Was war noch Mal der Unterschied zwischen Bloggern und Journalisten?

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Bei Fefe lese ich: „Die Chinesen haben anscheinend Hinrichtungs-Quotas, um ihre Nachfrage nach Organen für Transplantationen zu befriedigen.“ („Beijing’s ‘New Frontier’ is ground zero for the organ harvesting of political prisoners.“)

Da schauen wir natürlich die Quelle genauer an. Es handelt sich um The Weekly Standard, „ein politisches Wochenmagazin in den Vereinigten Staaten von Amerika. Es gilt als bedeutendes Sprachrohr des Neokonservatismus in den USA. (…) Die leitenden Redakteure sind William Kristol, Gründer des Magazins und Vorsitzender des Project for the New American Century, sowie Fred Barnes. (…) Das Magazin wurde 1995 gegründet und gehört seitdem zu Rupert Murdochs Medienkonzern News Corporation.“

Das PNAC war inner- und außerhalb der USA umstritten. Kritiker argwöhnten, die Denkfabrik verfolge zum Nachteil anderer Staaten rein US-amerikanische Interessen und strebe eine Vorherrschaft der USA in der Weltpolitik an (Pax Americana) – und betreibe dafür umfangreiche Lobby-Arbeit unter Politikern. (…) Die meisten der Ideen und Mitglieder des PNAC standen mit der politischen Schule des Neokonservativismus in Verbindung. Einer der wichtigsten Protagonisten der Denkfabrik war lange Zeit sein Mitbegründer Richard Perle.(…). Das PNAC bildete einen Teil eines weitreichenden neokonservativen Netzwerks von Denkfabriken, Medien, Bildungseinrichtungen, Stiftungen und Werbe- bzw. PR-Agenturen.

Also noch mal zum Mitschreiben: Die Quelle für die von Fefe übersetzte These, „dass sie manchmal bei Hinrichtungen kein Gift spritzen, sondern ein gerinnungshemmendes Mittel, und die politischen Gefangenen dann bei lebendigem Leib um ihre Organe erleichtern“, ist also „The Weekly Standard“, dessen leitender Redakteur Fred Barnes für die PNAC arbeitet. Soso.

Wer das als seriöse Quelle nimmt, muss auch die hiesige Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) als unabhängige Institution für alle Fragen, den Kapitalismus betreffend, akzeptieren.

Yet the Xinjiang procedure spread. By the end of 1999, the Uighur crackdown would be eclipsed by Chinese security’s largest-scale action since Mao: the elimination of Falun Gong. By my estimate up to three million Falun Gong practitioners would pass through the Chinese corrections system. (…)

By Holocaust standards these are piddling numbers, so let’s be clear: China is not the land of the final solution. But it is the land of the expedient solution. Some will point to recent statements from the Chinese medical establishment admitting the obvious—China’s medical environment is not fully ethical—and see progress. Foreign investors suspect that eventually the Chinese might someday -or perhaps have already – abandon organ harvesting in favor of the much more lucrative pharmaceutical and clinical testing industries.

Kein Holocaust, immerhin. Aber „the Chinese might someday -or perhaps have already“ – wir wissen nichts, aber es könnte sein. Unabhängige Quellen für die im Artikel genannten Thesen gibt es nicht. Deshalb können sie falsch oder wahr sein.

Unter dem Artikel steht: „Ethan Gutmann, an adjunct fellow at the Foundation for Defense of Democracies, wishes to thank Jaya Gibson (vgl. Facebook-Screenshot oben) for research assistance (…).“

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Kommentare

8 Kommentare zu “Was war noch Mal der Unterschied zwischen Bloggern und Journalisten?”

  1. epicykel am Februar 5th, 2012 1:56 pm

    Immerhin schreibt Fefe zu seinem Blog: „Fefes Blog
    – Wer schöne Verschwörungslinks für mich hat“ …
    Und hier handelt es sich offenbar um eine ganz besonders „schöne“ Verschwörungstheorie.

