Bitte jetzt schnell ein Ehegatt[Stimmritzenverschlusslaut]*_Inneninsidergeschäft!

leben großstadt
Die Schönheit des Lebens in der Großstadt im Deutschland des 21. Jahrhunderts (Symbolbild)

In Tübingen braucht man keinen Lockdown. „… in Tübingen können die Menschen wieder fast so zusammenkommen wie vor der Corona-Pandemie. Kino, Besuche im Restaurant, Einkaufsbummel in der Innenstadt, alles möglich mit einem Tagespass nach einem Corona-Test.“

Boris Palmer ist dort Bürgermeister (das ist der, den die Glottisschlag-Fraktion der Grün[Stimmritzenverschlusslaut]:*_Innen am liebsten aus der Partei werfen will). Die Notärztin Lisa Federle organisiert das Ganze.

Das konnte anderswo auch funktionieren, wenn es genug Schnelltests gäbe. Gibt es aber nicht. Wir haben bekanntlich ein profit- und marktorientiertes Gesundheitssystem. Vielleicht kann der Ehemann des Gesundheitsministers kurzfristig aushelfen?

image_pdfimage_print

Qusqu

cusco panoramic view

Cusco, Peru, mit Blick auf den Plaza de Armas, aufgenommen im Juli 1984 von Sacsayhuaman (ungefähr von hier aus).

image_pdfimage_print

Alle Macht der proletarischen Schwarmintelligenz

kronstadt

Kronstadt – was fällt den Nachgeborenen dazu ein? Ich will nicht jammern, aber Kronstadt muss man kennen, weil die Frage, die die Aufständischen 1921 aufgeworfen haben, immer noch ungelöst ist. Alle Macht den Räten oder der Partei oder noch was anderes?

Klaus Gietinger schreibt: Vor 76 Jahren am 16. März 1921 griffen 50000 Rotarmisten unter General Tuchatschewski die Festung Kronstadt an, in der sich 14000 Matrosen verschanzt und zweieinhalb Wochen lang, zusammen mit der Zivilbevölkerung der Stadt, die „Dritte Revolution“ gelebt und verkündet hatten. Es waren jene Matrosen, die von Trotzki einmal als „Schönheit und Stolz der Oktoberrevolution“ gepriesen worden waren. weil sie über drei Jahre zuvor den Bolschewiki zum Sieg verholfen hatten.

Kronstadt gab einem Aufstand den Namen, der den Niedergang der Oktoberrevolution symbolisiert, wie kein anderer. Kronstadt ist der point of no return der russischen Revolution. Danach war die Sache praktisch gelaufen.

Ich suchte in meiner winzigen Bibliothek und fand nur ein Buch zum Thema: „Die revolutionären Aktionen der russischen Arbeiter und Bauern. Die Kommune von Kronstadt“. Vermutlich sind auch die Namen der Verfasser heute nicht jedem geläufig: Johannes Agnoli, großbürgerlicher Herkunft, Faschist, dann Sozialdemokrat [sic], dann einer der Vordenker der APO und des SDS, also der Studentenbewegung der 68-er. Von ihm muss man sich vermutlich den Satz merken: „Der Weg zur Emanzipation kann nicht mit Leichen gepflastert werden“. Cajo Brendel, niederländischer Rätekommunist. Ida Mett, russische Anarchistin und Kommunistin. Alle sind schon tot.

Ich schrieb am 24.11.2017 über das lesenswerte Standardwerk Bini Adamczaks Der schönste Tag im Leben des Alexander Berkman über die russische Revolution, wie sie hätte sein können und sollen: „Ich sehe mich durch die Lektüre bestätigt, das nicht nur mit dem Tod Lenins und der Machtübernahme Stalins die Konterrevolution in der Sowjetunion begann, sondern dass schon viel früher so viele entscheidende Fehler gemacht wurden, dass die Sache verloren war. Die Frage ist nur, ob diese “Sache” unter den damals gegebenen Umständen überhaupt eine ernsthafte Chance hatte.“

kronstadt

Das Kleinbürgertum weiß nicht genau, was es will, und kann es auch, seiner Stellung nach, nicht wissen. Deshalb auch deckte es die Verwirrung seiner Wünsche und Hoffnungen so bereitwillig mit den verschiedensten Flaggen zu – die der Anarchisten, der Sozialrevolutionäre, oder einfach der „Grünen“. (Leo Trotzki, 1938)

