Reality reloaded und Halbhaitianer

ubahn

Natürlich ist es einfach zu bloggen. Man schreibt einfach was hin und schon ist es im berühmt-berüchtigten Internet. Aber was, wenn man gar keine Lust hat? Ich habe mir das Recht genommen eine kleine Pause einzulegen. Keine Sorge alswo: Ich bin nicht in einer Anstalt und meine Telefonrechnung ist auch bezahlt.

Neulich las ich eine Zeitung, Ja, so etwas gibt es noch. Ich wollte nur sehen, ob ich etwas vermisse, wenn ich keine Holzmedien konsumiere. Schaun mer mal den Tagesspiegel vom 19. Januar: Haiti.

Warum ist Haiti eigentlich nicht wie Japan? Warum muss ich überhaupt von so genannten Naturkatastropen etwas erfahren? Vor 500 oder vor 2000 Jahren gab es die auch schon, aber keine Hilfsorganisationen oder gar die US-Marine, die irgendwo aufkreuzt. Ein paar zynische Zwischenfragen allgemeinphilosophischer Natur: In Japan sind die Häuser erdbebengesichert, ein Beben dieser Art würde nicht derartige Schäden kosten oder gar so viele Menschenleben kosten wie in Haiti. Japan ist reicher und kann das bezahlen. Warum ist Japan eigentlcih reicher – ist doch auch nur eine Insel?

„Haiti, die erste unabhängige Republik von Schwarzen und Mulatten, engagierte sich für die Abschaffung der Sklaverei und unterstützte auch Venezuela, Peru und Kolumbien bei ihrem Unabhängigkeitskampf unter Revolutionsführern wie Bolívar und Miranda.“ Ich habe ein sehr schönes Buch hier von Hans Christop Buch: „Die Scheidung von San Domingo – Wie die Negersklaven von Haiti Robesspiere beim Wort nahmen“ (erschienen 1976 bei Wagenbuch). Haiti hat eine einzigartige revolutionäre und freiheitliche Tradition. Was ist also schief gegangen?

Bei Wikipedia kann man die Details nachlesen, die aber nichts erklären: „ein Panorama an Korruption, mangelnde Strafverfolgung, Wahlbetrug, kriminellen Banden, Drogenhandel und die Bereitschaft, Konflikte gewaltsam auszutragen.“ Die Verehrung höhere Wesen hilft offenbar nichts: „Laut einer Zählung der Vereinten Nationen gehören 54,7 % der Einwohner Haitis der römisch-katholischen Staatskirche an, 15,4 % sind Baptisten, 7,9 % Pfingstler, 3,0 % Adventisten, 1,5 % Methodisten, 0,7 % Anglikaner, 0,18 % Zeugen Jehovas[11] und 0,07 % Mormonen. Eine kleine Gemeinde bilden die rund 3.000 Mitglieder der Neuapostolischen Kirche.“

Ich spende sowieso nicht. Wenn ich ein blöde grinsenden Gesicht eines B- und C-Promis sehe, der jetzt für Haiti gespendet hat, kotzt mich das an. Wer hilft, sollte das Maul halten. Tu Gutes, aber rede nicht drüber. Alles andere ist reine Heuchelei. Die Nachrichten von der Katastrophe hätten höchstens einen voyeuristischen Unterhaltungswert für mich. Was ist also Japan anders? Darüber muss ich mal nachdenken.

Kackbraune Kameraden: Nur noch gute Nachrichten. Die NPD ist gespalten, aber das war sie schon immer. Sie wollen gegen den Islam hetzen. Dann sollten sie mal bei Mohammed Amin al-Husseini anfangen, dem selbst ernannten „Großmufti von Jerusalem und Busenfreund Hitlers.

Bezirke gemeinsam gegen Nazis.“ Riecht schon von weitem nach einer Lichterkette. „Kern der deutschlandweit einmaligen Absprache ist es, dass alle Bezirke einen neuen Mietvertrag bei der Vergabe von öffentlichen Räumen nutzen. Darin werden rassistische, antisemitische und antidemokratische Äußerungen explizit untersagt.“ Also Zensur. „So wollen die Bezirke laut der Vereinbarung auch private Vermieter bitten, einen Zusatz in ihre Verträge aufzunehmen, der die Nutzung der Räume durch Rechtsextreme oder den Verkauf von Szeneartikeln ausschließt.“ Aha. Wenn ich also in Zukunft einen Mietvertrag unterschreibe, muss ich einen Gesinnungs-TÜV durchlaufen, beim örtlichen Jugendschutz- oder Blockwart? Oder holt der Vermieter eine Gutachten beim Verfassungschutz ein? Warum schreit niemand laut auf, wenn er diesen groben Unfug hört? Weil Zensur gegen die Bösen zur deutschen Leitkultur gehört. Wer die Bösen bestimmt („extrem“) steht im Kleingedruckten.

Dann habe ich gaaaanz viele Artikel nur flüchtig überlesen (ich saß in der U-Bahn und es war keine schöne Frau da, die ich hätte anstarren können). „Zug überfüllt. Leute mussten aussteigen.“ Ja, wir sind in der Hauptstadt Deutschlands, aber die Bahn, inklusive S-Bahn, bemüht sich redlich, das Niveau Haitis anzustreben.

Ein kluger Mensch und Unternehmer gibt ein kluges Interview. Ich las es. Er hat die Grünen mit gegründet, sich aber jetzt zurückgezogen. Ich sagte es: ein kluger Mensch.

Letzte Seite. „Voodoo-Priester in Haiti haben gegen die Beisetzung der Opfer in Massengräbern protestiert. „Es entspricht nicht unserer Kultur, Menschen auf diese Art zu begraben“, sagte der führende Priester Max Beauvoir. Nun, die Katholen finden Massengräber auch nicht so toll. Was soll der Quatsch? Und wann ist ein „Priester“, gar ein „Voodoo-Priester“ – „führend“?

Schöne Bildunterschrift zu einem Artikel der Printausgabe: „Johnny Bernard aus Berlin ist halb Haitianer.“ Und die andere Hälfte? Halb Deutscher? Oder nur ein halber Neger, also ein Halbblut im Sinne Karl Mays?

Also nein. Zu welchem Niveau wollen die mich eigentlich verdammen? Ich lese doch lieber das Internet.

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Kommentare

One Kommentar zu “Reality reloaded und Halbhaitianer”

  1. MH am Januar 24th, 2010 10:11 pm

    Zu Haiti & Japan:
    Na für dich als linker ist das doch klar: Das kolonialerbe. Die Franzosen sind schuld.
    Aber das mit dem „halb Haitianer, halb „???“ versteh ich nicht. Wie soll man es denn sonst ausdrücken? Mein „Gott“ immer diese political correctness.
    Und den Aufruhr wg den Promis versteh ich so auch nicht ganz: Sicher ist das teilweise eigen PR, aber es soll doch die Leute anregen mitzuspenden. Siehe Clooney und co, immerhin über 60 Mio $.

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