  2. ninjaturkey am Februar 5th, 2012 2:05 pm

    Nun ja, immerhin fragt fefe selbst in der Titelzeile nach schönen Verschwörungslinks und fordert seine Leser auch in seiner alternativlos-Reihe wiederholt dazu auf, selbst den Kopf einzuschalten und weiter zu recherchieren (was Du hiermit getan und mir die Arbeit erspart hast – vielen Dank dafür!)
    Genau so wichtig wie nachfragende und Quellen beleuchtende Blogger sind eben auch Leser, die beim Lesen das Denken nicht einstellen.

    Wie klappts übrigens mit Deinem Mandarin?

  3. Swagger am Februar 5th, 2012 2:29 pm

    Aus Fefes FAQ:

    Du hast da eine Quelle total falsch wiedergegeben!1!!

    Das kommt vor. Über eine freundliche Zuschrift freue ich mich dann.

    Allerdings: Manchmal mache ich das absichtlich. Dieses Blog hat nämlich das Ziel, die Medienkompetenz der Leser zu steigern. Gelegentlich packe ich sogar einen handfesten Hoax oder eine Satire zwischen die anderen Meldungen und schreibe das auch nicht dran.

    Siehe auch diesen Blogeintrag vom 3. September 2009, wo ich die Regeln mal erklärt habe.

    Oh und es kommt auch vor, dass sich der Inhalt eines verlinkten Artikels nach dem Verlinken ändert.

  4. steven am Februar 5th, 2012 4:38 pm

    …weisst doch… er will nur die Medienkompetenz seiner Leser schärfen.

  5. admin am Februar 5th, 2012 7:30 pm

    你好 再見

  6. ninjaturkey am Februar 5th, 2012 9:14 pm

    »…你好 再見…«

    @admin: Δελφικὰ παραγγέλματα ;-)

  7. Michael am Februar 5th, 2012 10:17 pm

    Und warum ist die Quellenlage schlecht? Weil China jede unabhängige Berichterstattung verhindert, keine Menschenrechtsorganisationen ins Land lässt, Menschenrechtsverteidiger im Land verfolgt[1] und u.a. Hinrichtungen als Staatsgeheimnis behandelt, weswegen z.B. amnesty international seit einigen Jahren keine genauen Zahlen mehr veröffentlicht. Man hat dort vieles zu verbergen. Daß der Autor des Artikels nicht alle Zeugen namentlich nennt weil diese oder deren Familien dann Verfolgung befürchten müssen ist nachvollziehbar – gleichwohl benennt er einige, insbesondere mindetens einen Exilchinesen, den man ja ggf. befragen könnte. Daß China Hinrichtungsweltmeister ist, ist indes unbestreitbar. Die Vorwürfe als solche sind grundsätzlich plausibel und konkret. Letzteres ist übrigens mE ein Unterschied zur INSM, welche v.a. viel der-Markt-hat-immer-recht-Geschwurbel verbreitet.

    Ein weiterer Grund für die Quellenlage wird im Artikel kurz genannt: Es besteht von vielen Seiten her einfach kein Interesse daran. Das reicht von sog. „Realpolitikern“ bis zu Altlinke. Beide wollen China nicht verärgern und drücken daher gern beide Augen zu, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen.

    Wenn man in China (oder unter dessen Apolegeten) also der Meinung ist, daß dieser Weekly-Standard-Artikel nicht stimmt, dann sollen unabhängige Untersuchungen ermöglicht werden. Bis dahin muß man zumindest von einem dringenden Verdacht sprechen.

    [1]: U.a.: http://www.amnesty.de/presse/2011/6/30/amnesty-menschenrechtsanwaelte-china-zunehmend-verfolgt?destination=node%2F2899%3Fpage%3D2

  8. admin am Februar 5th, 2012 11:48 pm

    Wenn nicht zwei unabhängige Quellen existieren, sollte man das Maul halten anstatt bloße interessengeleitete Behauptungen als Fakten zu präsentieren. Wenn die Quellenlage schlecht ist, heisst es ja nicht, dass ich einfach herumspekulieren darf. Vgl. „Massenvernichtungswaffen im Irak“

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