Lenin und Trotzki haben, das weiß man heute, über den Aufstand in Kronstadt gelogen und die Fakten verdreht, dass die Balken sich nicht nur bogen, sondern krachten. In der DDR wurde auch alles totgeschwiegen oder nur nachgeplappert, was die stalinistische Parteilinie zum Thema vorgab.

Einige Thesen des Buches (es ist eine Sammlung von Artikeln):
– Wer die russische Revolution als sozialistische Revolution ansehe, müsse den Kronstädter Aufstand als konterrevolutionär beurteilen. Wer aber die Kronstädter für Revolutionäre halte, könne den späteren sowjetischen „Sozialismus“ nicht mehr als solchen sehen.
– Die russische Revolution sei in Wahrheit eine bürgerliche Revolution gewesen, nur ohne ein relevantes Bürgertum oder sogar gegen die Bourgeoisie. Ein organisiertes und kämpfendes Proletariat habe es nicht gegeben.
– Was sich auf russischem Boden als „Marxismus“ entwickelte, sei in Wirklichkeit „dem jakobinischen Radikalismus eines Auguste Blanqui“ viel näher als den Auffassungen von Marx und Engels.
– Nicht die Arbeiterklasse verfügte nach der Revolution über die Produktionsmittel, sondern der Staat, also die Partei. [Das wird heute niemand bestreiten]

Die Fragen wurde genau so in der chinesischen Kulturrevolution gestellt und wird auch heute in China unter den Tisch gekehrt: Gibt es Klassenkampf und eine herrschende Klasse in einer Gesellschaft, die sich als sozialistisch versteht? Und wie gehen die Linken damit um?

Noch einmal Klaus Gietinger: Dem Einwand, gegen einen von allen Seiten einfallenden Feind hilft keine demokratisch organisierte Armee. kann man mit Rudi Dutschke antworten, daß „eine solche Situation gerade für Milizen und Partisanenkampf geeignet“ ist. Das kann man als naiv ansehen oder einfach als zynisch. So einfach kann man es sich nicht machen. Lieber auf die Macht verzichten und in den Untergrund gehen und die Bevölkerung den Faschisten überlassen?

Ich weiß es nicht. Ich muss mal jemanden fragen. Bini Adamzcak vielleicht.

kronstadt

image_pdfimage_print

Leute in den Zeiten der Corona

t'Pol

Immer eine gute mentale Richtschnur, um durch die Corona-Zeiten zu kommen.

image_pdfimage_print

TKÜ, ick hör dir nicht trapsen

Gerade schrob schrieb ich in einer Arbeitspause in den asozialen Medien: Wer „Ungleichheit“ bekämpfen, aber den Kapitalismus erhalten will, leidet an politischer Schizophrenie und hat schwer einen an der Waffel. #Grüne

Jetzt lese ich bei Fefe ein Zitat aus dem Wahlprogramm der neuen Bourgeoisie-Freundglottisschlaginnen: „…wollen wir es der Polizei ermöglichen, technische Geräte anhand einer rechtsstaatlich ausgestalteten Quellen-TKÜ zielgerichtet zu infiltrieren.“

Die haben ja noch mehr einen an der Waffel, als ich dachte. Vielleicht sollten sich mal die Wählerglottisschlaginnen trauen, mit mir eine Videokonferenz zu machen, mit Zuschauern natürlich – aus dem hiesigen Publikum, und sich für den hanebüchenen Quatsch rechtfertigen, den die ständig verzapfen? Aber vermutlich wählt die hier niemand, die habe ich schon alle vergrault…

image_pdfimage_print

Die Macht der Wokeness

Ganz wunderbarer Artikel vom Bernd Stegemann, leider hinter der Paywall der „Welt“ (die ich abonniert habe):

„Warum sind die Linken nicht mehr links? Diese Frage stellt sich mir schmerzhaft, schaue ich auf die erhitzten Debatten dieser Tage. Greift man beispielsweise zur linken Tageszeitung „taz“, so findet man einen Artikel über das Interview von Meghan Markle und Prinz Harry.

