Unter kulturindustriellen Verramschern

coffee

„Correctiv enthüllt“ als szenische Lesung im Berliner Ensemble. Im Vergleich hierzu – zu dieser kulturindustriellen Verramschung des Politischen plus der narzisstischen Selbstüberhöhung von Journalisten – war selbst die Art, wie die SZ ihre eigene Aiwanger-Recherche im selben Text zerschossen hat, ein Klacks.

Demnächst dann in diesem oder einem anderen Theater:
„Correctiv-enthüllt-T-Shirts“, „Correctiv-enthüllt-Kaffeetassen“ und schließlich: „Correctiv enthüllt – der Film“. (Sorry, Correctiv. Aber so verdienstvoll eure Recherche war, so murks ist das.
(Deniz Yücel)

Unter Medienkonsumenten

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Neulich regte ein guter Freund an, ich solle mir einen Überblick über meine Ausgaben verschaffen (nein, mir droht kein finanzielles Ungemach, aber er wollte mir zeigen, wie gut er mit Excel umgehen kann). Wenn man den Kleinscheiß berücksichtigt, kommt ganz schon was zusammen, obwohl ich mit permanenten Ausgaben wie Abonnements extrem sparsam bin.

Zeitschrift Z ist Luxus. Ich brauche das nicht wirklich, aber manchmal findet man doch etwas Interessantes. Ist natürlich weitgehend tl;dr und nur für Leute mit solider westlicher marxistischer Ausbildung. Die Z hat immer noch die sozialrevisionistische DKP-Sicht; über China findet man nur selten Vernünftiges. Ich haben ihnen gedroht zu kündigen, falls die Gendersternchen überhandnähmen. Die Zeitschrift kostet 35 Euro im Jahr.

Den Guardian habe ich abonniert, weil das eine, wenn nicht die beste Zeitung der Welt ist. Das digitale Abo per App kostet rund 14 Pfund im Monat, also ca. 16 Euro. Die App ist sehr gut, da fehlt nichts, und alles ist übersichtlich, und die Perspektive ist viel kosmopolitischer und weniger engstirniger als hierzulande.

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Man muss Feindsender hören. Was nützt es mir, wenn ich nur meine eigene Sicht der Dinge bestätigt bekomme? Welt online habe ich wegen der Kolumnen von Don Alphonso, Henryk M. Broder und Deniz Yücel abonniert. Der Rest ist zum Teil haarsträubend, insbesondere die Artikel über historische Themen oder Ökonomie. Andere deutsche Medien sind nicht besser, und beim Tagesspiegel zum Beispiel werde ich noch zusätzlich mit Gendersprache gequält. Man lernt aber viel darüber, wie Eigenheimbesitzer, die Kleinbourgeoisie und die Hofschranzen des Kapitals ticken. Das digitale Abo kostet knapp 80 Euro im Jahr. Die App ist gut, aber der „Ticker“ lächerlich: Da werden Fußballergebnisse, kleinstädtischen Irrelevanzen, Lifestyle und der Ukraine-Krieg durcheinandergewürfelt. Wozu soll das gut sein?

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Die Jerusalem Post (seit 1932!) auf Englisch und digital ist immer wieder interessant, weil man diese Sicht der Dinge, auch Internationales, nirgendwo sonst lesen kann. (Den Guardian über Israel kann man getrost vergessen.) Die App ist nicht besonders, vor allem kann man den eigenen Account nicht wirklich managen. Ich habe auf die Schnelle auch nicht wiedergefunden, wieviel ich monatlich zahle. Es war aber nicht viel.

Zum Ausgleich und wegen der sachlichen Berichte über Asien lese ich manchmal die South China Morning Post. Aber wer weiß, wie lange es die noch kostenlos oder überhaupt gibt.

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Und Heise. Aber das muss ich vermutlich der Leserschaft nicht begründen.

Netflix auf zwei Geräten 13 Euro monatlich. Amazon Prime rund 90 Euro jährlich.

Wenn es mir finanziell schlecht gehen würde, könnte ich bis auf die beiden letzten „Medien“ auf alles verzichten. Wie machen das aber Leute, die nicht arbeiten können und nur knapp über die Runden kommen?

Westliches und östliches Gedöns

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Georgina (Symbolbild)

Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einer ungeheueren Georgina verwandelt. Halt! Stopp! Darüber wollte ich gar nichts posten. Ich suchte nur einen Vorwand für ein gefälliges Titelbild.

Deniz Yücel tweetete (heißt das Verb so?): In einer Welt aus Willen und Vorstellung, in der sich jeder Student mithilfe von giftgrünem Nagellack und Fantasiepronomen zur „non-binären“ Person erklären kann und jede Redakteurin mit schneewitchenblasser Haut und einem Onkel in Slowenien zur „Person of Color“ mag ein evolutionsbiologischer Vortrag über Sex und Gender als Zumutung erscheinen. Das ist okay. Queerdenker dürfen dagegen protestieren, ebenso wie z.B. Querdenker gegen einen epidemiologischen Vortrag über Covid-19. Die vorgetragenen Thesen können wissenschaftlich kontrovers sein, wie Kritik nicht immer als gepflegter Disput unter C4-Professoren stattfinden muss. Cancel Culture wird nicht dadurch vom Kampfwort zur Realität, weil Jana aus Kassel oder Momo aus Berlin (vormals: Bodo aus Ulm) oder wer auch immer im Internet oder auf der Straße gegen was auch immer demonstriert, sondern durch die Unfähigkeit von Institutionen aller Art, Kritik und Empörung auszuhalten.

– Ich würde das noch steigern: Wenn die vier (!) Präsidenten der Humboldt-Universität in Berlin nicht in der Lage sind, die Freiheit der Lehre und der Wissenschaft zu garantieren, notfalls mit Hilfe roher Gewalt der Polizei, dann sind sie unfähig und sollten allesamt zurücktreten. Oder sie wollen es nicht. Dann um so mehr.

