Textbausteine gegen rechts, reloaded

Mein gestriger Kommentar in der taz ist von der zuständigen Redakteurin stark verändert worden. Ich habe die Fassung, die im Blatt steht, zwar abgesegnet, war aber unzufrieden, weil ich den Originaltext für besser und pointierter formuliert hielt. Aber allzu scharf darf man auch in der taz nicht schreiben. Hier ist das Original:

Das Attentat auf den Alois Mannichl ist ein Lehrstück, eine Parabel auf den schon längst gescheiterten regierungsamtlichen Antifaschismus. Das bedauernswerte Opfer, der Passauer Polizeidirektor, spielt darin nur eine eine unfreiwillige Nebenrolle. In Wahrheit geht es nicht um die Fragen: Was sind die Ursachen brauner Ideologie? Wie gefährlich ist der rechte Sumpf? Was tun gegen Rechts? Nein- sowohl Fragen und Antworten sind seit mindestens zwei Jahrzehnten bekannt und wiederholen sich textgleich in konjunkturellen Schüben.

Wird alles immer schlimmer? Günther Beckstein warnte schon vor fünf Jahren vor dem Heranwachsen einer „Braunen-Armee-Fraktion“. Die Nachrichtenagentur dpa zitierte im Oktober 1995 einen Fahner des BKA, die rechte Szene werde „jetzt offenbar erstmals aktiv dazu aufgefordert“, Gewalttaten auch gegen führende Repräsentanten des Staates zu begehen“. Schon seit 20 Jahren wurde Rechtsterrorismus immer wieder mediengerecht herbeigeschrieben. Seitdem hat man nichts mehr viel zum Thema gehört, außer dass die Mehrheit der Bombenbauer von rechts gleichzeitig V-Leute des Verfassungsschutzes waren.

Die sattsam bekannten Politiker-Parolen dokumentierten nur die lärmende Sprachlosigkeit, die eine ernsthafte Kontroverse über Ursachen übertünscht und lähmt. Der so genannte „Kampf gegen Rechts“, das zeigt sich jetzt wieder, basiert nicht auf einem zu nehmenden Streit um relevante Fragen, wie die deutsche Gesellschaft und Nation verfasst sei, sondern ist eine heuchlerische Scharade, ein moraltheologischer Diskurs. Niemand hat die Absicht, über die Ursachen von Rassismus und Antisemitismus zu diskutieren.

Es tut niemandem mehr weh, die Ursachen rechter Gewalt in der „Mitte der Gesellschaft“ zu verorten, dort, wo sich fast alle politischern Parteien zu Hause fühlen. Sogar in Volkshochschulen kann man hören, dass Neonazis nicht die Ursache, sondern ein Symptom für das seien, was sich jenseites des „extremistischen „polischen Randes abspiele. Wenn man aber jemanden scharf und genauer ansieht in diese „Mitte“, will es niemand gewesen sein. Wer die deutschen Gesetze gegen Einwanderung und Abschiebekmäste, auch bekannt als Guantanamo light, in einem Atemzug mit rassistischen Vorurteilen der Bevölkerung nennt oder wer die Idee auch der CDU, Deutschland besitze ein kulturell definierbares Volk, als braunes Gefasel abtut, das die Basis rechtsextremer Gesinnung sei, gilt immer noch als Querulant und steht unter dem Generalverdacht des Linksextremismus.

Die Lobby-Gruppen unterschiedlicher politischer Milieus instrumentalisieren sowohl Täter als auch Opfer rechtsextremer Gewalt. Vor acht Jahren quälten Rechtsextremisten im brandenburgischen Potzlow einen 16-Jährigen bestialisch zu Tode. Rassistisch motivierte Angriffe gegen Immigranten, sozial Schwache oder linke Jugendliche oder gar Morde sind keine Einzelfälle. Die Bundesregierung spricht von 40 Toten, Opferverbände geben hundert Tote mehr an, die seit der Wiedervereinigung auif das Konto der Ultrarechten gingen. Es besteht also weder ein gesellschaflicher Konsens darüber, was „rechts“ ist noch auch nur ansatzweise ein ernst zu nehmendes Konzept, wie diese Ideologie aus den Köpfen wieder hinauszubekommen sei. Die Fronten sind bekannt: Sie einen rufen nach dem Obrigkeitsstaat, andere nach mehr Geld für Projekte, die das Logo „gegen Rechts“ auf ihre Fahnen gestickt haben. Beides macht offenbar keinen Sinn, sonst stünden wir nicht nach acht Jahren genau dort, wo damals der viel besungene „Kampf gegen Rechts“ seinen Ausgang nahm.

Wer ist potenzielles Opfer rechter Gewalt? Jeder. Alois Mannichl ist kein „Linker“, auch wenn diejenigen, für die schon ein sozialdemokratischer Kanalarbeiter „links“ ist, ihn für einen solchen halten, nur weil der Polizeichef öffentlich bekundet hat, es gebe Neonazis sogar im bundesrepublikanischen Muster-Freistaat Bayern. Mannichl ist auch nicht besonders mutig. Er hat nur eine politische Meinung, schweigt nicht, sondern äußerrt die freimütig. Das macht ihn zu einem ungewöhnlichen Beamten, weil der Deutsche an sich nicht so verwegen ist, sondern aus Angst immer das Maul hält und die Ruhe seine erste Bürgerpflicht ist.