Eigentlich wäre das eine Steilvorlage für jeden Journalisten, der die kalkulierte Inszenierung und ihre materiellen Interessen enttarnen möchte. Als Pointe könnte man leicht herausfinden, wie ein royales Ehepaar nach Hollywood zieht und sich dort als Opfer inszeniert, um das Geschäft mit der eigenen Berühmtheit anzukurbeln.
Doch die „taz“ will nichts von diesem Marketingcoup erkennen und feiert stattdessen Prinzessin Markle als Stimme aller diskriminierten Minderheiten. Es schmerzt zu lesen, wie eine linke Zeitung blind ist für kommerzielle Interessen und wie sie den Trick nicht durchschaut, sich als Opfer zu feiern, um den Marktwert zu steigern. Im Pisa-Test „dialektisches Denken“ würde die „taz“ inzwischen auf den hinteren Plätzen landen. (…)

Woke Linke vertreten nicht mehr die Interessen der Beschäftigten, sondern die Interessen eines akademischen Milieus. Ihre Enteignung ist besonders raffiniert, weil sie dabei unter den Mantel linker Politik schlüpfen und alle nicht woken Genossen herausdrängen. (…)

Die woke Linke macht hingegen die persönliche Sensibilität zum Maßstab. Sie schaut mit einem moralischen Blick auf die Verhältnisse, und ihre wichtigste Waffe ist die Empörung. (…)

Die erfolgreichste Machtpolitik besteht schon immer darin, die eigenen Privilegien zu verteidigen, indem man sich selbst zum Opfer und zum guten Menschen macht. Die Wokeness erfüllt genau diese Funktion. (…)

Die Macht der Empörung liegt darin, dass sie unbesiegbar macht. Das Argument kann noch so gut sein, die Empörung münzt es zu einem Angriff auf das eigene Gefühl um. Und schon ist man wieder verletzt und kann mit noch mehr Empörung reagieren. Empörung ist eine Waffe, mit der man zum Opfer wird, das immer Sieger bleibt.“

image_pdfimage_print

Igel, Katzen und Mangen

wolfram von Eschenbach

…ez waere tal ode berc,
alumbe an allen sîten
er wolt die stat erstrîten.
drîboc und mangen,
ebenhoeh ûf siulen langen,
igel, katzen, pfetraere,
swie vil ieslîches waere
ûf Gyburge schaden geworht,
daz het si doch ze mâze ervorht.

(Wolfram von Eschenbach: Willehalm, vor 1226, erste Erwähnung des Belagerungsgerätes Tribok/Blide (drîboc) (die Passage vorgelesen.)

Nominiere die wichtigsten drei Dichter in deutscher Sprache: Wolfram von Eschenbach, Thomas Mann und Bertolt Brecht.

image_pdfimage_print

Straße der Pariser Kommune

Straße der Pariser Kommune

Aus der Rubrik „nützliches Wissen“: Die „Straße der Pariser Kommune“ in Berlin wurde 1991 nur deshalb nicht umbenannt, weil der französische Botschafter intervenierte. Die Herrschenden in Deutschland fürchten also immer noch, dass sich das Volk an solche Ereignisse erinnern könnte.

image_pdfimage_print

Poliorketik und Haptik

trébuchet

Ich erforsche, wie dem Publikum bekannt, gerade u.a. die Geschichte der Kurbel im Frühfeudalismus. Mit Kurbeln ist es wie mit Frauen: In der Theorie ist alles blass, was zählt, ist das Haptische. Ich werde also ein Modell der Blide (frz. Trébuchet) Leonardo da Vincis kurz zusammenbauen, um die Physik zu kapieren.