Oder man sollte die Humboldt-Uni ganz schließen.

westliche werte
Westliche Werte (Symbolbild)

– Das Ministerium für Wahrheit informiert: „Wissenschaft“ heißt jetzt „inhumaner Biologismus„. #VolkerBeck

Die haben doch alle einen an der Klatsche. Ich kann mich da richtig hineinsteigern. Ich habe nichts gegen Aufmärsche von Homosexuellen, aber bitte dann auch im Stechschritt. Warum werden eigentlich bei Fotos des Milieus, das in Neusprech mit zahllosen Buchstaben abgekürzt wird, deren Reihenfolge mir entfallen ist, von der Bedeutung ganz zu schweigen oder gar, wie man das Gedöns ausspräche, immer nur Tunten abgebildet? Warum sind die alle so hässlich und sehen nicht so aus wie woanders? Sind „Transmenschen“ alles Männer? Jetzt muss ich aber damit aufhören…

– Apropos: „Sprachdiktate sind ein Markenzeichen aller Diktaturen.“

östliche werte
Östliche Werte (Symbolbild)

And now for something completely different.
– Das Ministerium für Wahrheit, auch bekannt als Clemens Wergin, informiert: Niederlagen oder heillose Flucht in einem Krieg heißen immer „taktischer Rückzug“.

– Die russische Propaganda zitiert den Feind: „The world can order Russia to leave Donbass, but the Russians will not leave, and no one can force them to leave.“ This statement was made by the former head of the British General Staff, General Richard Dannatt, in an interview with Sky News.
He also expressed confidence that Russian forces would „almost inevitably“ occupy the DPR and the LPR, and the Ukrainians would not be able to „expel“ them from there.

Das hätte ich nicht gedacht, zumal Selenkij doch angekündigt hat, den Donbass zurückzuerobern?

– Das mit den ukrainischen Drohnen hat sich bald ausgedrohnt. „Ukraine’s drones are becoming increasingly ineffective as Russia ramps up its electronic warfare and air defenses“.

– Ich bin mal gespannt, ob die Russen jetzt erst nach Kramatorsk und Slowjansk vorstoßen oder eher im Süden in Richtung Odessa. Ich denke, die erstere Variante ist wahrscheinlicher – sie werden nach der Oblast Luhansk auch Donezk vollständig einnehmen wollen. Wenn die Ukrainer dann immer noch nicht verhandeln wollen, verlieren sie die gesamte Südküste – falls dann überhaupt noch jemand kämpfen will und nicht alle in Scharen desertieren.

FYI: Tag 5 nach Operation, et al

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Eine Krankenschwester bei der Morgentoilette (Symbolbild)

Komisch, das Gehen wieder neu lernen zu müssen. Eine meiner Physiotherapeutinnen hat mich vor den Badspiegel hier gestellt und gezeigt, wie ich ein paar Male die Beinchen heben kann, ohne die Schultern schräg zu halten. Ich hatte vergessen, wie das geht. Ich kann sogar das Becken bewegen, obwohl es zum Salsa nie mehr reichen wird. Alles ist jetzt schon besser als vorher, und ich bin guten Mutes.

Gibt es irgendwo eine Website, auf der ich dieses Krankenhaus bewerten könnte? Gerade hat eine Krankenschwester zwei heiße Tassen Kaffee neben den Laptop gestellt, ohne dass ich den gesondert hätte bestellen müssen. Und gestern bekam ich eine Fußwaschung mit anschließender Ölung händisch aufgetragener Creme – auch das hätte das Personal nicht machen müssen.

Einer meiner Operateure sagte mir, er habe mich an dem Röntgenbild meiner Hüfte „wiedererkannt“. Decken die das Gesicht während des Eingriffs ab? Machte Sinn, dass sie sich bei einem hässlichen Mann nicht weniger Mühe geben als bei einem nackichten Model, obwohl die selten neue Hüften brauchen.

urlaub

Zum Glück hatte ich schon im letzten Jahr einen Teil meines Urlaubs eingereicht, ohne zu wissen, dass der Termin für die Operation ausgerechnet im Mai sein würde. Dank Corona könnte man eh nicht genau planen. Ab heute habe ich Urlaub, aber doch nicht, sondern später. Mal sehen, ob das Kapital das auch weiß, oder ob jemand meint herumzicken zu müssen zuungunsten der arbeitenden Klasse.

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Eine Physiotherapeutin zeigt mir eine Körperhaltung, die dem muskulären Aufbau dient (Symbolbild)

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Meine temporäre beschränkte Weltsicht, ohne Krankenschwester (Symbolbild)

Wahlergebnisse? Sagte hier jemand Wahlergebnisse? Wer in NRW regiert, wird in 1000 Jahren so wichtig sein wie für uns heute die Schlacht bei Mursa. Oder wie Söldner in der Ukraine kämpfen. Oder wie die Schlacht um Severodonezk.

strümpfe
Hat schon mal jemand versucht, zum Anziehen einfacher Socken Werkzeug zu benutzen?

By the way: Möchte jemand den Russen gutes Essen verkaufen? Oder einen Moskwitch erwerben?

mittagessen krankenhaus
Mittagessen, vermutlich ca. 134 Kalorien, aber mehr brauche ich auch nicht, wenn ich auf meinen Schrittzähler schaue.

And now for something completely different: Deniz Yücel im Interview: „[Bitte selbst ausfüllen] wird dominiert von einem Haufen Spießern und Knallchargen“.
Wer ist gemeint?
[ x ] die Linke?
[ x ] der Deutsche Journalisten-Verband?
[ x ] der PEN?
[ x ] alles?

Freut mich, dass der Kollege wieder Klartext spricht. Wenn er in den DJV einträte, insbesondere in Berlin, könnte er die Textbausteine wiederverwenden. Hier ist gerade ein Mitglied des Vorstands zurückgetreten. Er hat Streikbrecher gespielt hat und wurde von seinen Kollegen (nicht Verbandskollegen) anschließend gegrillt. Auch eine freie Mitarbeiterin beim RBB war einschlägig „tätig“ – um die kümmere ich mich noch, wenn ich wieder fit bin. Der Streikordnung des DJV bestimmt in § 13: Alle DJV-Mitglieder sind verpflichtet, den Streikaufruf zu befolgen. Arbeit in bestreikten Betrieben bzw. Rundfunkanstalten während des Arbeitskampfes ist Streikbruch. Die zentrale Streikleitung kann beim jeweiligen Landesverband beantragen, Streikbrecher aus dem Verband auszuschließen.

