Verstand zuschalten! Oder: Bösartigkeit muss organisiert werden

sceptic cat

„De omnibus dubitandum“. (Karl Marx)

Nimm dies, [wer sitzt eigentlich der „Linken“ vor?] „Eine Linke, die sich über Zoff nicht freut, sondern ihm ausweicht, ist reif fürs Pflegeheim.“ (Wolfgang Pohrt, zitiert nach Klaus Bittermann: Der Intellektuelle als Unruhestifter: Wolfgang Pohrt)

Ich bin von Pohrts Biografie restlos begeistert, fühle mich aber außerstande, sie zu rezensieren, weil man dazu so viel zitieren müsste, dass es den Gebräuchen krass widerspräche. „Sich zuverlässig in die linken Nesseln setzen“, wie eine Zeitung aus dem Gendersterchen-Milieu schrieb, ist eine höchst erquickliche und notwendige Attitude – ein großer Querulant eben.

Diese Deutschnationalen und Antiimpis sind doch einfach nur verwahrlost. Wo die sind, bin ich nicht.

Pohrt hätte sich sicher auch gegen das Verdikt undogmatischer Linker gewehrt. Ich stimme mit ihm nicht immer überein, aber er ist eben nicht so langweilig wie fast alle, die sich für „links“ halten. Um so alt zu werden, wie heute die 20jährigen sind, hätte ein Mensch früher dreihundert Jahre gebraucht.

In Bittermanns Buch passieren alle Irrungen und Wirrungen der deutschen Linken seit den 68-ern Revue. Vieles kannte ich, aber ich war zu unwissend und zu jung, um damals zu begreifen, um was es ging. Pohrt ist eine halbe Generation älter als ich; das machte in den 70-ern viel aus.

Ein Lesebefehl gilt für die Passagen, die sich mit dem Antisemitismus in der deutschen Linken beschäftigen – und dessen Ursachen. Leider ist es heute noch schlimmer, weil es einen intellektuellen Echoraum gar nicht mehr gibt – die „Diskutanten“ der Jetztzeit sind meistens brunzdumm, tragen Wursthaare, essen vegan, brüllen irgendwas von „Palestine“ und hielten Jesus vermutlich für einen Araber. Mit so einer dämlichen Mischpoke argumentiert man nicht. Wie Pohrt richtig vermutete: Die Zivilgesellschaft, aus der angeblich die Boykott-Bewegung gegen Israel entstand (was eine Lüge ist und Pallywood) ist ein Synonym für brothers in crime. Ich sage nur: Einfach mal den Merkava an der richtigen Stelle parken.

Wenn ich weiß, dass die Natur mir eine übergroße Neigung zu Jähzorn oder Trübsinn ins Erbgut packte, kann ich Präventivmaßnahmen ergreifen, zum Beispiel keine geladene Pistole herumliegen lassen. Oder ich kann meinen Verstand zuschalten, wenn es mich wieder überkommt. Ich sollte meine Marotten, egal ob angeboren oder erworben, als solche erkennen, um die Welt und mich selbst vor ihnen schützen zu können. Zu diesen Marotten gehört wohl auch der Drang, ein Paradies auf Erden zu errichten.

Ich weiß nicht, ob das Werk den Nachgeborenen nützlich sein könnte. Wie es es denn mit Kapitalismus forever? Hat das jemand gelesen, und lohnt es sich?

Mai 10, 2022 | abgelegt unter Feuilleton, Politics

Kommentare

12 Kommentare zu “Verstand zuschalten! Oder: Bösartigkeit muss organisiert werden”

Martin am Mai 10th, 2022 4:11 pm

Danke noch für den Lesebefehl, ich habe die erst durch deinen Hinweis mir besorgt und lese da gerade auch … danke für den Tipp

Viele Grüße,
Martin
Die Anmerkung am Mai 10th, 2022 4:30 pm

Aus der Rezension

In der Biographie wird daran erinnert, dass die Linke in Deutschland zwar versagt hat,…

Ach?! Hat sie das? Oder hat sie jene politische Rolle ausgefüllt, die ihr ob ihres ökonomischen Urspungs entsprach?

