Die Macht der Wokeness

Ganz wunderbarer Artikel vom Bernd Stegemann, leider hinter der Paywall der „Welt“ (die ich abonniert habe):

„Warum sind die Linken nicht mehr links? Diese Frage stellt sich mir schmerzhaft, schaue ich auf die erhitzten Debatten dieser Tage. Greift man beispielsweise zur linken Tageszeitung „taz“, so findet man einen Artikel über das Interview von Meghan Markle und Prinz Harry.

Eigentlich wäre das eine Steilvorlage für jeden Journalisten, der die kalkulierte Inszenierung und ihre materiellen Interessen enttarnen möchte. Als Pointe könnte man leicht herausfinden, wie ein royales Ehepaar nach Hollywood zieht und sich dort als Opfer inszeniert, um das Geschäft mit der eigenen Berühmtheit anzukurbeln.
Doch die „taz“ will nichts von diesem Marketingcoup erkennen und feiert stattdessen Prinzessin Markle als Stimme aller diskriminierten Minderheiten. Es schmerzt zu lesen, wie eine linke Zeitung blind ist für kommerzielle Interessen und wie sie den Trick nicht durchschaut, sich als Opfer zu feiern, um den Marktwert zu steigern. Im Pisa-Test „dialektisches Denken“ würde die „taz“ inzwischen auf den hinteren Plätzen landen. (…)

Woke Linke vertreten nicht mehr die Interessen der Beschäftigten, sondern die Interessen eines akademischen Milieus. Ihre Enteignung ist besonders raffiniert, weil sie dabei unter den Mantel linker Politik schlüpfen und alle nicht woken Genossen herausdrängen. (…)

Die woke Linke macht hingegen die persönliche Sensibilität zum Maßstab. Sie schaut mit einem moralischen Blick auf die Verhältnisse, und ihre wichtigste Waffe ist die Empörung. (…)

Die erfolgreichste Machtpolitik besteht schon immer darin, die eigenen Privilegien zu verteidigen, indem man sich selbst zum Opfer und zum guten Menschen macht. Die Wokeness erfüllt genau diese Funktion. (…)

Die Macht der Empörung liegt darin, dass sie unbesiegbar macht. Das Argument kann noch so gut sein, die Empörung münzt es zu einem Angriff auf das eigene Gefühl um. Und schon ist man wieder verletzt und kann mit noch mehr Empörung reagieren. Empörung ist eine Waffe, mit der man zum Opfer wird, das immer Sieger bleibt.“

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Kommentare

15 Kommentare zu “Die Macht der Wokeness”

  1. ... der Trittbrettschreiber am März 19th, 2021 7:01 pm

    Die Taz war doch schon immer ziemlich innerblaslich weltfremd. Sie war (und ist?) der Schmuddelsandkasten der pseudofeministisch heuchelnden Hausbesetzermachokultur, die sich damit rühmt, dem raktionären Mainstream zum Trotz, etwas demokratisch Wichtiges konzipiert zu haben – einen für den solipsistischen Eigenbedarf weitestgehend nach softanarchistischen Grundsätzen strukturierten Wohn- und Lebensraum. Dazu trägt man zum Lackschuh pervertierte Dr. Martens Boots und hört Taz lesend Regae in Technoverklärung unter verächtlichem Side-View auf alles rappige – irgendwie sympathisch, finde ich.

  2. Godwin am März 19th, 2021 11:57 pm

    >>Linke vertreten nicht mehr die Interessen der Beschäftigten<>Ihre Enteignung ist besonders raffiniert, weil sie dabei unter den Mantel linker Politik schlüpfen<>Empörung ist eine Waffe, mit der man zum Opfer wird, das immer Sieger bleibt<<

    tja ja – stellt sich die Frage, welche (materiellen) Voraussetzungen diese "Opfer-Ökonomie“ erst ermöglichte?

