Wikipedia, protestantische Prüderie und Katie Fey

Katie Fey

„Porno-Streit in Wikipedia“ ist natürlich eine hübsche Schlagzeile. Ich muss also als Experte etwas dazu sagen. (Jedenfalls bin ich nicht mehr oder weniger Experte als andere).

„Löschung von Bildern mit sexuellen Darstellungen (…) Gegenstand des Anstoßes waren offenbar historische Erotika-Fotografien sowie Lolicon-Zeichnungen, die Kinder-Charaktere in erotischen Posen zeigen. Die Schlagzeile bei Fox lautete dementsprechend: „Wikipedia Distributing Child Porn, Co-Founder Tells FBI“. Da ist alles drin – so hätte es auch ein deutscher Jugendschutzwart formulieren können. Möglichst diffamieren – etwas bleibt immer hängen, wie auch bei der berüchtigten Falschmeldung vom Politmagazin „Report Mainz“ über Second Life.

Es geht also nicht um Inhalte, sondern um das „Bild“ in den Medien. „In einer Email begründet Wales die Aktion damit, er habe unmittelbaren Image-Schaden vom Projekt abwenden müssen: „Wir waren kurz davor in sämtlichen Medien beschuldigt zu werden, harte Pornografie zu verbreiten und nichts dagegen zu tun.'“

Das klingt nach einer Eierfrage. Es könnte doch jemandem, der weiß, was er tut und lässt und warum, völlig schnutzpiepegal sein, was „die Medien“ fabulieren. Aber so ist es leider nicht, wenn nackte Haut und protestantische Moralthologie und Prüderie ins Spiel kommen. Und diese sind vor allem in den Stammländern der Bigotterie und der verkniffenen Lippen – Deutschland und die USA – der unangesprochene Mainstream.

Aktuelles Beispiel ist das ukrainische Model Evgenia Diordiychuk, auch bekannt als Katie Fey oder als „Jenya D.“ (vgl. Screenshot ganz unten von Met Art). Der Artikel im englischen Wikipedia über sie wurde gelöscht, der spanische nicht. Man kann darauf wetten, dass es nicht um Relevanz geht – die appetitliche Dame, die übrigens keine Pornos dreht, hat zahllose Fans und ist weltweit bekannt.

Katie Fey

Das Pornografie-Verdikt schwebt immer über allen, auch wenn niemand genau weiß, was das ist und ob es irgendjemandem schadet, nackte Menschen zu sehen. Erotik ist ohnehin immer kulturell definiert. In einem Vortrag heisst es:

„Einige Ältere von Ihnen werden sich noch an den Skandal um die nur sekundenwährende Nacktheit der ‚Sünderin‚ Hildegard Knef in einem Film von Willy Forst erinnern. In der Adenauer­Zeit wurde das als öbszön und gefährlich empfunden. Zwanzig Jahre später erschienen dann, von geachteten Pädagogen empfohlen, Sexualaufklärungsbücher mit Fotos nackter Männer, Frauen und Kinder bei allerlei sexuellen Handlungen oder Erkundungsversuchen. Gerade die Fotos von kindlichen ‚Doktorspielen‘ wurden als Ausdruck gesunder Sexualität empfunden, die den Familien bei der Erziehung zu einem nicht­repressiven Leben helfen würden. Heute wiederum werden sie als ‚Kinderpornographie‘ bezeichnet, und selbst ihr einfacher Besitz ist strafbar.“

Der heutige Hype um „Kinderpornografie“ ist also nichts anders als der mediale Ausdruck eines gesellschaftlichen Rückschritts und der politischen Restauration. „Dodgsons [der Autor von ‚Alice im Wunderland‘] Fotos von nackten kleinen Mädchen galten vor hundert Jahren als rein und rührend sentimental, und die ‚erwachsenen‘ Pornofotos wurden mit wütendem Eifer unterdrückt. Heute dagegen gelten umgekehrt diese letzteren als harmlos, während die Kinderfotos als hochbrisant und sittlich verderblich bei vielen Betrachtern Angst und Entrüstung auslösen.“

Schon vor vierzig Jahren plädierten Wissenschaftler für die völlige Freihabe von Pornografie. Dem stand – genau so wie heute – das gesunde Volksempfinden dagegen. Dieses „Volksempfinden“ wird von der so genannten „Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien“ medial orchestriert: Die unsäglich bräsigen und feigne deutschen Medien würde es nie wagen, die Existenz dieser fragwürdigen Institution an sich in Frage zu stellen. Gleichschaltung ganz freiwillig – wir haben schließlich nicht nur den Obrigkeitsstaat, sondern auch den Untertanen perfektioniert. Journalisten sind keine Ausnahme.

„Bereits im Gründungsjahr der Bundesrepublik 1949 regte F. J. Strauß ein ‚Bundesgesetz gegen Schmutz und Schund‘ an, aus dem 1953 das ‚Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften‘ (GjS) hervorging. 1954 wurde dann die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften (BPJS) gegründet.“ [Quelle] „Schmutz“ und „Schund“ – darum geht es also damals wie heute.

Man sollte sich aber keinerlei Illusionen hingeben: Ein rationaler Diskurs über Pornografie ist nicht möglich, weder bei den Grünen oder der Linken noch bei der Piratenpartei. Oder hat schon jemand auf deutschen Polit-Blogs nackte Haut gesehen? Wo kämen wir denn da hin. Die Emma lässt grüßen. Das Thema ist igitt. Was sollen denn die Leute und die Medien von uns denken? Nur darauf kommt es an. Das gesunde Volksempfinden ist immer der Maßstab.

Katie Fey

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Kommentare

One Kommentar zu “Wikipedia, protestantische Prüderie und Katie Fey”

  1. Tweets die Wikipedia, protestantische Prüderie und Katie Fey : Burks' Blog erwähnt -- Topsy.com am Mai 13th, 2010 5:45 pm

    […] Dieser Eintrag wurde auf Twitter von erziehung, Burkhard Schröder erwähnt. Burkhard Schröder sagte: Wikipedia, protestantische Prüderie und Katie Fey http://tinyurl.com/2v7hmmb […]

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