Das ist wie ein Selbstversuch: Welche intellektuellen Fähigkeiten benötigt man, um das Prinzip nachzuvollziehen bzw. – was viel interessanter zu beantworten ist – was fehlt einem, wenn man das nicht versteht? Auf welchen kulturellen Vorleistungen basiert das eigene technische Wissen, vor allem beim Gegengewicht, und wie werden bzw. wurden die tradiert? Ceterum censeo: Warum ist das den alten Römern nicht eingefallen?

image_pdfimage_print

Unverzüglich

scifi
Vielleicht das Innere eines Microsoft-Rechners (Symbolbild)

Heise: „Der Landesbeauftragte für Datenschutz in MV und der dortige Rechnungshof fordern von der Landesregierung, ab sofort keine Microsoft-Produkte mehr zu verwenden.“

Man weiß natürlich, wie das ausgeht („dem Land fehlt seit Jahren eine IT-Strategie“), aber die Kommentare sind unterhaltsam.

image_pdfimage_print

Buntscheckig [Update]

Ein Theil der Bourgeoisie wünscht den socialen Mißständen abzuhelfen, um den Bestand der bürgerlichen Gesellschaft zu sichern. Es gehören hierher, Oekonomisten, Philantropen, Humanitäre, Verbesserer der Lage der arbeitenden Klassen, Wohlthätigkeits-Organisirer, Abschaffer der Thierquälerei, Mäßigkeits-Vereinsstifter, Winkelreformer der buntscheckigsten Art. Und auch zu ganzen Systemen ist dieser Bourgeois-Socialismus ausgearbeitet worden.

[Update] Ich habe gerade nachgeschaut, wer sich hinter diesen Preudoradikalen verbirgt; offenbar mehrheitlich Ex-Grünglottisschlaginnen. Warum gehen die eigentlich nicht zu Jutta Ditfurth? Vermutlich können sie das Wort „antikapitalistisch“ nicht leiden, das die „Ökologische Linke“ immerhin auf ihre nicht vorhandenen Fahnen geschrieben hat.

image_pdfimage_print

Diversere Wohnviertel

Als advocatus diaboli sage ich: Dänemark fördert die Vielfalt und setzt sich für diversere Wohnviertel ein. Manche meinen, lechtsidentitär und rinksidentitär kann man nicht velwechsern, werch ein illtum. (Ernst Jandl)

image_pdfimage_print

Trierer Apokalypse und der blassrosa Satan

Trierer Apokalypse
Trierer Apokalypse – erste Darstellung eines Kummets

In godes minna ind in thes christânes folches ind unsêr bêdhero gehaltnissî, fon thesemo dage frammordes, sô fram sô mir got geuuizci indi mahd furgibit, sô haldih thesan mînan bruodher, sôso man mit rehtu sînan bruodher scal, in thiu thaz er mig sô sama duo, indi mit Ludheren in nohheiniu thing ne gegango, the mînan uuillon imo ce scadhen uuerdhên. (Altfränkisch bzw. Althochdeutsch, Straßburger Eide, 14. Februar 842, also ein oder zwei Jahrzehnte nach der Trierer Apokalypse)

Ich muss noch etwas zwischenschieben – „Agrarisch und revolutionär (II)“ folgt alsbald.