    Es handelt sich hier um eine besonder „linke Masche.
    Wo früher die Verlierer das Bier oder gar Reparationen zahlen mussten, ist es seit ’45 möglich, mittels Link-Text
    Viktimisierung Kohle einzuklagen…

    Das führt natürlich zu
    inflationärem Gebrauch

    schlussendlich hat Carolin Kebekus recht…

  3. Godwin am März 19th, 2021 11:58 pm

    „Linke vertreten nicht mehr die Interessen der Beschäftigten“

    Die vertreten genau genommen überhaupt niemandens Interessen, sondern nur eine (unausgegorene) Idee, (Heils-) Lehre, …, irgendwie sowas
    Steht im Partei-Programm, muss umgesetzt werden.
    Hatte schon seine Gründe, warum Ramelow ohne die geworben hat…

    „Ihre Enteignung ist besonders raffiniert, weil sie dabei unter den Mantel linker Politik schlüpfen“

    ääähm – hä??

    „Empörung ist eine Waffe, mit der man zum Opfer wird, das immer Sieger bleibt“

    tja ja – stellt sich die Frage, welche (materiellen) Voraussetzungen diese „Opfer-Ökonomie“ erst ermöglichte?

    Es handelt sich hier um eine besonder „linke Masche.
    Wo früher die Verlierer das Bier oder gar Reparationen zahlen mussten, ist es seit ’45 möglich, mittels Link-Text
    Viktimisierung Kohle einzuklagen…

    Das führt natürlich zu
    inflationärem Gebrauch

    schlussendlich hat Carolin Kebekus recht…

  4. Wolf-Dieter Busch am März 20th, 2021 7:34 am

    Ein Kennzeichen der „Linken“ ist Vertretung von Interessen von Gruppen, denen sie selbst nicht angehören.

    In den 60-70ern „kämpften“ sie für ein Proletariat, das aber von ihnen nichts wissen wollte. Aus Ideologieschulung in jener Zeit stammt übrigens mein Grundlagenwissen über Marxʼ Kritik der bürgerlichen Ökonomie (das ich nicht missen will).

    Danach kam Schwarzers Feminismus-Bewegung, die im Effekt nicht für die Frau oder gegen das Patriarchat kämpft, sondern gegen die Institution Familie. Von der die Frauen nichts wissen wollten (außer den interessenskompromittierten).

    Dann folgte das „dritte Geschlecht“, erzwungen sogar bei Stellenausschreibung. Von der kein Transsexueller und kein Hermaphrodit was wissen will.

    Ist das „Versagen“ eines an sich ehrlichen Projekts? Mit allem Respekt, nein. Ich seh die Methode „Esel mit Möhre“: das Projekt „Links“ setzt – sobald Zielerreichung obsolet – ein neues (unerreichbares) Ziel, bei dem das unbedarfte Schutzopfer erstaunt die Augen reibt. Und dem Projekt „Links“ unverändert weitere Ressourcen sichert.

    Burkhard, ich kann falsch liegen, aber einen Gedanken ist es wert.

  5. ... der Trittbrettschreiber am März 20th, 2021 10:19 am

    @Godwin

    was wäre denn das Positivideal der Pussycatprolls?
    Was ist das Gegenteil eines Opfers – bitte einen Song.

    PS: Man merkt, dass die einen Höllenspaß mit ihrer Performance haben aber sie persiflieren, was mir persönlich weh tut, eine noch fühlende aber vom sogenannten Wohlstand abgehängte Gruppierung.

  6. Wolf-Dieter Busch am März 20th, 2021 10:20 am

    Ich erlaub mir mal den Gedanken fortzuführen. Ein fiktives Gegenüber greift den Esel-Möhre-Gedanken auf und spricht: Aber soziale Ungerechtigkeit gibts doch objektiv! Einer muss da doch kämpfen!

    Vorschlag: Akzeptabel ist ausschließlich der Betroffene höchstselbst. Kein „Linker“. Im Rechtswesen heißt das „Subsidiarität“.

  7. Godwin am März 20th, 2021 11:38 am

    W.-D. Busch & Trittbrettschreiber

    ein aktuelles Beispiel zur „Vertretung von Interessen von Gruppen, denen sie selbst nicht angehören“ aus Dresden.
    Gibt es auch als Lied.