Leider war ich nicht in dieser Streikleitung. Ich muss gerade an meinen Gewährsmann Caligula denken. Aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen wurde mir zugetragen, dass schon wieder ein paar abgehalfterte Funktionärinnen dort planen, mich irgendwie auszuschließen, weil ich immer so pöhse bin und auf die Satzung poche und Mauscheleien aufdecken möchte Viel Spaß dabei!

ausblick
Vermutlich wird mein Zimmer in der Reha so aussehen, mit Physiotherapeutin (Symbolbild von Van Morrison).

Zweifellos

mariupol
Mariupol gestern, der Rauch im Hintergrund kommt von Azovstahl, wo sich die letzten Nazis verschanzt haben.

Das wird es sein. Daran gibt es keinen Zweifel.

Kann es sein, dass ein führendes Mitglied des Ausschusses, der die gemeinschaftlichen Geschäfte der Bourgeoisklasse in der Ukraine verwaltet, schon aus beruflichen Gründen einen Hang zur Theatralik hat?

Gute Nachrichten Ein Drittel der Deutschen hat erkannt, dass die Herrschaft der Bourgeoisie im Kapitalismus nur eine Scheindemokrokratie ist. Irgendwie fällt es mir heute schwer, einen Anfang zu finden. Neuer Versuch:

„Wir leben in einer Scheindemokratie, in der die Bürger nichts zu sagen haben“, meinen 31 Prozent der deutschen Bevölkerung. Auffällig dabei ist der Ost-West-Unterschied: Im Westen sind 28 Prozent der Meinung, in einer Scheindemokratie zu leben; im Osten ist es fast die Hälfte der Befragten (45 Prozent).

Ich habe gestern wutentbrannt ganz entspannt mein „Welt“-Abo gekündigt. Dort wird man noch mehr als bisher nur antirussische Propaganda lesen werden (Futur II hört sich immer kompliziert an). Ich habe prinzipiell nichts dagegen, konsumiere ich doch durchaus auch die bürgerliche Presse sogar die hierzulande zensierte Presse. Das verändert mein Weltbild nicht. Ich will es aber „ausgewogen“, von allem etwas. Kakophonie ist besser als Euphonie.

Don Alphonso ist unterhaltsam, schreibt aber nur noch für Eigenheimbesitzer und Liebhaber italienischer Fahrräder und für den reaktionären Teil der Kleinbourgeoisie. Deniz Yücel ist mittlerweile zahm geworden – das mag aber dem Martyrium in türkischen Gefängnissen geschuldet sein. Harald Martenstein ist immer dann gut, wenn er über Berlinerisches schreibt – aber in der „Welt“ wird das weniger vorkommen.

Ich habe jetzt nur noch den Guardian und die Online-Ausgabe der Berliner Zeitung abonniert. Letztere verzichtet auf Gendersprache und ist Nuancen anders als der „Tagesspitzel“, wie wir das Blatt früher nannten. Mehr brauche ich vermutlich nicht.

Und jetzt das Wetter. Und jetzt der Krieg. Nicht viel passiert. Alle treffen nur richtige Entscheidungen, wie gewohnt. Die Ziele sind unverändert.

Traditionellen Werte

asow

Aus anthropologischer Sicht finde ich es normalerweise spannend, wie die Russen meinen, Propaganda machen zu müssen. Sie haben neulich stolz verbreitet, der ukrainische Nazi-Anführer sei Svyatoslav Palamasei in Mariupol liquidiert worden.

Jetzt machen sie sich immer noch über ihn lustig, aber auf eine Art, die mich an die Herrenwitze aus dem 50-er Jahren erinnert. Warum ist es denen so wichtig, über Homosexuelle beiderlei Geschlechts ihre Häme auszuschütten bzw. andere zu „bezichtigen“, sie wären schwul oder lesbisch?

Man kann natürlich auch fragen, warum es dem sexualisierten kleibürgerlichen Milieu, das man mit einer Reihe zahlloser Buchstaben, die ich nicht behalten kann, zu beschreiben beliebt, so wichtig ist, darüber zu lamentieren, wer warum welche Geschlechtsteile hat und warum nicht, statt über den tendenziellen Fall der Profitrate zu räsonnieren.

Ich verstehe es nicht. Es ist lächerlich. Deniz Yücel hat in hinter der Paywall der Welt neulich zu etwas geschrieben. Er zitierte Putin: In der Tat haben die Versuche, uns für ihre Interessen zu missbrauchen, unsere traditionellen Werte zu zerstören und uns ihre Pseudowerte aufzuzwingen, die uns, unser Volk, von innen heraus zersetzen würden, nicht aufgehört, jene Haltungen, die sie bereits aggressiv in ihren Ländern durchsetzen und die direkt zu Degradierung und Entartung führen, da sie gegen die menschliche Natur selbst gerichtet sind.

Yücel kommentiert: „Antiliberalismus meint hier die Verachtung für das, was oft als „westliche Werte“ bezeichnet wird, bei denen es tatsächlich aber nicht um kulturelle Eigenarten und Sitten geht, sondern um zivilisatorische Errungenschaften. Da auch in Deutschland – historisch gesprochen: insbesondere in Deutschland – Kultur und Zivilisation gerne verwechselt werden, zur Veranschaulichung: Bratwurst und Wandern, Borschtsch und Eisbaden sind kulturelle Güter, die man mögen kann oder nicht. Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung als Teil eines umfassenden Konzepts von individueller Freiheit hingegen ist eine universalistische Idee. Basierend auf den Ideen der Aufklärung, brauchte es auch in der westlichen Welt jahrzehntelange Kämpfe, bis sie (einigermaßen) Wirklichkeit wurden – und wieder einkassiert werden können.“