Das kam so: Ich wollte Mitterauers „Warum Europa? Mittelalterliche Grundlagen eines Sonderwegs“ weiterlesen, stockte aber, weil mir unangenehm auffiel, dass ich das Standardwerk Lynn WhitesMedieval Technology and Social Change“ über die Entwicklung der Produktivkräfte gar nicht kannte. [Triggerwarnung: Der folgende Satz hat sehr viele Wörter!] Seine zentrale These gilt zwar als widerlegt, aber seine Quellensammlung zur Geschichte der Technik sind immer noch die Basis, um die Frage zu beantworten, was eigentlich zwischen dem Untergang des Römischen Reiches und dem Hochfeudalismus geschah, ob man überhaupt von einem „Untergang“ reden sollte, und ob der Feudalismus – also das, was wir hinreichend definieren und einschätzen wollen, wie und warum ein revolutionärer (?!) Fortschritt war und ob die mitteleuropäische Geschichte, die am schnellsten zur Industriellen Revolution und zum Kapitalismus führte, eben, wie Mitterauer fragt, ein „Sonderfall“, also eine Ausnahme ist, oder ob es weltweit ähnlich abläuft, nur mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. Ich hatte schon leise vor mich hinmurmelnd vermutet, dass, da es in China immerhin bis zum Staatskapitalismus und einer sich „kommunistisch“ nennenden Partei langte, in Europa nichts dergleichen zu beobachten ist, die asiatische Produktionsweise der asiatische Weg eher derjenige sein könnte, der der in die ferne Zukunft weisende kommunistischen Utopie immerhin näher kommt als alles andere.

Bei der Lektüre von Medieval Technology and Social Change (in deutsch) musste ich dann aus purer Neugier einige der extrem exotischen Quellen nachprüfen. Daher jetzt also die karolingische Trierer Apokalypse aus dem ersten Viertel des 9. Jahrhunderts, die überraschenderweise einige Fragen zur Kontinuität zwischen der Antike und dem frühen Feudalismus ein wenig beantwortet.

Trierer Apokalypse
Trierer Apokalypse – Darstellung fränkischer Krieger mit den typischen Wadenbinden

Auch der Stil der Bilder des Kodex weist in die Zeit [nach 804]. Die Zeichnung der jugendlich runden, unbärtigen Gesichter, die noch relativ differenzierte Gewanddrapierung, das Bemühen um getreue Wiedergabe kontrapostischer Stellungen und Bewegungen, die Andeutung von Schmerz und Leid im Gesichtsausdruck, all dies kommt der mutmaßlichen spätantiken Vorlage so unvermittelt nahe, wie es vor allem in der frühkarolingischen Buchmalerei anzutreffen ist. (Kommentar von Peter K. Klein in der Faksimile-Ausgabe)

Die Trierer Apokalypse ist neben der Valenciennes Apokalypse der älteste Zyklus zum Thema überhaupt. Sie fußt auf einer wesentlich älteren Vorlage. Die Wissenschaft kann anhand vieler Details aber feststellen, was das Original imitiert und was von den karolingischen Mönchen zugefügt wurde und was definitiv nicht spätantik ist. (Ich finde das spannend, aber im Buch nimmt das mehrere Seiten in Anspruch.) Zum Beispiel halten die Personen (Schrift)Rollen in den Händen und keine Bücher. Die Heiligen sind bartlos. Gott auf dem Thron sitzt auf einem Globus ohne Clipeus, war seit dem 4. Jahrhundert in der Kunst bekannt ist. Die Pferde sind ohne Steigbügel, obwohl die zur Zeit Karl des Großen allmählich bekannt und übernommen wurden. Die Frisuren der Frauen sind noch antik.

So weisen der Satan und böse Dämonen eine blaßrosa oder blaugraue Färbung auf, so wie man sie sich in der Spätantike vorstellte. Der Drache (…) erscheint als antike Flügelschlange, besitzt also noch nicht die Reptiliengestalt der früh- und hochmittelalterlichen Darstellungen. (SCNR)

Der Hetoimasia, der Thron Christi, stammt aus dem „heidnisch-antiken Hofzeremoniell“ und wurde seit dem Ende des 4. Jahrhunderts durch apokalyptische Motive (vier Wesen, Siegel-rolle, Lamm) eschatologisch umgedeutet.

Merke: Man nimmt etwas, was ursprünglich etwas ganz anderes bedeutet, und interpretiert das einfach um. Robert Ranke-Graves argumentiert in „Die Weiße Göttin“, dass das Christentum nur ein Abklatsch oder eine umgestaltete Version des römischen Mithras-Kultes gewesen sei.