  8. Wolf-Dieter Busch am März 20th, 2021 11:51 am

    @Godwin — Erfrischend. Wir brauchen mehr Frank.

  9. Wolf-Dieter Busch am März 20th, 2021 11:56 am

    @Godwin – wofür Frank steht nicht für sein soziales Dilemma ein, sondern für seine Grundwerte: Fahrräder sind Fahrräder, nicht Protestverhinderungswerkzeug. Kein Konflikt zu Subsidiarität.

  10. ... der Trittbrettschreiber am März 20th, 2021 1:19 pm

    @Godwin

    ;-) … das ist der Unterschied zwischen „Kunst“ und der realen Kraft von Eiweiß, gut verteilt im Hirn und auf den Hüften. Die sich „neu“ denkenden Deutschen vergessen immer wieder ihre Herkunft aus den Kleingartenanlagen, den Nachkriegsreihenhäusern mit den Gartenzwergen im 5qm Vorgarten, die die genetischen Maninfestationen des Territorialen nur dann offenbar werden lassen, wenn es gegen diese archaisch angelegten Säulen des deutschen Wesens geht. Es spielt keine Rolle für Frank, wer für oder gegen etwas demonstriert. Der Hirnstamm signalisert ein besetztes Territorium im alkoholisierten Gesichtsfeld. So gesehen ist Frank der Freiheitskämpfer par excellence. Mutig stemmt er sich den maskierten Öko-Mob, der die verängstigt in ihren bereiften Exoskeletten Verharrenden am Weiterleben hindern will.
    Danke Frank – war da etwa JEVER…??

    https://www.youtube.com/watch?v=WzzRnotTpCs

  11. Wolf-Dieter Busch am März 20th, 2021 3:25 pm

    @Trittbrettschreiber – ich ehre und achte deine Meinung aber les sie nicht durch weil zu lang. – Darum in Kürze: Frank war zwar angetüddelt und im Unterhemd, aber Frank ist einer von uns. Ist schon richtig so wie er ist.

  12. ... der Trittbrettschreiber am März 20th, 2021 5:26 pm

    @Wolf-Dieter Busch

    Noch habe ich das Recht, meine Meinung hier bis zur Unlesbarkeit zu strecken und zu dehnen…

    https://www.youtube.com/watch?v=WI1i1BuWDgQ

  13. Wolf-Dieter Busch am März 20th, 2021 6:21 pm

    @Trittbrettschreiber – nix für ungut! Ick mag dir!

  14. bentux am März 20th, 2021 7:53 pm

    Helmut Schmitd? Ein farbloser Buchhalter. Der diese Politik, wie es so läuft bejaht. War Er etwa in Bielefeld? Da war Gerhard Schröder aus einem anderen Holz. Der hat gezeigt was in der Politik geht. Zusammen mit Joschka Fischer, die Renten kassiert, Umverteilung angestoßen, der Bundeswehr gezeigt das Landesverteidigung auch im Ausland geht, Heu… Investoren ins Land geholt, Versicherungen saniert, den deutschen Arbeitnehmer gelehrt, was Thatcher vorgemacht hat. Einfach ein Vorbild der Politik.
    Er hat mir den Weg gewiesen, damals auf der CBit. Mit Deutschland geht es bergauf, sagte Er. Wer Leistungsträger ist bekommt auch, was Er kriegen kann. Ich fauler Sack, kein Leistungsträger, habe mich dann schnell vom Acker gemacht. Mit vollem Vertrauen in diese Politik. Ja, Ich hatte Recht. Es kam so wie Erwartet. Dieser Mann war ein Visionär. Leitete die SPD auf den Pfad, nach … da fehlen mir die Worte… Bielefeld? Egal. Seine Politik klingt jetzt noch nach. Diesem Mann gehört ein Denkmal gesetzt. Auf das Wir Ihn nicht vergessen.
    <8*) Aludingens und so.

  15. Fritz am März 22nd, 2021 11:00 am

    Gegen Merkel würde ich ihn jederzeit eintauschen.

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