passiert, wie BBC 2007 Einheimische zitierte. „CAR is in many ways still a French colony“. Und zu 80 Prozent christlich.

Der jetzt gestürzte Präsident François Bozizé hatte am 15.03.2003, also vor zehn Jahren, den damaligen Präsidenten Ange-Félix Patassé (Premierminister unter Bokassa) aus dem Amt geputscht. Patassé war offenbar eine Allianz mit Libyen eingegangen, sagt Roland Marchal in französischen Medien; das würde erklären, warum die Franzosen den ersten gewählten Präsenten des Landes damals zugunsten Bozizés fallen gelassen haben. Der abgesetzte Präsident ist laut Al Jazeera in den Kongo geflüchtet.

Der Afrika-Experte Marchal meint, Frankreich habe sich aus den aktuellen Kämpfen herausgehalten, weil „there is no structural or significant strategic interest there“. Das glaube ich nicht: „The landlocked Central African Republic, which is bordered by the Sudans, Chad, Cameroon and the Democratic Republic of Congo, is rich in natural resources such as gold, timber, uranium and diamonds.“

Der jetzige starke Mann ist Michel Djotodia, er war schon vorher „Verteidigungsminister“ und Anführer der so genannten Séléka-Rebellion („Allianz“ in der zentralafrikanischen Sprache Sango) vor einem Jahr. Das ist eine Gruppe mehrere tribal orientierter Warlords aus dem Norden der Zentralafrikanischen Republik. Französische Medien berichteten über Djotodia: „He comes from … a region where he is mostly known as an intellectual who speaks several languages. (…) He studied in Russia and has always had huge political ambitions.“

Einige Medien tischen uns die These auf, die „Instablität“ des Armenhauses Afrikas sei „hausgemacht“. Wie überall in Afrika haben auch die Staatsgrenzen der RCA nichts mit realen ökononmischen, sprachlichen oder kulturellen Gegebenheiten zu tun, sondern waren reine Willkür der Kolonialmächte rund um Französisch-Äquatorialafrika. Übrigens war ein westlicher Teil der heutigen Zentralafrikanischen Republik, der so genannte „Entenschnabel„, vorher Deutsch-Kamerun.

Am 11.01.2013 war es zu einem Stillhalteabkommen zwischen Bozizé und den Aufständischen gekommen. Die Neue Zürcher Zeitung schreibt dazu, Bozizés Macht sei damals eingeschränkt worden: „Ihm wurde als Premierminister der 55-jährige Nicolas Tiangaye vor die Nase gesetzt, ein angesehener Verfassungsexperte und ehemaliger Menschenrechtsanwalt.“ Tiangaye wird auch unter den neuen Machthabern im Amt bleiben. [Wenn man sich den Wikipedia-Eintrag über ihn anseht, den die Mainstream-Medien natürlich nicht verlinken, bekommt das „angesehen“ einen merkwürdigen Geschmack: Der Mann weiß vermutlich zu viel, als das man ihn loswerden könnte.]

CAR

Die Nachrichtenagentur AP schreibt: „The rebels say they are seeking the release of political prisoners and the integration of rebel forces into the national army. Seleka also wants South African soldiers who have been on assignment in Central African Republic to leave the country.“ Interessant ist, dass Südafrika (Mandela-Land!) Truppen geschickt hatte, die dem jetzt gestürzten Präsidenten helfen sollten, was offenbar misslungen ist.

Man fragt sich natürlich, warum Frankreich in Mali interveniert hat, nicht aber beim Putsch in Bangui. Die NZZ berichtet, dass die Warlords der „Webellen“ aus dem Tschad unterstützt würden. Man muss wissen, dass es vor allem um Diamantenschmuggel geht. Ein Drittel der Edelsteine verlassen illegal das Land. Die Organisation Kimberley-Prozess, einer internationalen Organisation zur Unterbindung des Handels mit „Konfliktdiamanten“, zu der auch die RCA gehört, sollte das eigentlich verhindern. eine Pressemitteilung von medico international klärt uns auf, dass es sich wohl nur um eine „Selbstverpflichtung“ der Industrie handelt, keine Diamanten zu akzeptieren, mit denen Kriege finanziert werden. Es gibt keine Konsequenzen, wenn sich jemand nicht daran hält. „Holz und Diamanten stellen die wichtigsten Exportgüter dar, die zusammen zwei Drittel des Exports ausmachen.“

Jetzt kommen wir der Sache schon näher. Frankreich greift nur dann militärisch ein, wenn jemand anderes an der Ausbeutung Afrikas beteiligt werden will, etwa einheimische „Rebellen“. Das ist aktuell nicht der Fall. Die neue Machthaber hätten gegen französische Soldaten keine Chance. Die Kolonialmächte können mit Warlords sehr gut leben, auch wenn die die Bevölerung abschlachten und den Staatshaushalt in die eigene Tasche verschwinden lassen. Die Idee einer wahren Unabhängigkeit ist ausgestorben.