Wir wissen jetzt so viel, dass wir wissen, dass wir gar nichts wissen. Natürlich ist das Pferdegeschirr am interessantesten. Wieder die Frage: Warum ist das den Römern nicht eingefallen? Lynn White schreibt, es stehe fest, dass das „Altertum die Pferde in einzigartig ungeschickter Form angeschirrt hat.“ Man nahm das Jochgeschirr der Ochsen und legte dem Pferd zwei Stränge um Brust und Hals. „Sobald das Pferd anzog, drückten die Stränge auf Schlagader und Luftröhre, so daß die Atmung und die Blutzufuhr zum Kopfe gedrosselt wurde.“

Das in der Trierer Apokalypse abgebildete Kummet beweist an diesem Beispiel, dass der Frühfeudalismus gegenüber den antiken Techniken revolutionär war: Die Arbeitsleistung eines Pferdes ist, trotz gleicher Zugkraft wie die des Ochsen, um 50 Prozent größer. Vom englischen König Alfred dem Großen, der dem Publikum vermutlich aus dem Ragnar-Lothbrok-Zyklus bekannt ist, wird berichtet, er sei erstaunt gewesen, dass (Ende des 9. Jahrhunderts) in Norwegen Pferde zum Pflügen benutzt wurden.

Wenn an also vom „Untergang“ des römischen Reiches spricht, bezieht man sich auf die politisch und ökonomische Sphäre. Ob das so negativ war, ist strittig. Der Feudalismus war so fortschrittlich, dass er nach der Jahrtausendwende eine Bevölkerungsexplosion nach sich zog, aber nördlich der Alpen. Der Süden wurde abgehängt, würde man heute in den Medien sagen.

Trierer Apokalypse
Trierer Apokalypse: In der ersten Zeile eine lateinische Geheimschrift – die Vokale werden durch die ihnen im Alphabet folgenden Konsonanten ersetzt. Danach ein Zusatz aus dem 15. Jahrhundert „apocaylsis cum pictoris“. Darunter 19 Zeilen Minuskel aus dem frühen 12. Jahrhundert – (Erläuterung Richard Laufners in der Faksimile-Ausgabe)

_________________________________________

Bisher zum Thema Feudalismus erschienen:
– Reaktionäre Schichttorte (31.01.2015) – über die scheinbare Natur und die Klasse
– Feudal oder nicht feudal? tl;dr, (05.05.2019) – über den Begriff Feudalismus (Fotos: Quedlinburg)
– Helidos, ubar hringa, do sie to dero hiltiu ritun (08.05.2019) – über die Funktion der verdinglichten Herrschaft in oralen Gesellschaften (Quedlinburger Domschatz I)
– Tria eburnea scrinia com reiquis sanctorum (09.05.2019) – über Gewalt und Konsum der herrschenden Feudalklasse als erkenntnistheoretische Schranke (Quedlinburger Domschatz II)
– Die wâren steine tiure lâgen drûf tunkel unde lieht (10.05.2019) – über die Entwicklung des Feudalismus in Deutschland und Polen (Quedlinburger Domschatz III)
– Authentische Heinrichsfeiern (13.05.2019) – über die nationalsozialistische Märchenstunde zum Feudalismus (in Quedlinburg)
– Der Zwang zum Hauen und Stechen oder: Seigneural Privileges (15.06.2019)
– Yasuke, Daimos und Samurai [I] (24.07.2019)
– Yasuke, Daimos und Samurai [II] (03.05.2020)
– Agrarisch und revolutionär (I) (21.02.2021)
– Trierer Apokalypse und der blassrose Satan (17.03.2021)
– Energie, Masse und Kraft (04.04.2021)
– Agrarisch und revolutionär II (15.05.2021)
– Gladius cum quo fuerunt decollati patroni nostri (Essener Domschatz I) (28.10.2021)
– Magische koloniebildende Nesseltiere mit kappadokischem Arm und Hand (Essener Domschatz II) (14.11.2021)
– Ida, Otto, Mathilde und Theophanu, kreuzweise (Essener Domschatz III) (27.11.2021)
– Hypapante, Pelikane und Siebenschläfer (Essener Domschatz IV) (17.12.2021)
– Pantokrator in der Mandorla, Frauen, die ihm huldigen und die Villikation (Essener Domschatz V) (23.12.21)
– Jenseits des Oxus (09.01.2022)
– Blut, Nägel und geküsste Tafeln, schmuckschließend (Essener Domschatz VI) (18.04.2022)
– Missing Link oder: Franziska und kleine Könige (28.05.2022)
– Die Riesen von Gobero (Die Kinder des Prometheus Teil I) (18.07.2022)
– Die Liebhaber von Sumpa, Ackergäule und Verhüttung (Die Kinder des Prometheus Teil II) (25.07.2022)