Man muß sich ja nur mal die Gästliste von „Mißverstehen sie mich richtig“ durchblättern und alle Lidl-Kassierer oder Elektriker rausfischen. Weißte Bescheid.
nh am Mai 10th, 2022 5:36 pm

Eigentlich ist es egal welcher politischen Coleur so mancher hinterher läuft :
Des Autors gutgemeinte Verbalinjurien kommen bei dem heutigen Klebeplebs
einfach nicht an.
Die Totalverblödung wird gewissenhaft vorangetrieben eingehend mit dem
Duktus, dass jenen in jedweder Hinsicht unterbemittelten „Sozialteilnehmern“
irgendetwas leistungslos zustünde.
Selbst bei HIV heisst es aber „Hosen runter“,D auch eine Leistung.
Anstatt sich um ein Auskommen zu sorgen, wird fabuliert wo abgegriffen werden kann.
Abi auf Hauptschulniveau Studium irgenwas mit Gender an der FU Berlin und in der Rigaer
ins Bettlaken kacken. Das ist die Zukunft.
Hat aber mit Herrn Marx absolut nichts zu tun, obwohl er selbst ein Nehmer war.
Seine Thesen werden vielmehr verdreht um sich ein auskömmliches Süppchen zu kochen
-siehe Bundestag und deren Follower-.
Ich vermute wer hinter dem Neudenk steckt halte aber lieber meine Klappe nur
dass diese Entwicklung schon vor 30-40 Jahren begann.
So gebiert es ÖRR-Grössen wie Restle und Cons., voll verpeilt und gemeingefährlich
ob ihrer medialen Präsenz. Denk ich an meine noch lebenden Altvorderen und das Land in
der Nacht, wird mir schlecht.
Was sich in alle entscheidenden Ebenen eingeschlichen hat ist nicht links im herkömmlichen Sinne,
es ist eine Übernahme durch Infiltration.
Der Mechaniker spricht von „innen aufbohren“.
Viel Spass wer solch ein Gerezze wählt und Wahlfälschungen wie in Berlin noch goutiert,
ich bin bald weg und das ist GUT SO.
Das Gejaule der Dummjugend hör ich mir von unten an. Wenigstens haben sie das neueste Handy
und Markenklamotten und sonst eben NICHTS.
Farewell.
BtW:
Warum sprechen Marx und Engels immer von der arbeitenden Klasse ?
Wo haben sich diese Parvenues eigentlich selbst verortet ?
Höhere Wesen mit geistigem Überbau ? Hahaha
Soviel kann ich gar nicht saufen, wie die weggebechert haben.
Die beiden waren damals was heute die BILD-Zeitung ist.
Immer nah am VOLK und ablutschen was geht. Genial.
Und alle laufen dem Heiland hinterher – Monty Python-mässig.
Herbert Eisenbeiß am Mai 10th, 2022 5:52 pm

Ach ja, die Linke, welch lustiges Unterfangen. Die ach so linke TAZ druckt nun eine Reihe aus der russischen Zeitschrift „Novaya Gazeta“ ab aus Solidarität, weil die in Russland verboten sind.

Und da darf nun ohne jeden weiteren Kommentar nun eine russische Autorin ungestraft dies behaupten:

„Die tatsächliche Geschichte des Zweiten Weltkrieges ist, dass Stalin diesen Krieg geplant hatte, der die ganze Welt erfassen und erst enden sollte, wenn auch noch die letzte argentinische Sowjetrepublik ein Teil der UdSSR geworden sein würde. Er hatte diesen Krieg geplant – lange bevor Hitler an die Macht kam.“

Ja, die Linke ist auch nicht mehr das, was sie einmal war.