Glaubwürdigkeitsproblem

Deniz Yücel auf welt.de: „Guantánamo, Abu Ghraib, Julian Assange… Die Liste der katastrophalen Verfehlungen ist lang, mit denen sich der Westen leider nicht zu Unrecht den Ruf der Scheinheiligkeit und Doppelmoral eingehandelt hat – ein Image, das erheblich dazu beigetragen hat, dass das westliche Modell in weiten Teilen Osteuropas, im Nahen und im Fernen Osten und anderen Teilen der Erde vieles von der Ausstrahlungskraft eingebüßt hat… (…) Wer „Russia Today“ und „Sputnik“ verbietet, wird künftig ein Glaubwürdigkeitsproblem bekommen, die Unterdrückung der Presse- und Meinungsfreiheit in, zum Beispiel, Russland zu kritisieren. „

Neues vom linken Elend

linke osnabrück

Antrag an meine lieben Mitmenschen!
Würden Sie bitte alle, ja, unbedingt und ausnahmslos alle, 24 Stunden am Tag, rund um die Uhr, ohne Pause und lebenslang, ein Schild mit dieser Aufschrift um Ihren Hals tragen:
Das Elend hat viele Gesichter – wie gefällt Ihnen meins?
Das stünde Ihnen allen nämlich gut zu Gesicht. (Wiglaf Droste)

(Das musste ich jetzt vorab zitieren, um mir das Thema erträglicher zu gestalten und um eine Schreibblockade zu vermeiden.)

„Sorgt für Empörung“ – nach solchen Textbausteinen lese ich normalerweise nicht weiter. Was die „Linke“ in „Osnabrück-Land“ da verbreitetet, finde ich harmlos, ist es doch ein Lehrbuchbeispiel dafür, dass „politische“ Diskussionen über schwierige Themen nicht geführt werden, sondern nach einem Reiz-Reaktions-Mechanismus ablaufen, bei dem schon a priori weiß, wer was sagen wird.

„Wir haben Antisemitismus importiert“, sagt eben nicht, dass eben dieser erst mit muslimischen Einwanderern ins Land gekommen sei. Unstrittig ist sogar in der liberalen Presse, dass „bei der Integration dieser Menschen mit arabischen Wurzeln einiges schiefgegangen sein muss.“ Warum gibt es jetzt das Getue der üblichen Verdächtigen, das sei „Rassistenscheiße“?

Die Welt hat (leider hinter der Paywall) einen großartigen Artikel von Deniz Yücel über die „Metamorphosen des Antisemitismus“:

„In Deutschland gilt Antisemitismus vielen als praktisch unsichtbares Randphänomen. Dabei greift er noch immer um sich, rechts wie links. Er hat sich nur ein lieblich-progressives Gewand übergezogen: postkolonial, antirassistisch, gendergerecht. Das macht ihn so gefährlich.“

„Doch dem noblen Ziel des Antirassismus schadet man, wenn man – womöglich aus Sorge, dies könne den falschen Leuten nützen – um Tatsachen herumdruckst: dass es weitaus gefährlicher ist, mit einer Kippa durch Berliner Stadtteile wie Neukölln oder Kreuzberg zu laufen als durch Mitte oder Zehlendorf. Oder dass für jüdische Makkabi-Vereine Spiele gegen arabisch oder türkisch geprägte Vereine oft so hässlich verlaufen wie für Migrantenvereine Auswärtsspiele in Ostdeutschland.“

Genau das ist gemeint: Einige der „Linken“ meinen wohl, man dürfe Einwanderer aus Staaten, in denen Antisemitismus und der Hass gegen Israel zur Staatsraison gehört – also auch Syrien – nicht kritisieren. Wie absurd ist das denn? Diese Menschen bringen doch ihr Weltbild mit, also wird es „importiert“. Was ist daran falsch?

Man muss sich schon sehr intellektuell verknoten, um das zu leugnen. Eberhard Seidel schrieb auf Facebook: „Wenn Teile der Muslime in Deutschland antisemitisch sind, heißt das nicht, dass dieser Antisemitismus importiert ist. Wenn Jugendliche, die hier geboren und sozialisiert sind, Anhänger der Hamas sind, heißt das nicht, dass dieser Judenhass importiert ist. Das bedeutet lediglich, dass die alt-deutsche antisemitische Angebotspalette diverser geworden ist und diese Formen des Antisemitismus zum festen Bestandteil des Ideologieangebots in Deutschland geworden sind.“

Diversity also auch bei Antisemitismus? Das, was Frau Sawsan Chebli zu Besten gibt, die sich bekanntlich als „Palästinenserin“ versteht, obwohl sie in Berlin-Moabit geboren wurde (wie bei den Sudentendeutschen und anderen Vertriebenen vererbt sich offenbar der „Flüchtlings-Status“), soll also „Bestandteil des Ideologieangebots in Deutschland“ sein? Das kann man so sehen. Man muss aber dann nachfragen, wo der Unfug, den sie mehrfach absonderte, ihr eingetrichtert wurde – in einer deutschen Schule oder zuhause oder auf der Straße? (Das deutsche Wikipedia macht sich die Erfindung Arafats zu eigen und behauptet, die „Palästinenser“ seien ein „arabisches Volk“).

In den USA ist es übrigens ähnlich. Auch hinter der Paywall der Welt: Apartheidstaaten sind keine Demokratien“, so lautete ein Tweet, den die linke demokratische Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez am Samstagnachmittag an ihre rund 13 Millionen Follower absetzte.

Viele ihrer Mitstreiter verbreiteten den Tweet umgehend nach dem Modell eines Kettenbriefes: Die Abgeordnete Coris Bush retweetete Ocasio-Cortez, deren Mitteilung ihrerseits von Fraktionskollegin Rashida Tlaib weiterverbreitet wurde. Tlaib, in Detroit geborene Tochter palästinensischer Einwanderer, kommentierte die Botschaft von Ocasio-Cortez und Bush mit demselben Wortlaut: „Apartheidstaaten sind keine Demokratien.“

Um erst gar keinen Zweifel aufkommen zu lassen, auf welches Land sie ihre Stellungnahme bezieht, legte Tlaib später nach – sie rief dazu auf, sich die Stellungnahme des palästinensisch-israelischen Künstlers Tamer Nafer anzuhören: „Hören Sie den Palästinensern, die unter der Apartheid Israels leben, direkt zu.“

Das Neue Deutschland nennt Ocasio-Cortez „progressiv“. Mal sehen, wann sie von der Partei „Die Linke“ eingeladen wird.

