Oskar, der mitteilte, sich einzubringen gedachte, weil er, obzwar

Soeben trudelte eine digitale „Sofortinformation“ („nach der Sitzung des Landesvorstands vom 17.11.2009“) bei mir ein – ein Newsletter der Partei „Die Linke„. Die gute Nachricht: Sie ist im Textformat, also lesbar. Die schlechte Nachricht: Die schreiben wie Anno Dazumal und in grottenschlechtem Deutsch. Also formulieren wir das um.

Gen. Klaus Lederer informierte die Mitglieder des Landesvorstandes in seinen einleitenden Bemerkungen über die Presseinformation des Genossen Oskar Lafontaine, der heute mitteilte, sich aufgrund einer Krebserkrankung am Donnerstag einer Operation zu unterziehen und nach Rekonvaleszenz Anfang kommenden Jahres erklären wird, wie er sich weiter in die politische Arbeit einzubringen gedenkt.

Haaaaaaalt! Hatten wir hier schon mal: Neun Wörter sind Obergrenze in einem Satz, den man noch gut verstehen kann, 16 Wörter ist der Durchschnitt in deutschen Zeitungen, mehr als 20 Wörter erlaubt dpa zum Beispiel nicht. Hier sind es 49 (in Worten: neunundvierzig).

Wer hat das verzapft? Carsten Schatz, der Landesgeschäftsführer. Hat der Deutsch gelernt? Nein: „An der FernUni Hagen studiert er, neben seiner Tätigkeit als Landesgeschäftsführer, Geschichte, Philosophie und Politikwissenschaften.“

Jetzt ganz langsam zum Mitschreiben: Klaus Lederer (er ist – Überraschung! – ein „Gen.“!) informierte die Mitglieder des Landesvorstands über etwas – die „Presseinformation des Genossen Oskar Lafontaine“. Wie darf ich das verstehen? Wussten die davon noch nicht? Geschenkt.

„In seinen einleitenden Bemerkungen“ ist überflüssiges Gefasel. Natürlich beginnt er mit dem Anfang. Die Sache ist außerdem zu wichtig: Das missverständliche Verb „bemerken“ passt hier nicht. Er bemerkte so ganz nebenbei, dass der Vorsitzende an Krebs erkrankt sei. Das hatten die anderen noch nicht bemerkt, sie bemerkten aber die Bemerkung und erwogen sie in ihrem Herzen.

Klaus Lederer, der Berliner Landesvorsitzende der Partei, informierte den Vorstand über die Pressemitteilung Oslar Lafontaines.

Jetzt darf das Subjekt des Satzes nicht wechseln, sonst verwirrt das den eiligen Leser! Der Hauptsatz: „A informiert B“ ist viel kürzer als der mehrfach verschachtelte Nebensatz. Das ist schlechter Stil und macht Mühe. Lafontaine tat mehrere Dinge: Er teilte mit, an Krebs erkrankt zu sein. Er müsse sich operieren lassen (warum das Bläh- und Furzdeutsch: „sich unterziehen“? „Ich unterzog mein Kraftfahrzeug einer Reparatur.“)

Nach seiner Genesung (versteht das Prolet- und Prekariat „Rekonvaleszenz„?) … was passiert da? „…nach Rekonvaleszenz Anfang kommenden Jahres erklären“ – ich verstehen nix dieses Grammatik. Findet die Genesung Anfang 2010 statt oder erklärt Oskar Anfang des Jahres etwas oder beides?

„Einzubringen gedenkt“ ist selbstredend wunderbares altertümelndes Deutsch. Man gedenke auch des Genitivs, den das Verb „gedenken“ fordert. Ich bringe es nicht über’s Herz, das zu kritisieren. Wir gedenken des siechen Parteivorsitzenden, der gerade am Tropf hängt. Gottseibeiuns und Amen.

Der Parteivorsitzende (jeder weiß, dass Lafontaine Parteivorsitzender ist und „Lafontaine“ muss dann nicht wiederholt werden) hatte mitgeteilt (ja, Plusquamperfekt, denn Lederer spricht schon im Imperfekt und das, was Lafontaine mitteilte, geschah noch früher), dass er an Krebs erkrankt sei und sich operieren lassen müsse. Anfang des neuen Jahres werde er wieder gesund sein und mitteilen, wie er dann politisch zu arbeiten gedenke. (statt „in die Arbeit einzubringen“. „Der Proletarier brachte sich in die Fließbandarbeit ein.“)

Jetzt wieder das Schatzsche Original: „Lafontaine tat das, nachdem eine beispiellose Medienkampagne geführt wurde, die allerlei Spekulationen über seine Entscheidung anstellte, nicht mehr als Fraktionsvorsitzender der Linksfraktion im Bundestag zu kandidieren.