Zum Thema Sklavenhaltergesellschaft:
Doppeldenk oder: Die politische Macht kommt aus den Legionen [Teil I]) 05.11.2020)

Doppeldenk oder: Die politische Macht kommt aus den Legionen [Teil II]) 27.12.2020)

image_pdfimage_print

#metoogegengendern

Falls jemand noch mehr Argumente braucht zum beliebten Thema: Die ARD-Reporterin Julia Ruhs twitterte: „Gendern ist kein natürlicher Sprachwandel, sondern vollkommen künstlich“. Auf meedia.de gibt es mehr: „Viele junge Frauen sind gegen das Gendern“.

„Für viele Bekannte von mir ist es eh schwer nachvollziehbar, weshalb sich die Welt mit solch nebensächlichen Themen wie dem Gendern befasst. Das zeigt mir immer wieder, in welcher akademischen Blase sich diese Debatte abspielt und wie schnell diese Diskussion bei einem Großteil der Leute auf komplette Verständnislosigkeit stößt.“

Es scheint also auch eine Frage der Zivilcourage zu sein, sich gegen den nur gefühlten Mainstream zu stemmen. Nützt aber alles nichts – es geht hier um Esoterik, und die ist gegen rationale Argumente immun.

image_pdfimage_print

Mit Videos influencen [Update]

burks

Ich aber beschloss nun, Influencer zu werden. Zuvörderst wollte ich lernen, wie man mit Linux Videos macht zusammenschnippelt. Ich sehe das bei Leuten, die zum Beispiel Schachpartien kommentieren – sie sind in einem kleinen Feld zu sehen und das Schachbrett in einem anderen (gut, die benutzen vermutlich Windows). Oder wie macht Liv Boeree das? Wie also bekommt man womit in ein normales Video noch etwas hinein? Ich weiß noch nicht einmal, wie man Filmsequenzen zusammensetzt (vermutlich muss ich irgendein Handbuch lesen oder gar viele).

Welche Software ist unter Linux empfehlenswert? VLC? Meine Webcam bediene ich mit Cheese.

[Update] Der Schockwellenreiter hat allerhand dazu geschrieben, mitsamt Links zu Software und Tutorials.

image_pdfimage_print

Schwampel oder: Wahl, wahler, am wahlsten

politische Farbenlehre

Die aktuellen Landtagswahlen bitte ich aus der Perspektive des Jahres 2052 zu sehen (wenn ich meinen ersten dreistelligen Geburtstag feiere). Das ist so, als versuchten wir heute die Landtagswahl in Lippe einzuschätzen, wer wichtig war und wer nicht und wozu das alles führt.

Die „Grünen“ sind also die Partei der modernen Bourgeoisie, also die neuen Konservativen. Die „Linke“ ist am Gesäß, aber will das nicht wahrhaben und auch keine Konsequenzen ziehen („viel Arbeit liegt vor uns“ – was für ein entsetzliches Gefasel…).

image_pdfimage_print

Die Quadratur des politischen Kreises

diego rivera

Mexico-Stadt – Palacio de Bellas Artes: Wandgemälde „Der Mensch am Scheideweg“ (1934, gemeinfrei) von Diego Rivera. Ein großartiger Künstler! Warum habe ich damals, als ich mehrfach in Mexiko war, seine Bilder nicht angeschaut?