In den sozialen Medien stellte ich die Frage – to stir the soup up -: „Wie kann man der „Linken“ die islamo-völkische Wahnidee „Palästina“ austreiben?“ Mein Namensvetter Jürgen hat dazu eine interessante historische Antwort, wie das alles anfing – und weiterging.

Nachtrag: Ich muss mich jetzt auch noch vom RBB erholen – was für eine widerliche Hetze!

Dauerempörte Identitäre und die List der Vernunft

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Identitäre Weltsicht, Symbolbild (nur wenige Eingeweihte werden erkennen, was und wo das ist.

– Ein Interview mit Susanne Schröter in der taz ist lesenswert: „Kritik am politischen Islam gerät schnell unter Rassismusverdacht. Ein Interview mit Susanne Schröter vom Forschungszentrum Globaler Islam.“ [Schon erstaunlich, dass es im 21. Jahrhundert immer noch Medien gibt, die keine Links setzen. Mein Mitgliedleid über fallende Auflagen hält sich in Grenzen.]
Schon das Wort Islamismus wird unter Verdacht gestellt. Man möchte den Islam nicht mit negativen Dingen in Bezug bringen, fokussiert stattdessen auf Islamfeindlichkeit oder die Diskriminierung von Muslimen. Man glaubt es kaum, wie viele Projekte zur Islamfeindlichkeit finanziert werden. (…)
Gerade im Bereich der postkolonialen Theorien hat sich eine identitäre Strömung durchgesetzt, die Positionen an äußere Merkmale wie Geschlecht, der Hautfarbe oder Alter koppelt und damit einen neuen Rassismus begründet. Das Feindbild vom „alten, weißen Mann“ ist so eine rassistische Konstruktion.

Das ist logisch und selbstverständlich, nur interessiert Logik diejenigen nicht, die Schröter damit meint. Die Universitäten sind wieder ein Hort der Reaktion wie vor 1968. Ironie der Geschichte: Die Reaktionäre fühlen irrig sich als „Linke“.

– „Eine Ursache der Dauerempörung ist die autoritäre Revolte der Rechten gegen die offene Gesellschaft und die identitäre – besser: antiuniversalistische – Wende eines Teils der Linken. Zudem: die globalen Krisen, die zur Wiederkehr einfacher Weltbilder geführt haben, die weitgehende Selbstabschaffung des Politischen vor der Allmacht „der Märkte“ und die daraus folgende Verschiebung des Politischen auf das Gebiet der Kultur.“ (Deniz Yücel hinter der Paywall der Welt: „Eine offene Gesellschaft muss Mehrdeutigkeiten aushalten“).

Meine Rede: „Multikulti“, heute „Vielfalt“ genannt, ist ein reaktionäres unpolitisches Konzenpt, das Einwanderer auf ein fiktives Konstrukt – deren vermeintliche „Kultur aka Folklore – reduziert. Das sagte und schrieb ich auch schon vor zwanzig Jahren. Man wird im Laufe der Jahre demütig, was die Wirkung der eigenen Worte angeht, auch wenn sie in Buchform gegossen wurden.

– By the way: Journalisten, die das Wort „umstritten“ benutzen, sollten vom Weltgeist sofort eine schallende Ohrfeige bekommen.

– Das letzte Wort hat Lisa Eckhart: „Aber man muss auch mal zugeben können, wenn man recht hat – und den Eindruck hatte ich.“ Ich auch ziemlich oft. (Jemand schrieb hier schon einmal etwas von Sendungsbewusstsein).

Germanische Esskultur oder: Abyssus abyssum invocat

sonnenblumen

Distinktion über Immobilienbesitz ist riskant, aber Distinktion über das moralisch richtige Essen ist noch möglich, und erlaubt Herabblicken auf Dumme, Ungebildete und Unzivilisierte: Da geht dann wirklich alles durch. Auch in den Medien für gebildete Stände. (Don Alphonso, hinter der Welt Paywall)

(Ja, ich habe die Welt abonniert, weil ich die Artikel von Deniz Yücel lesen will und habe also Don Alphonso, Alan Posener und Henryk Marcin Broder gleich dabei. Das Stammpublikum weiß es schon und den Nachgeborenen und Herumschweifern, die eine Laune des Schicksals hierher getrieben hat, sei es gesagt: Ich lese gern Meinungen, die der meinen nicht entsprechen, was in jedweder Medienblase die Ausnahme zu sein scheint, aber diese müssen elegant, vergnüglich und in gutem Deutsch geschrieben sein, wobei jegliches Abgesondertes von der Nominalstil-Facharbeiterin Katja Kipping von vorn herein ausscheidet).

Zur Kolumne des Don Alphonso wäre einiges anzumerken, zumal auch Tacitus und Latein vorkommen, welchselbiges mich schmunzeln lies – obwohl diese bilderungsbürgerliche Attitude, in meinem Fall die des gefühlten sozialen Aufsteigers, genau in dem Klassismus-Verdacht steht, den ich auch dem obigen Zitat des Don unterschieben kann. (Wer das nicht glaubt, muss Norbert Elias von vorn bis hinten durchlesen.)

deutsches Brotdeutsches Brot
Zwischenfrage: Mein Teller mit Goldrand ist laut Unterseite von der schlesischen Porzellanmanufaktur Carl Tielsch. Darf man aus der Porzellanmarke schließen, dass er aus der Zeit zwischen 1888 und 1908 stammt?

Anlass für die Kolumne über Esskultur war ein offenbar recht dämliches Interview im „Zeit“-Magazin mit dem Ernährungspsychologen Johann Christoph Klotter Der sagt: „Die Deutschen haben keine Esskultur. Schon der römische Historiker Tacitus hat sinngemäß geschrieben: Die Germanen ernähren sich sehr einfach. Wenn man sie nicht mit Waffen besiegen könne, müsse man ihnen nur Bier geben, bis sie umfallen. Die vergleichsweise geringe Wertschätzung für gutes Essen hat sich bis heute gehalten. Süddeutschland ist traditionell noch ein bisschen besser aufgestellt, Norddeutschland ist wirklich zappenduster.“

Langer Schreibe kurzer Sinn: Der Don Alphonso haut dem Klotter die linkgestützten Argumente um die Ohren dergestalt, dass man kopfschüttelnd meint, die „Zeit“ bzw. die veranwortlichen Redakteure für das Interview hätten einen an der intellektuellen Waffel, da alles kompletter Unsinn ist, was der gute Mann da verzapft.