Nein, er hatte das getan (Plusquamperfekt!), nicht „er tat das“. Was eigentlich? Erkrankte er an Krebs nach der Medienkampagne oder teilte er etwas mit? Gut – das Erkranken ist nicht wirklich ein Tun, daher sollte ich nicht in den Erbsenzählmodus umschalten.

„Beispiellose Medienkampagne“ ist erstens falsch und zweitens eine abgedroschene Metapher und vergleichbar mit „schweren Verwüstungen“. Es gab schlimmere Kampagnen, und zudem sollte die Linke beweisen, dass es sich bei den Interna um eine „Kampagne“ handelt. So doof sind wir Journalisten nicht, dass wir den suggestiven Fußtritt in einem Newsletter nicht bemerkten.

Außerdem ist der Satz logisch unglücklich verschachtet: Erst kommt der Hauptsatz („er tat es“), dann ein Temporalsatz („nachdem“), innerhalb des Temporalsatzes ein Relativsatz („die allerlei“). Warum einfach, wenn es auch umständlich geht.

Also: Einige Medien hatten darüber spekuliert, warum Lafontaine nicht mehr als Fraktionsvorsitzender der Linksfraktion im Bundestag kandidieren wollte. Deshalb informierte Lafontaine jetzt über seine Gründe. (Ja, jetzt wieder Imperfekt, obwohl es logisch immer noch Plusquamperfekt ist. Man muss hier einen Kompromiss schließen, auch wegen des besseren Klangs.)

Der Landesvorstand wünscht dem Gen. Lafontaine und seiner Familie viel Kraft und alles Gute für die kommenden Wochen.

Die Worte sie sollen lassen stahn und kein Danck dazu haben.

Klaus Lederer, der Berliner Landesvorsitzende der Partei, informierte den Vorstand über die Pressemitteilung Oskar Lafontaines. Der Parteivorsitzende hatte mitgeteilt, dass er an Krebs erkrankt sei und sich operieren lassen müsse. Anfang des neuen Jahres werde er wieder gesund sein und mitteilen, wie er dann politisch zu arbeiten gedenke. Einige Medien hatten darüber spekuliert, warum Lafontaine nicht mehr als Fraktionsvorsitzender der Linksfraktion im Bundestag kandidieren wollte. Deshalb informierte der Parteivorsitzende jetzt über seine Gründe. Der Landesvorstand wünscht Oskar Lafontaine und seiner Familie viel Kraft und alles Gute für die kommenden Wochen.

94 Wörter und drei Sätze im Original, 90 Wörter, aber sechs Sätze in meiner Version.

image_pdfimage_print

Kommentare

3 Kommentare zu “Oskar, der mitteilte, sich einzubringen gedachte, weil er, obzwar”

  1. Textguerilla! » Blog-Archiv » “Oskar, der mitteilte, sich einzubringen gedachte, weil er, obzwar” am November 19th, 2009 10:10 am

    […] Burks Blog analysiert aufs Launigste einen irgendwie ziemlich misslungenen Newsletter aus der Feder von Carsten Schatz, Landesgeschäftsführer der Linkspartei. Der Autor Burkhard Schröder hat dabei meinen Fäkal-Wortschatz gewinnbringend erweitert: “Bläh- und Furzdeutsch” war mir bislang noch nicht bekannt. Werde ich aber irgendwann mal einzusetzen wissen! […]

  2. baerchenbrueck am November 21st, 2009 1:55 am

    Wieso können Textguerilla und manch andere nicht von populistischer Polemik lassen ? Fehlen denen Argumente oder (besser!) richtige Erklärungen ?

  3. Mitglieder des Landesvorstandes in seinen einleitenden Bemerkungen über die Presseinformation des Genossen Oskar Lafontaine, der heute mitteilte, « Wir müssen nicht gut finden, was ein anderer sagt, schreibt, denkt, aber um unserer eigenen Freihei am November 21st, 2009 9:30 am

    […] 21. November 2009 · Kommentar schreiben Wieso man im Jahr 2009 noch so ein Funktionärsdeutsch schreiben muss, wird Geheimnis der Linken bleiben. Hier wird die Pressemitteilung seziert. […]

Schreibe einen Kommentar