https://taz.de/Vom-Kult-des-Sieges-zum-Kult-des-Krieges/!5851531/
... der Trittbrettschreiber am Mai 10th, 2022 6:26 pm

„Sie sagen mir, was Sie denken“, sagte Wolfgang Pohrt einmal, „und ich sage Ihnen, warum das falsch ist.“

Teppichklopfer, manchmal hatte Omma eben doch recht.
Horst Horstmann am Mai 10th, 2022 7:57 pm

@Herbert Eisenbeiß:

Warum sollte man sie dafür strafen, sich einen Feindbilder-Schwanzvergleich mit den Besserwessis zu gönnen?
Das narzißtische Beharren, der eigene Feind sei der fieseste von allen und sowieso Alleinverursacher allen Übels, schallt einem doch allerorten entgegen.
Jens am Mai 10th, 2022 10:20 pm

… der Kollege Pohrt gehörte zwischen 1977 und 1983 zu meiner Jusozeit zur Pflichtlektüre des aufgeklärten SPD-Jungtürken-Zirkels. Lange Diskussionen etc. — nix passiert.
Die Analysen und Thesen sind leider im Jahr 2022 unter die Räder des Zeitgeistes bzw. die der aktuellen viralen Jugendideologien gekommen. Das Zeug taugt nur für linke Sektierer ohne Chance auf Durchdringung der (jugendlichen Teile der) Gesellschaft. Zeug von gestern für Leute die damals jung waren halt. Wohlgemerkt — ich sage nicht, dass die Analysen falsch waren oder falsch sind!

Sorry
Jens
Cheers mate am Mai 11th, 2022 1:03 pm

„Wursthaare“

Nicht mehr. Das ist jetzt „Cultural Appropriation“ und gehört gesteinigt, selbst laut Freitagsbewegungen, die sich mal um so triviale Dinge wie den Klimawandel geschert haben … aber Curry und Tomaten essen sie sicher gern, unsere Möchtegernlinken. Nur eben ohne Wurst. Haare. Das Sternchen ist eben Moral genug.
tom am Mai 11th, 2022 1:24 pm

Es müssen ja nicht immer Panzer sein.
Kniee für das gemeine Volk (ach so, Volk iss ja nich) und ganzer Mensch falls Rädelsführerin:
„Diana Buttu
@dianabuttu

Israel killed Al Jazeera journalist Shireen Abu Akleh this morning while she was reporting in Jenin. Shireen was among the finest Palestinian journalists. Her life and even her death are a testament to Israel’s crimes. Words cannot describe how devastated we are. #FreePalestine“
Jim am Mai 11th, 2022 10:09 pm

@Cheers
Was ist denn nu mit Tomaten verkehrt? Ich liebe Tomaten!
Mitleser am Mai 12th, 2022 7:48 am

https://edition-tiamat.de/werke-band-10/
Gelesen, sehr interessant!
Bitte direkt beim Verlag bestellen und nicht bei amazon. Bittermann versendet sehr schnell.
Ich erinnere noch seine Beiträge in konkret nach dem Beitritt der DDR.
Als streibarer Mann, dessen Analysen so oft, wie @Jens ja schrieb, richtig waren, erregte er viele Gemüter. Seine Weigerung, irgendeiner Fahne hinterher zu laufen, führte und führt ja immer noch! zu aggressiven Ausfällen gegen seine Arbeiten und ihn. Getroffene Hunde bellen….
... der Trittbrettschreiber am Mai 12th, 2022 2:51 pm

@Mitleser

…“irgendeiner Fahne hinterher zu laufen,“

Igitt, das wäre ja auch irgendwie geschmacksverirrt – außer es war JEVER.

„Getroffene Hunde bellen….“

;-)… Danke für den Hint! Endlich weiß ich, warum ich immer so unter meinem spontanen und unreflexiven Verhalten leide. Ich sollte mir einfach eine Leine zulegen – für die „political dingsdaness“.

Aber wo zischt dann noch was?