Aber Tacitus (kann man alles samt Übersetzung in diesem „Internet“ nachlesen) ist natürlich lustig. Der hat auch sinngemäß das nicht geschrieben, was Kotter behauptet. Das hindert schlichte identitäre Gemüter, die zudem noch Mohamed heißen und „Biodeutsche“ und „PoC“ sagen, nicht daran, den – obzwar der Vertreter der damals herrschenden Klasse – armen Römer ebenso zu verhackstücken. („Eure Heimat ist unser Albtraum“ echoet er auf Hengameh Yaghoobifarah.)

mohamned amjahid

Don Alphonso kann auch den Tacitus besser:
…die Frage, ob das Zitat von Tacitus überhaupt stimmt. Die Antwort ist: Nein. Tacitus schreibt in Kapitel 23: „cibi simplices, agrestia poma, recens fera aut lac concretum: sine apparatu, sine blandimentis expellunt famem.“ – Die Speisen sind einfach: wilde Baumfrüchte, frisches Wildbret oder Käse aus Milch. Ohne besondere Zubereitung, ohne Gaumenkitzel vertreiben sie ihren Hunger.“ Hier ist aber der Kontext wichtig: Tacitus schreibt für seinesgleichen, die 0,1-Prozent-Oberschicht im Römischen Reich, und in Bezug auf deren Lebensstandard. Dass mit „simplices – einfach“ aber nicht ein Mangel an Kultur gemeint ist, erschließt sich aus dem ebenfalls falsch zitierten zweiten Teil des Satzes: „adversus sitim non eadem temperantia. si indulseris ebrietati suggerendo, quantum concupiscunt, haud minus facile vitiis quam armis vincentur.“ (…)

Sinngemäß sagt Tacitus also, dass die Germanen auf Gaumenschmeichelei und Delikatessen verzichten und lobt das als Tugend der Temperantia, der Mäßigung. Wer sich ein wenig mehr mit Tacitus beschäftigt, erfährt auch, dass er den Entwicklungen im römischen Kaiserreich kritisch gegenüberstand und sich die strenge Moral der früheren Republik zurückwünschte: Das Kapitel über die Sittenstrenge der germanischen Frau und Familie liest sich streckenweise wie eine harsche Kritik an den verlotterten Zuständen im Rom seiner Zeit. An keiner Stelle behauptet Tacitus, es gäbe keine Esskultur…

Das musste mal gesagt werden. Abyssus abyssum invocat, Mohamed Amjahid!

kirschmarmelade
Von mir selbst gemachte Kirschmarmelade!

Betr.: Y.

körpersprache
Foto Marianne Wex: „Weibliche“ und „männliche“ Körpersprache als Folge patriarchalischer Machtverhältnisse.

Zugegeben, Hengameh Yaghoobifarah macht es einem leicht, sie nicht zu mögen. Ich war versucht, ihren Text, der in der Medienblase (und nur dort) zur Zeit diskutiert wird, umzuschreiben:
Wenn die Polizei abgeschafft wird, der Kapitalismus jedoch nicht, in welche Branchen kann man die „queere“ und gendernde Sprachpolizei dann überhaupt noch reinlassen? Spontan fällt mir nur eine geeignete Option ein: die Mülldeponie. Nicht als Müllmenschen mit Schlüsseln zu Häusern, sondern auf der Halde, wo sie wirklich nur von Abfall umgeben sind. Unter ihresgleichen fühlen sie sich bestimmt auch selber am wohlsten.

Aber das wäre gehässigt und geht gar nicht. Dennis Graemer schrieb auf Fratzenbuch: „Die Texte von Yaghoobifarah sind, das kann man durchaus so sagen, für gewöhnlich eine Zumutung. Es schmerzt, sie zu lesen. Inhaltlich handelt es sich um identitätspolitischen Unsinn, um postmoderne Propaganda. Der Schreibstil muss als aktiv verdummend beschrieben werden, man fühlt sich erinnert an peinliche Tumblrblogs und weinerliche Rants woker College Kids. Das ist kein Journalismus, keine Theorie, das ist Gonzo im schlechtesten Sinne.“

Schon klar. Stefan Reinecke hat in der taz mit kühlem Kopf nachgelegt: „Warum die Polizei-Müll-Kolumne aus der taz mehr als grenzwertig ist und radikale Identitätspolitik in bleiernes Schweigen führt.“

Das ist auch mein Vorwurf: Der Text wäre als Kunstprojekt denkbar, so ist er keine Satire, sondern nur Gepöbel, kostümiert als Satire.

Hengameh Yaghoobifarah
Screenshot: Facebook-Profil Hengameh Yaghoobifaras

Mir fiel aber spontan etwas zu ihren Gunsten ein. Wenn die üblichen Verdächtigen aufheulen, ist das zuerst einmal gut und nicht schlecht. Das macht Spaß, wenn es sich um einen eleganten Degen der Sprache handelt, wie bei Deniz Yücel. Wenn aber jemand mit Dachlatten um sich haut, um möglichst viele zu treffen, ist das langweilig.

Die kackbraunen Kameraden haben aber Schaum vor dem Mund, weil Yaghoobifarah alles in Frage stellt, woran sie meinen glauben zu müssen. Auch entsprichen ihr Aussehen und ihre Attitude nicht dem Klischee von dem, was der Normalotto vielleicht denkt. Die Beine breit und nicht rasieren? Es ist zum Totlachen, dass die sich darüber aufregen.

Yaghoobifara zeigt denen, dass „Kultur“, also auch die Rollen von Frauen und Männern, historisch gewachsen ist und jeweils neu definiert wird und mitnichten eine anthropologische Konstante ist, wie unsere braun gebrannten Schlichtdenker meinen.

körpersprache
Foto Marianne Wex: „Weibliche“ und „männliche“ Körpersprache als Folge patriarchalischer Machtverhältnisse.

