Verwahrungsbrecher

Gabe Weber auf Youtube „Die geklauten Kohlakten – wie Geschichte manipuliert wird“: „Während das US- Bundesarchiv NARA das FBI in den privaten Gemächern von Donald Trump und des amtierenden Präsidenten Kisten voller Geheimdokumente beschlagnahmen lässt, landen in Deutschland die Kanzlerakten meist in den parteinahen Stiftungen oder, wie im Falle der Kohlakten, bei seiner Witwe in Oggersheim. Das ist strafbar, das Strafgesetzbuch nennt das „Verwahrungsbruch“. Doch Verwaltungsgerichte, Kanzleramt und Staatsanwaltschaften segnen das ab.“ (via Fefe)

Unregelmäßiges Tumultuöses

luhmann

Ja, man mag mich des Vernachlässigens des Publikums zeihen (was ist das für ein Deutsch? Der Säzzer), aber ich bin entschuldigt, weil ich sehr viel zu tun hatte und wenig Schlaf fand. Stundenlange Videokonferenzen mit Anwälten (merci, Minuskel!), unzählige Telefonate (ja, die gibt es noch!) und ebensoviele E-Mails. Fazit: Ein vorläufiger Sieg der Guten, fußend auf einer Taktik, die sich irgendwo zwischen der Schlacht bei Leuktra und der bei Roßbach ansiedeln lässt – schief, aber gegen überlegende Kräfte effektiv. Oder: Ein Scheinangriff auf der eigenen schwächeren Seite verwirrt den Gegner, dann kommt die Attacke ganz unvermutet woanders, immer eingedenk des abgewandelten Zitats eines britischen Kollegen: Der Traum jedes britischen Journalisten besteht darin, einen nichtsnutzigen Verbandsfunktionär um sein „Ehrenamt“ zu bringen. Der Traum deutscher Journalisten besteht darin, sein Pressesprecher zu werden.

schlaf

Vielleicht habe ich aber auch nur zu viel von Mao gelesen: „Für alles Reaktionäre gilt, dass es nicht fällt, wenn man es nicht niederschlägt. Es ist die gleiche Regel wie beim Bodenkehren – wo der Besen nicht hinkommt, wird der Staub nicht von selbst verschwinden.“ Demnächst mehr in diesem Theater. #vereinsmeierei

Ich lernte beim Studium juristischer Texte auch etwas Neues (immer auch das Kleingedruckte lesen!) Eine Vereinssatzung sagt zum Beispiel: Die Mitglieder haben das Recht – auf Auskunft durch den Vorstand. Unter Berücksichtigung des Datenschutzes ist ihnen Einsichtnahme in die schriftlichen Protokolle der Gremien zu gewähren. Eine Weitergabe der Informationen an Nichtmitglieder ist nicht gestattet. Dieses Recht ist nur entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu Datenschutz und Informationsfreiheit eingeschränkt.

Gesetz den Fall, ein Vereinsvorstand mauerte, mauschelte und verschanzte sich hinter dem „Datenschutz“ und schwärzte Dokumente, die man als Mitglied gern einsähe – was kann man tun? Da gibt es hübsche Urteile allerhöchster Gerichte: Mit der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) kann nicht verhindert werden, dass personenbezogene Daten (z.B. Namen, Anschriften) von Mitgesellschaftern oder Vereinsmitgliedern an einen Gesellschafter oder Vereinsmitglied herausgegeben werden müssen. Oder anders gesprochen: Wer ein berechtigtes Interesse an den Daten geltend macht, muss diese auch von der Gesellschaft oder dem Verein/Verband erhalten. Yalla!

wine drinking woman

Schwanken Schwenken wir um zu Lifestyle-Themen. Oder auch: Wein saufen gegen Corona: „Consumption of red wine above or double above the guidelines played protective effects against the COVID-19.“ Ein Wermutstropfen (!): Gilt nur für Wein, nicht für Whisky.

Dann haben wir noch etwas über Drittanbieter-Cookies. Die üblichen Verdächtigen („Online-Publisher“ – gut, Weltnetz-Veröffentlicher hört sich shitty an) heulen auf, weil Google die schon im Browser blockieren will. Zwischenfrage: Welche Dödel erlauben denn warum „Drittanbieter-Cookies“? Am besten noch, wenn man mit Tor unterwegs ist? In welcher Welt lebt ihr denn? Vielleicht in der Welt der Qualitätsmedien, die zum Thema gequirlten Quatsch publizieren? „Google will Nutzern nicht mehr durchs Netz folgen.“ Was haben wir gelacht.

bugatti Chiron on Autobahn

Da wir bei Dödeln und Folgen sind: Auf bestimmten Strecken der deutschen Autobahnen gibt es gar kein Tempolimit. Das ist gut für Milliardäre, die gerne 417 Stundenkilometer schnell fahren. Vermutlich haben die Radarfallen sowieso laut „tilt“ gerufen. Die Polizei ermittelt. Ich würde gleich den Paragrafen 315b StGB heranziehen und die Kiste beschlagnahmen und versehentlich verschrotten.

Übrigens wollen die Nachgeborenen nicht mehr Lehrer werden. Warum, ist kaum zu fassen: Nur jeder Achte habe Spaß, sich mit neuen Technologien auseinanderzusetzen und nur ein Viertel fühle sich fit für das digitale Arbeiten. Den Interessenten fehlen demnach auch noch andere Fähigkeiten, die für den Lehrerberuf benötigt werden: Nur zehn bis 13 Prozent der Befragten zählen demnach hohes Selbstvertrauen, Resilienz gegenüber Rückschlägen oder die Fähigkeit, vor Gruppen zu reden, zu ihren besonderen Stärken.

