Bund Heimattreuer Vereinsverbieter oder: Tai chi gegen Rechts

BHJ

Ich bitte die wohlwollenden Stammleserinnen und geneigten Stammleser dieses kleinen libertären und anarchodyndikalistischfreundlichen Blogs, einen neuen Aktenordner für die sofortige ungelesene Ablage anzulegen. Alle Meldungen deutscher Medien, die den Begriff „Verbot“ in politischem Zusammenhang enthalten, sind ab sofort nicht mehr zu beachten und in die Tonne zu treten, weil eine rationale Diskussion nicht möglich ist. Ich hatte mich hier schon über den ärgerlichen Telepolis-Artikel „Schonfrist für den Nazi-Nachwuchs“ echauffiert, der – wie viele andere zum Thema auch – suggeriert, der Staat müsse doch gegen das Böse gefälligst härter durchgreifen, auch bekannt als melden, durchführen und verbieten, wobei die wesentlichen Tuwörter der deutschen Leitkultur umfassend beschrieben wären.

Aktuell geht es wieder um den politisch kackbraunen Verein „“Bund Heimattreuer Jugend“, dessen Verbot laut tagesschau offenbar bevorstehen soll. Derartige Anlässe sind immer eine willkommende Gelegenheit für Hardliner jeglicher politischer Couleur, die urdeutsche Tugend des Verbietens herauszukehren und sich damit als potenzieller Innenminister anzubieten, wie hier der sattsam auch als „Innenexperte“ bekannte Sebastian Edathy, der schon mal in prophetischer Attitude für die nächste große Koalition den Schäuble-Imitator und -nachfolger gibt. „Ein HDJ-Verbot sei überfällig, betonte Edathy.“ Aber klar. Ob das politisch sinnig und effektiv ist, interessiert niemanden. Es wird noch nicht einmal mehr darüber gestritten, was ein untrügliches Zeichen dafür ist, dass wir es nicht mit Politik, sondern mit bloßer Moraltheologie der ideologisch stromlinienförmigen Mainstream-Medien zu tun haben.

Es findet sich auch unter den zahlreichen Pseudoliberalen im Bundestag niemand (in Worten: niemanden), der den Mut aufbringt, den Sinn des hektischen Aktivismus des staatlichen Antifaschismus zu bezweifeln (sorry für die Genitiv-Girlande). Als hätte es den achtjährigen lichterkettentragenden und daher völlig erfolglosen amtlichen „Kampf gegen Rechts“ nicht gegeben, wird weitergemacht wie bisher. Böse Nazi-Vereine werden durch die Dauerskandal-Truppe Verfassungsschutz den Medien gemeldet, die ein Verbot fordern, welchselbiges dann durchgeführt wird. Ich finde nicht nur Nazis zum Kotzen, sondern auch diese verlogenen „Anti-Nazis“.

„Die Durchsuchungen ’sollen uns Klarheit darüber verschaffen, ob sich die HDJ in aggressiv-kämpferischer Weise gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet oder ihre Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderläuft‘, sagte Innenstaatssekretär August Hanning.“ Die üblichen Verdächtigen. Blabla. Weich gefallen, Herr Hanning? „Am 1. Dezember 2005 wurde Hanning zum Staatssekretär im Bundesministerium des Innern ernannt. Er ist dort für Polizeiangelegenheiten, Angelegenheiten der Bundespolizei, Innere Sicherheit, Migration, Integration, Flüchtlinge, Europäische Harmonisierung sowie die Stabsstellen Krisenmanagement und BOS-Digitalfunk zuständig. Im Zusammenhang mit der Affäre um die Bespitzelung von Journalisten in den Jahren 1993 bis 1998 ist noch ungeklärt, ob auch Hanning von der vor seiner Amtszeit liegenden teilweise rechtswidrigen Observation von Journalisten durch den BND zum Zwecke der Eigensicherung erfahren hat.“ Der rechte Mann am rechten Ort. Der Tagesschau wäre zu empfehlen, zumindest den Wikipedia-Eintrag zu Hanning zu verlinken, um die Leser in die Lage zu versetzen, mit welchen „Experten“ sie es zu tun haben. Aber die Tagesschau verweigert sich bekanntlich dem Online-Journalismus und setzt keine Links in berüchtigte Internet.

By the way: Hannig ist derjenige, über den die preisgekrönte Kollegin Annette Ramelsberger im Oktober 2004 ein bejubelndes Halleluja in der Süddeutschen verfasst hat („Sie loben ihn alle“). Nur wenige Monate danach erschien ihre mittlerweile berühmt-berüchtigte Falschmeldung, für die die „Sicherheitskreise“ sie offenbar ausführlich gebrieft und instrumentalisiert hatten, dass die Polizei und die Verfassungsschützer schon längt „drin“ in unseren Computern seien. Hony soit qui mal y pense.

Aber ich schweife ab. Auch Hannig tut, was man vom ihm erwartet, und sondert die bekannten Testbausteine ab: Der BHJ wende sich „in aggressiv-kämpferischer Weise gegen die verfassungsmäßige Ordnung“. Diese Formulierung hat das Bundesverfassungsgericht vorgeben als Voraussetzung für ein Verbot einer politischen Partei in Deutschland. Nur handelt es sich bei den kackbraunen „Freibund“ aka BHJ gar nicht um eine Partei, sondern um einen Verein, der viel leichter zu verbieten ist. Hanning hätte die schwere juristische Artillerei ruhig in der Garage lassen können.

Auch die Linke („Prüfung eines vereinsrechtlichen Ermittlungsverfahrens“) ist selbstredend nicht besser als die rechten Hardliner: „Die Linksfraktion betont, Ziel der HDJ sei die ideologische Einflussnahme auf Kinder und Jugendliche im Sinne der Verbreitung völkischer, rassistischer, nationalistischer und NS-verherrlichender Ansichten. Der Verein unterhalte zudem enge Kontakte zur NPD.“ Wie sagte schon Kaiser Wilhelm Zwo sinngemäß und völlig richtig über die damalige Linke: „Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch deutsche Partei- und Vereinsverbieter“.

Tai chi

Übrigens: „Die Berliner Behörde teilte im Dezember 2007 auf Anfrage des Freibunds mit, dass die Verfassungsschutzberichte der Jahre 2006 und früher ‚keine Aussage (enthalten), dass der Freibund als rechtsextremistische Gruppierung angesehen wird.‘ Eine Aufnahme in den Berliner Verfassungsschutzbericht 2007 sei nicht beabsichtigt.“ Es handelt sich bei der gegenwärtigen Aktion gegen den kackbraunen Verein also wieder um populistische Umtriebe, die so sinnfrei sind wie Tai chi für Avatare (siehe Screenshot unten).

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Kommentare

3 Kommentare zu “Bund Heimattreuer Vereinsverbieter oder: Tai chi gegen Rechts”

  1. hfi am Oktober 9th, 2008 2:26 pm

    Sach malm, wussteste wirklich nicht, dass Chomsky Sympathien für den Anarchosyndikalismus hegt?

  2. admin am Oktober 9th, 2008 3:19 pm

    Ich auch nicht. Steht bei Wikipedia und muss somit nicht stimmen. Er ist ja auch hier http://de.wikipedia.org/wiki/Industrial_Workers_of_the_World Mitglied.

  3. hfi am Oktober 9th, 2008 4:24 pm

    nee, nee, meine frage war anders zu verstehen: wuseste = wusstest DU… Ich weiß das, denn ich bin etwas jünger und somit nicht zuletzzt durch Chomsky politisch sekundär sozialisiert worden…;-)

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