Es war auch einmal anders: Ubangi-Schari, wie das Gebiet früher genannt wurde, wurde im „Afrikanischen Jahr“ 1960 „unabhängig“ von Frankreich. Der erste Premierminister Barthélemy Boganda progagierte die „Vereinigte Staaten von Lateinafrika“, ähnlich wie Simon Bolivar in Südamerika.

„Ein wichtiges Anliegen war Boganda, die Einheit der Staaten des bisherigen Französisch-Äquatorialafrika auch für die Zukunft zu sichern, was am Widerstand des relativ wohlhabenden Gabun unter Léon M’ba scheiterte. Als Gegengewicht zu den arabischen und ehemals britischen Gebieten Afrikas schlug Boganda 1957 den Zusammenschluss der ehemaligen französischen, portugiesischen, spanischen und belgischen Kolonien Zentralafrikas zu den Les Etats-Unis de l’Afrique Latine (Französisch) bzw. Estados Unidos da África Latina (Portugiesisch) vor.“

Boganda, schon zum Premierminsiter ernannt, verunglückte 1959 bei einem mysteriösen Flugzeugabsturz – noch vor der Unabhängigkeit. Wen wundert das…

Bildquellen: Wikipedia (unten: „Soldiers of the Forces Françaises Libres near Bangui in the Oubangui-Chari region (nowadays the Central African Republic) in 1940“)

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Kommentare

6 Kommentare zu “Rebellion in Ubangi-Schari”

  1. Ano Nym am März 26th, 2013 11:26 pm

    Ich habe ein Problem mit den Anführungszeichen um das Wort Kaiser. Bokassa wird in WP ohne diese Anführungszeichen geführt und die Liste außereuropäischer Kaiser meldet ebenfalls keine Bedenken an der Kaiserschaft an:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Kaiser#Nichteurop.C3.A4ische_Kaiser

    Auch an Selbstkrönungen hat WP nichts auszusetzen:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Selbstkr%C3%B6nung

    Auch die Anführungszeichen um “Verteidigungsminister” leuchten mir nicht ein. Vielleicht erklärst du, wie die gemeint sind.

  2. admin am März 27th, 2013 2:12 am

    Beide Begriffe stammen aus Europa. Das wäre so, als würde man den dänischen König „Schah“ nennen.

  3. elvis am März 27th, 2013 2:52 pm

    Die neue Machthaber hätten gegen französische Soldaten keine Chance.

    So wie Du mit der Amtsbezeichnung „König“ ein Problem hast habe ich mit „französisch“ ein Problem.

    Frankreich schickt bei den Erdtruppen stets die Fremdenlegion. Da sind nur die Offiziere Franzosen, also Blutsfranzosen und weniger Passfranzosen. Der Rest der Truppe kommt von überall her. Da sind auch Deutsche dabei. Die wollte Bundeskanzler Schröder einst verfolgen lassen, weil die sich an Angriffskriegen beteiligen. Das galt auch für die Söldner mit deutschem Pass die damals für die USA gekämpft haben. Im Gegensatz zu Hartz IV ist daraus aber nix geworden.

  4. elvis am März 27th, 2013 2:53 pm

    P.S.: … die damals für die USA in den Irak Kriegen gekämpft haben. (Sorry!)

  5. andreas am März 27th, 2013 4:42 pm

    Das ist im Übrigen auch so ein Ding im Bezug auf das Leistungsschutzrecht. Die Arbeit die Du dir da gemacht hast wird nicht wirklich honoriert. Ich bin jedoch sicher, dass der ein oder andere die ausführliche Addresssammlung im Text für eigene Zwecke verwendet. Oder führst Du was im Schilde?!

  6. admin am März 27th, 2013 5:15 pm

    Nein, ich wollte mich nur informieren…:)

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