Das Opfer des Angriffs ist ein parteipolitisch unabhängiger Rechter. Seine ordnungspolitischen Ideen entsprechen dem Motto Law und Order: Hart durchgreifen, der Staat muss Flagge zeigen, wehrhafte Demokratie. Wer meint, ekelhafte politische Ideen wie die der kackbraunen Kameraden dadurch effektiv bekämpfen zu können, indem man deren Symbole beschlagnahmt oder sogar aus Gräbern ausbuddeln lässt, hat nichts begriffen, ist sich aber des kostenlosen Beifalls der schlicht strukturierten öffentlichen Meinung gewiss. Der Passauer Polizist wird nicht schon dadurch zum politischen Vorbild, weil er Opfer neonazistischer Gewalt geworden ist. Seine Art und Weise, gegen Nazis zu sein, entspricht nur der deutschen Leitkultur: Der Deutsche „meldet“ gern das Böse bei der Obrigkeit, die dann Maßnahmen „durchführt“ und am liebsten „verbietet“ – nach dem Wahlspruch: aus den Augen, aus dem Sinn.

Aktionen „gegen Rechts“ sind nicht auch schon deshalb schön, gut und wahr oder gar effektiv, wenn die Neonazis sich über diese ärgern. Ganz im Gegenteil. Eine poltiisch motivierte Gewalttat setzt aber leider immer wieder einen öffentlichen Diskurs in Gang, der keine Parteien mehr kennt, sondern nur noch beduselte Deutsche. Es brauchen nur bestimmte Textfragmente auftauchen, reizauslösende Mechanismus für den öffentlcihen Diskurs, und schon heißt es: Kopf ab zum Gebet und zum Kampf gegen Rechts und hoch die Lichterkette

In der wohlfeilen kollektiven Empörung sind sich alle gleich: Die Räuber-und-Gendarm-Antifa, die schon immer gewusst hat, das „der Staat“ wegschaut, über die Freunde der immer noch quasi-offiziellen Staatslehre, der Totalitarismus-Doktrin „Rot gleich „Braun“ („gegen Extremismus“) bis hin zu SchilySchäuble-kompatibeln Hardlinern (hart, härter, am härtesten) oder gar fragwürdigen „Demokraten“ wie Konrad Freiberg, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, der einsperren und „Isolieren“ für rechte Gewalttäter fordert.

Was wird folgen, welche Konsequenzen kann man aus dem Attentat von Passau ziehen? Nicht und keine. Nach dem aktuellen Stand der Ermittlungen lag das Tatwerkzeug auf dem Fensterbrett, angeblich noch vom Lebkuchenschneiden. Ein Vorsatz wird dem Täter, falls das stimmt, nur sehr schwer nachzuweisen sein. Niemand hätte etwas verhindern können. Das rechtsextreme Milieu zieht nicht zufällig auch Leute in seinen Bann, die ihre ganz private Apokalypse ausleben, diese a posteriori politisch legitimieren und Menschen angreifen und sogar ermorden, auch wenn sie vorher wissen, dass sie dafür für Jahre hinter Gittern verschwinden.

Die aktuelle und immer leicht hysterische Attitude, es gebe immer mehr Neonazis in Detuschland und diese agierten immer dreister, ist im Sinne des Wortes maßlos. Vergleiche sind immer falsch und beleidigen die Opfer. Ist der Messerangriff auf einen bayerischen Polizisten schlimmer als die Mordanschläge von Mölln oder das Pogrom von Hoyerswerda? Ist die jüngste Gewalttat einen „neue Qualität“ gegenüber dem Polizistenmord des Neonazis Kai Diesner vor elf Jahren? Wer ausgerechnet jetzt so tut, als kulminiere rechte Gewalt, besitzt keine Scham und kein Gedächnis und argumentiert auf niedrigstem moralischen Niveau.

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Kommentare

5 Kommentare zu “Textbausteine gegen rechts, reloaded”

  1. chewbacca am Dezember 25th, 2008 4:01 pm

    „ekelhafte politische ideen von kackbraunen kameraden“

    – der begriff kackbraune kameraden ist ja wohl auch ein sprachliches symbol (der antifa) niedrigster kategorie.

    dieser artikel ekelt mich an, denn die eigentlich richtige analyse und kritik an den mainstream medien verpackst du in (für die taz-leser) gefällige textbausteine, dumme phrasen und falsche schlußfolgerungen.

    einerseits spielst du dich ständig als verfechter der freien rede auf, lässt aber zu das deine eigenen texte von der linken systempresse zensiert werden und musst dieses auch noch zugeben um in einer schizophrenen form von eitelkeit oder reststolz den originaltext hier reinzustellen zu können

    – tja, wes brot ich es …

    wieso schreibst du nicht mal was für altermedia?

  2. chewbacca am Dezember 25th, 2008 4:02 pm

    ein frohes fest wünsche ich dir natürlich auch.

  3. Fünfjahresplan im Kampf gegen Rechts vorfristig übererfüllt! : Burks’ Blog am Dezember 27th, 2008 10:07 pm

    […] Gute, Schöne und Wahre rein gar nichts bringen. Man kann es eigentlich auch lassen. Kaum hatte ich in der taz über die sattsam bekannten Textbausteine gelästert, geht es schon wieder los. […]

  4. chewbacca am Dezember 28th, 2008 3:02 pm

    was das Gute, Schöne und Wahre sei, ist eben auch eine frage der definition.

    – und genau hier liegt auch euer problem: diese frage wird gar nicht mehr gestellt in dieser degenerierten gesellschaft.

  5. Kackbraune und andere Kameraden : Burks’ Blog am Januar 3rd, 2009 1:03 pm

    […] nun zurück zu uns, CSU. Ich hatte hier schon geschrieben: “Sogar in Volkshochschulen kann man hören, dass Neonazis nicht die […]

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