Interessanter Artikel, der aber die Quadratur des Kreises verlangt: „Arbeiter nicht gegen Frauen und Migranten ausspielen“. Restriktive Migration und eine Absage an Identitätspolitik werden die Sozialdemokratie nicht retten, meint Tarik Abou-Chadi von der Uni Zürich. Ich sehe das Problem, das er anspricht, aber teile seine Meinung nicht.

image_pdfimage_print

Edificio desconocido [Update]

edificio la paz

Fotografiert 1984 in der Neustadt von La Paz, Bolivien. Da ich mehrfach in der größten Stadt des Andenstaates (so schreiben Journalisten, um Wortwiederholungen zu vermeiden, ein Wort zu wiederholen) war, weiß ich auch nicht mehr, in welchem Monat. Noch schlimmer: Ich habe keine Ahnung, wo das sein könnte, bin mir sogar nicht absolut sicher, ob es nicht seitenverkehrt ist (ich habe den Verkehr angeschaut und beschlossen, dass es so vermutlich richtig ist). Ich bin mit Google Earth eine Weile hin und hergesurft, habe mir zahlreiche Fotos von Hochhäusern angesehen und auch die Liste höchster Gebäude – ohne Ergebnis. Der Plaza del Estudiante ist es nicht, das Denkmal oder der Springbrunnen sieht anders aus. Die Kirche könnte ein Hinweis sein, aber die habe ich auch nicht gefunden.

[Update] Die geschätzte Leserschaft in Gestalt des Users Tobi ist unwahrscheinlich schnell, allwissend und überhaupt. Ich stand damals also auf der Avenida 16 de Julio am Puente de Agua – Paseo del Prado und blickte nach Süden zum Gebäude der Banco BISA. Dann haben sie das kirchenähnliche alte Gebäude abgerissen.

Die reaktionäre Putsch-Präsidentin Jeanine Áñez wurde festgenommen. Richtig so! Einsperren, das Pack!

Übrigens und nicht vergessen: Es geht unter anderem um Lithium.

image_pdfimage_print

Nicht ohne meine Weste

room

Das bin ich bei der Konfirmation meiner Schwester. Die rauchende Dame ist eine meiner Tanten. Es muss im Mai 1973 gewesen sein. Ja, auf meine Frisur bin ich nicht stolz, und es war wohl schon zur fortgerückten Stunde, und die Feier war ebenso fortgeschritten…

image_pdfimage_print

25 qm

roomroomroomroom

Immer wieder Lifestyle-Themen hier… Ich lese gerade entsetzt in der Printausgabe des ehemaligen Nachrichtenmagazins, dass die Soziologin Christine Hannemann meint, mehr als 25 Quadratmeter brauche man eigentlich nicht zum Wohnen.

Mit ist natürlich klar, dass ich extrem privilegiert bin. Woanders ist es anders. Ich mag aber kein miniwohnen (schönes Verb!). Allein meine Bücher und meine Blumen brauchen schon 25 Quadratmeter. Soll ich die etwa abschaffen, vergesellschaften oder digitalisieren? Und wo soll ich dann schlafen? In der Hängematte? Da müsste ich aber bis zur kompletten Erderwärmung warten, inklusive Palmen vor dem Balkon.

Ich lebe nicht so luxuriös wie ein bekannter kleinbürgerlicher Couponschneider (mit Verlaub: „großbürgerlich“ ist eine ökonomische Kategorie – der Besitz von Produktionsmitteln, und zwar nicht nur einem – und kein Lebensgefühl), und auch meine Teller sind nur auf den ersten Blick phänotypisch den seinen vergleichbar, aber zwei Bäder und Balkon – obzwar winzig – und rund 100 bezahlbare und helle Altbau-Quadratmeter (inklusive Gästezimmer) mitten in Rixdorf aka Berlin-Neukölln sind schon fast so edel wie eine Villa am Tegernsee.

Liebe Frau Hannemann, auch nach der Revolution bestehe ich auf mindestens 80 Quadratmetern. Ein Garten wäre auch nicht schlecht.

image_pdfimage_print
image_pdfimage_print

← Next entriesOlder entries