Die taz ist weitaus weniger souverän wie sie sich gibt. Einen Text von Eva C. Schweitzer in ihrem Blog hat jemand von der medialen Sittenpolizei gelöscht, deswegen dokumentiere ich ihn hier zum gefälligen Beachten. Schweitzer hat ihren Text auf Facebook rekonstruiert:

„Jetzt habe ich wahrhaftig doch noch ein PoC, ein people of color auf der Leipziger Buchmesse entdeckt, glaube ich zumindest, nämlich Hengameh Yaghoobifarah, die (oder das) ein Buch herausgegeben hat, Eure Heimat ist unser Albtraum. Bei der Lesung war ich allerdings nicht, weil ich erst mal die Frage klären wollte, was ist ein Yaghoobifarah?

>Wie ich recherchierte, ist das ein nicht-binäres Wesen, dessen Familie aus dem Iran stammt. Iraner sind bei uns — und damit meine ich Amerika — weiß, so ähnlich wie Israelis, ich habe aber keine Ahnung, welche Farbe die in Deutschland haben. Auf Fotos sieht Yabba — wir Amerikaner verwestlichen gerne komplizierte ausländische Namen — allerdings ziemlich käsekuchenfarben aus und definitiv weißer als Attila Hildmann oder Xavier Naidoo. Aber wer bin ich, jemanden zu verwehren, sich als PoC selbstzudefinieren, das wäre ja transfeindlich.

Yabba ist auch mit einem Zitat am taz-Stand vertreten, nämlich; das Einzige, was Almans mehr Angst bereitet als linksradikale, queere, trans, feministische, antirassistische, dicke Kanax seien antideutsche, linksradikale, queere, trans, feministische, antirassistische, dicke Kanax.

>Also, wenn du Angst hat, dick zu werden, liebes Yabba, da ist die Buchmesse definitiv der falsche Ort. Hier wird man an allen Ecken und Enden vollgestopft mit Keksen, Gummibärchen, Schokoriegeln und Sektgläschen. Ich selber sehe schon aus wie BB-8. Was hingegen die Angst der Almans angeht, Yabba, da bist du auf dem Holzweg. Almans haben die meiste Angst vor jungen, schlanken, cis-männliche und gänzlich unqueeren Kanax, und inbesondere davor, Sven-Sebastian und Sophie-Emily auf die gleiche Schule wie diese Kanax schicken zu müssen.

An zweiter Stelle kommt die Angst vor Sachsen, die „Merkel muss weg“ rufen, dann die Angst vor dem Klimawandel, dem Waldsterben, dem sauren Regen, dem Ozonloch, den Chemtrails, den Feinstaub und Dieselabgasen. Habe ich irgendwas vergessen? Dann erst Yabba.

Natürlich ist es fies, Yabba, wenn man als antideutsches Binärwesen in Deutschland festsitzt und Albträume hat, weil man nicht in den Iran zurückkann, weil die dort queere, trans-feministische Kanax gerne an Baukränen aufhängen und andererseits die traditionellen Einwanderungsländer wie Amerika ungerne Berufsmotzer ohne formale Qualifikationen aufnehmen. Gerade in den angelsächischen Ländern kommt man mit deutsch nicht sehr weit.

Aber wie wäre es mit Österreich? Da kannst du deutschsprachlich brillieren, Antideutsche mögen die dort auch sehr gerne, und damit du gleich das richtige Branding für dich prägst, nennst du dich am besten Yabba the Hun. Und ich finde, nach dem Transfer von Dolfi dem Schicklgrub wäre das ein echt gerechter Ausgleich.“

(H)ausschlachtung, Geheimdienst, Goliath und Mitanni

stolz von Rixdorf
Symboldbild: (H)Ausschlachtung eines alten Rechners (der meiner Eltern)

Ausschlachtung meiner Timeline bei Fratzenbuch:

Deniz Yücel nennt den Verfassungsschutz die „gefährlichste Behörde Deutschlands“. Meine Rede. Wird aber nichts nützen. Wen sonst sollten Journalisten denn zum Thema „Extremismus“ zitieren? Ist doch schön und bequem, andere für sich denken zu lassen.

– Ist folgendes Zitat hier bekannt? Da trat aus dem Lager der Philister ein Vorkämpfer namens Goliat aus Gat hervor. Er war sechs Ellen und eine Spanne groß. Auf seinem Kopf hatte er einen Helm aus Bronze und er trug einen Schuppenpanzer aus Bronze, der 5000 Schekel wog. Er hatte bronzene Schienen an den Beinen und zwischen seinen Schultern hing ein Sichelschwert aus Bronze. Der Schaft seines Speeres war (so dick) wie ein Weberbaum und die eiserne Speerspitze wog 600 Schekel. Sein Schildträger ging vor ihm her.

Die biblischen Philister waren Europäer. Wieder etwas aus der Kategorie „Wissenschaft kann begeistern“.

– Auch vom Reich der Mitanni sollte man gehört haben. IFLScience: „Drought Exposes 3,500-Year-Old Palace Belonging To The Mysterious Mittani Empire“. Lesenswert.

Tebrikler! Ama ne yazık ki çok geç!

Welt: „Türkisches Verfassungsgericht gibt Deniz Yücels Klage recht“.

„Deniz Yücel saß von Februar 2017 bis Februar 2018 ein Jahr lang ohne Anklageschrift in türkischer Untersuchungshaft. Das türkische Verfassungsgericht urteilte nun, dass die Verhaftung des WELT-Korrespondenten rechtswidrig war. Das Recht auf persönliche Sicherheit und Freiheit sowie das Recht auf Meinungsfreiheit sei verletzt worden.“

Miscellaneous und: Blowjob darf gesagt werden

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Zeichnerische Darstellung von Fellatio (Wikipedia, CC BY-SA 3.0)

Pornoanwalt: „Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23. Januar 2018 (1 StR 625/17): Das Landgericht hat durch die Verwendung weniger einzelner, ursprünglich aus der englischen Sprache stammender Begriffe (wie ‚Blow-Job‘ oder ‚Doggy-Style‘)… im Urteil nicht gegen § 184 GVG [‚Die Gerichtssprache ist deutsch.‘] verstoßen. Dabei kann offenbleiben, ob die genannten Begriffe nicht ohnehin bereits in die deutsche Sprache übernommen worden sind, worauf der Generalbundesanwalt hinweist.“

The Guardian: „Revealed: Trump team hired spy firm for ‘dirty ops’ on Iran arms deal. (…) Aides to Donald Trump, the US president, hired an Israeli private intelligence agency to orchestrate a “dirty ops” campaign against key individuals from the Obama administration who helped negotiate the Iran nuclear deal…“

Popcorn!

