Virtuelle Affäre

Second Life

Die wohlwollenden Leserinnen und geneigten Leser dieses onlindedurchsuchungsfeindlichen und Second-Life-freundlichen Blogs werden sich gelangweilt haben angesichts der Sau, die durchs mediale Dorf getrieben wird. FAZ.net: „Ein Paar aus Cornwall nämlich hat sich scheiden lassen, weil der Gatte fremdging – nicht realiter, sondern in Person seines Avatars, der angeblich einer Second-Life-Sexbombe verfallen war.“ Gulli: „Ein Ehepaar aus der britischen Grafschaft Cornwall hat sich scheiden lassen, weil der Ehemann Dave Pollard mit seinem Avatar im Online-Spiel Second Life einen Seitensprung hatte. Die Ehefrau Amy Taylor ertappte ihren Mann in einer äußerst folgenschweren Situation: Dave Pollard vergnügte sich mit einer Online-Prostituierten in der Welt von Second Life.“ Heise: „Im Februar 2007 habe die Ehefrau ihren Gatten dann aber das erste Mal mit dem Avatar einer Online-Prostituierten erwischt, heißt es, und daraufhin einen virtuellen Privatdetektiv engagiert. Damals sei es noch zu einer Versöhnung gekommen. Seit April dieses Jahres soll ihr Mann zudem eine weitere Damen-Bekanntschaft haben, mit der sie ihn auf dem virtuellen Sofa plauschend ertappt hatte.“

Man merkt schon, dass sich die Medien noch nicht einmal auf den Sachverhalt einigen können. Ich habe mir deshalb die britischen Quellen angeschaut, weil die deutschen bekantlich aus Angst des Redakteurs vor dem Link ihre Quellen nicht verlinken: The Times titelt lustig: „Oh Dave, sex with you in cyberland is unreal“ und schreibt: „I know it’s easy to make jokes about people who live out their fantasies online via geeky computer games that function as alternative worlds. David Pollard and Amy Taylor are, or rather were, one such couple. They are getting divorced because Taylor, 28, caught Pollard, 40, having an online “relationship” with a cartoon person, or avatar, and found the pain of cyber-infidelity too hard to bear.“ Und so weiter.

Der Plot ist nicht neu. Im August 2007 hat ihn das Wall Street Journal schon einmal abgefeiert: „Is This Man Cheating on His Wife?“ Die Story ist hübsch erklärt und bebildert und fast identisch. Ich hatte sie in meinem Telepolis-Artikel „Einsame Herzen 2.0“ verlinkt..

Second Life

Wie an den Screenshots unzweifelhaft zu erkennen ist, gvibt es in Second Life einen Markt für Privatdetektive, die „Scheidungssachen“ bearbeiten. Mein Avatar hat auch eine dieser wenigen Detekteien. Ungefähr ein oder zwei Mal im Monat bekomme ich einen Auftrag, einen männlichen Avatar zum Cybersex zu verführen und einen Beweis-Screenshot der Auftraggeberin vorzulegen. Da ich genug Kontakte zu bildschönen Cyberhuren habe, die das als Lockspitzel für meine virtuelle Agentur gern erledigen, verdiene ich im Durchschnitt zwei bis vier reale Euro pro Auftrag. Ich kann mich jedes Mal kaputtlachen und hätte auch einschlägige Screenshots beizutragen, wenn mein Rechner mit dem Archiv nicht zur Zeit beim Landeskriminalamt stünde.

Man fragt sich natürlich, warum die Geschichte ausgerechnet jetzt wieder auftaucht. Vermutlich ist das einfach Zufall. Man wird zum Zyniker, wenn man sieht, warum welche Meldungen durch die Mainstream-Medien gejagt werden. Von Aufklärung oder Hintergrund-Recherche keine Spur. Ohnehin wurde alles von den englischen Zeitungen abgeschrieben und nichts selbst recherchiert. Der einzige Lichtblick ist ein nachdenklicher Kommentar auf Welt Online: „Bald machen dreidimensionale Projektionen von Menschen die Anwesenheit in ‚Fleisch und Blut‘ entbehrlich: beim Flirten, Debattieren, Therapieren. Die Existenz im Netz bekommt etwas Fluides: Sehnsüchte können unmittelbar und zunehmend gefühlsecht gelebt werden. Dennoch: Wer seine Träume uneingeschränkt nachgeht, muss Treue bald altmodisch finden. Ähnlich wie bei der Flucht in Drogen, erscheinen die Verlockungen unmittelbaren Glücks gefährlich für Menschen, die im Hier und Jetzt ihre Träume stets unerfüllt sehen.“ Naja, Deutscher Kulturpessimismus, und der Vergleich mit „Drogen“ hinkt nicht nur, sondern hat gar keine Beine. Aber man ist ja schon froh, wenn ein deutscher Autor zum Thema Second Life überhaupt nachgedacht zu haben scheint.

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Kommentare

2 Kommentare zu “Virtuelle Affäre”

  1. verflixt am November 18th, 2008 1:20 am

    Hallo, welche Installationsmethode hast Du denn unter Ubuntu 8.10 für SL gewählt? Die cafuego deb Quellen gibts wohl noch nicht für 8.10, oder nutzt Du das Installer Paket von der SL-Webseite?

  2. admin am November 18th, 2008 11:25 am

    Ein guter Freund hat mir die CD vorbeigebracht. :-)

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