Die Welt: „Dem Anwalt von Deniz Yücel drohen zwei Jahre Haft. (…) Der Anwalt hatte am 25. Dezember 2015 in einem Interview mit der mittlerweile eingestellten Zeitung „Özgür Düsünce“ unter anderem erklärt, die türkische Justiz sei ‚durchgängig gleich gefärbt‘ und spreche ‚mit einer Stimme‘. (…) …. wurde das Verfahren gegen ihn laut Anklageschrift nach einer Beschwerde aus dem Büro von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan begonnen.“

Schon klar.

Telepolis: „Auswärtiges Amt: Kriegsmarketing statt Friedensdiplomatie? (…) Das deutsche Außenministerium will „kampagnenfähig“ werden und hat dazu vor kurzem mehrere PR-Experten und Journalisten eingestellt. Propaganda betreibe man aber nicht.“

Nein, man ist ja auch für das Ministerium für Wahrheit unterwegs.

Der Tagesspiegel: „Neuköllns Bürgermeister hält an Kopftuchverbot fest“.
Das ist auch gut so. Aber: „Die Grünen halten das Neutralitätsgesetz für verfassungswidrig, da es bestimmte Religionen diskriminiere. Die Linksfraktion hat noch keine gemeinsame Position gefunden.“

Ich fass es nicht. Kann mal jemand die Grünen abschaffen?

Die Chinesen haben einen Flughafen gebaut. Mehr in der South China Morning Post. Am BER sterben derweil sogar die Fische.

Es liegt an dir

Die Welt hat ein lesenswertes Interview mit Deniz Yücel: „Es liegt an dir, ob sie die Kontrolle über dich bekommen.“

Böhmer: Haben dich diese Erfahrungen im Kleinen auch im Großen stärker gemacht?
Yücel: Bestimmt.
Böhmer: Bleibt das?
Yücel: Das weiß ich nicht. Ich bin milder geworden. Auch gegenüber Redakteuren. Man lernt, dass man nicht über jede Zwischenüberschrift diskutieren muss.
Akrap: Dazu braucht es nicht unbedingt Knasterfahrung.
Yücel: Bei mir schon.

Für diese Attitude mochte ich ihn schon immer.

Zornige alte weiße Männer in unbeliebten Bademänteln

selfie

Grandioser und gut geschriebener Artikel von Hilmar Klute in der Zeit über den Kolumnisten Harald Martenstein: „Es sind aufgeregte Zeiten, in denen Männer nicht zu wissen glauben, was sie sagen dürfen“. Für mich stimmt das natürlich nicht, aber vielleicht ja für andere Männer. Mein Beileid.

„Anfang der Fünfzigerjahre geboren, Arbeiterhaushalt, Dosenravioli und keine Bücher im elterlichen Wohnzimmer. Da muss man nicht, aber da kann man natürlich Kommunist werden, in die DKP eintreten, das hat Martenstein gemacht.“ Alles stimmt bei mir auch, ausser natürlich das mit der DKP. Ich suchte damals etwas Radikaleres.

Harald Martenstein und Deniz Yücel sind für mich großartige Journalisten, so wie es sein müsste, die besten Schreiber, die Deutschland hat. (Das Foto oben zeigt natürlich nicht Martenstein, dessen Bademantel ist weiß.)

Doğum günün kutlu olsun!

Deniz Yücel

Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Deniz Yücel!

Miscellaneous

Henryk M. Broder schreibt über den Islamexperten Michael Lüders.

Correctiv.org hat die Ärzte befragt, die Geld von der Pharmaindustrie bekommen, aber nicht wollen, dass ihr Name genannt wird.

Deniz Yücel analysiert auf Welt online den Putschversuch in der Türkei. Das Beste, was ich bisher zum Thema las. Ähnlich auch David Blair im IndependentTelegraph: „You thought Erdogan was bad before? The worst of Turkey’s leader is yet to come“.

Lesebefehl für Telepolis: „Automatisch arbeitslos – Über die Folgen der Automatisierung und den Mythos der Vollbeschäftigung“. Der „Kommunismus“ kommt also durch die Hintertür – auf der Ebene der Produktivkräfte. Genau so, wie Marx es prophezeite. Nur müsste man die Produktionsverhältnisse noch ändern.

Im Lesemodus auf der verfickten Welt-Seite

Markus Maximilian (auf Fratzenbuch) über Deniz Yücels Artikel: „Sorry, so gern ich deine Artikel lesen würde, es wird einem leider unmöglich gemacht durch 37 von selbst startende Videos auf dieser verfickten Welt-Seite“.

Das Problem habe ich natürlich nicht, und die wohlwollenden Stammleserinnen und geneigten Stammleser wissen auch warum. Mir fiel aber auf, dass bei Firefox der „Lesemodus“ auch nur funktioniert, wenn man Javascript eingeschaltet hat – obwohl das Feature angezeigt wird?! Oder liegt das daran, dass ich noch nicht die Beta-Version benutze?

Böhm…äh…wer?

Alle haben schon etwas zu Böhmermann gesagt, nur ich nicht. Das geht ja gar nicht.

Deniz Yücel verweist auf die taz: „A wie Aufmerksamkeit: ist alles, was Böhmermann will. Alle anderen, die sich zu Böhmermann äußern, tun das nur, weil das, was sie sagen, wichtig ist.“ Doris Akrap mit einem wunderbaren ABC. Bei „Z wie Ziegenficker“ habe ich etwas gelernt: Die werden in der Türkei (bislang) strafrechtlich verfolgt, in Deutschland nicht.“

Dann gibt es noch Kai Dieckmann. Ich find’s grandios.

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