WTF? Alle wollen nur noch Influencen und Sozialmedien. Vielleicht hilft ja noch mehr Saufen? Oder das pädagogische Angebot in den Schulen zu diversifizieren? Dazu hätte ich spontan ein paar Ideen.

lehrerin

" vor die Glocke

newsletter die linke

Schön, dass bei der Partei „Die Linke“ alles transparent ist, auch die Newsletter. Der Nachteil der Transparenz: Leute wie ich meckern dann herum, und ich finde immer etwas zum Herummeckern.

Die Cyberlinken erstellen ihren Frontalunterricht Cybernewsletter per Typo3 („X-Mailer: TYPO3“) Das ist immerhin um Klassen besser als mit Outlook. Man könnte ihnen jetzt etwas über den Zeichensatz in HTML sagen oder über Querköpfe Leute wie mich, die sich ihre E-Mails nicht in HTML anzeigen lassen – nach dem Motto: Erste Wörter rasch gelöschter E-Mails: „Sollte diese E-Mail nicht richtig angezeigt werden, klicken Sie…“. Aber das lassen wir mal. Lieber auf den Inhalten herumtrampeln.

Die wohlwollenden Oberstudienräte für Deutsch im Publikum und die geneigten sprachkundigen Leserinnen wissen vermutlich schon, was kommt: Ung, ung, ung. Sie können es einfach nicht lassen. Bei „Vergesellschaftung“, so gut, schön und geeignet diese auch sei, können wir nachsichtig sein, aber dennoch sollte man immer Rössin und Reiterin nennen und ganz leninistisch fragen: Wer wen? Die deutsche Sprache kennt, und das mag die „Linke“ überraschen, Verben, auch bekannt als Tuwörter. Die sollte man um der Dynamik und Eleganz des Ausgesagten willen so benutzen wie in der Glocke:

Hört ihr’s wimmern hoch vom Thurm!
Das ist Sturm!
Roth wie Blut
Ist der Himmel.
Das ist nicht des Tages Glut!
Welch Getümmel
Straßen auf!
Dampf wallt auf!
Flackernd steigt die Feuersäule,
Durch der Straße lange Zeile
Wächst es fort mit Windeseile,
Kochend wie aus Ofens Rachen
Glühn die Lüfte, Balken krachen,
Pfosten stürzen, Fenster klirren,
Kinder jammern, Mütter irren,
Thiere wimmern
Unter Trümmern,
Alles rennet, rettet, flüchtet,
Taghell ist die Nacht gelichtet…

Kommt da ein Wort vor, das mit -ung -oder -keit endet? Mitnichten. Warum nicht? Weil Schiller keins eingefallen ist? Auch nicht: Der wollte, dass sein Gedicht die Leser aus dem Sessel reißt, dass ihnen der Schweiß ausbricht und die Münder offenstehen, und vor allem, dass es sich so anhört wie das, was dort beschrieben wird.

„Die Corona-Pandemie ist global und ihre Eindämmung muss auch global erfolgen. Dafür müssen die Impfstoffe aber auch global schneller zur Verfügung stehen.“

Das ist garantiert nicht von Schiller, weil ich gähnen musste. Ginge es besser? Natürlich, aber muss man sich anstrengen und denken. Zwei mal Lautsprecherduktus mit „muss“ hintereinander. Nein, das hört sich an wie: Die Revolution muss kommen, und alle müssen mitmachen. Überzeugte mich nicht. Satzlänge: Mehr als neun Wörter sollten die Stirne runzeln lassen und das Herz vor schlechtem Gewissen wummern. Wie dumm und begriffsstutzig oder auch arrogant muss man sein, um trotzig alle Regeln zu missachten, wie Texte verständlich sind oder auch nicht? Kann die mal jemand ohrfeigen, dass sie wachwerden (das ist jetzt eine unzulässige verbale „Mikroaggression“)? Oder heißen Kaffee über die Holzköpfe schütten?

Die COVID-19-Pandemie ist global. Global müssen wir sie auch eindämmen.

„Muss erfolgen“ steht auf der schwarzen Liste derjenigen abgedroschenen und sinnfreien Textbausteine, die niemand verwenden darf, bei Strafe des Indenseegeworfenwerdensmitgewichten. Das gilt auch für „zur Verfügung stehen“.

Wir müssen weltweit über ausreichend Impfstoffe verfügen. Ja, tatsächlich! Zu „Verfügung“ gibt es ein Tuwort!

„Wir wollen uns eben nicht damit zufriedengeben“: „Eben“ ist überflüssiges Füllwort, wie ein Furz an falschen Stelle. Zudem muss ich jetzt rätseln: „Wir wollen nicht zufrieden sein mit“? Ist das gemeint? Ach so: Das Wichtige, was die Leser aufrütteln soll, wird im hinteren Teil des Satzes versteckt: „dass ein großer Teil der Menschen im globalen Süden erst irgendwann ab 2022 mit einer Impfung rechnen kann.“ Spätestens beim Süden sind alle weggezappt. Der Satz ist schon wieder zu lang: Zerschlagen wir ihn!

Viele Menschen im globalen Süden [weiß der Henker, was das ist] in der Dritten Welt können erst 2022 geimpft werden. Das akzeptieren wir nicht!

„Dafür halten wie [sic!] auch eine Vergesellschaftung der Produktion, [Kommafehler] der zu einem großen Teil mit öffentlichen Mitteln entwickelten Impfstoffe für notwendig.“

Alles falsch. „Für notwendig halten“ In den See mit euch, mit ganz vielen schweren blauen Bänden an den Füßen! Ein Satz mit zwanzig Wörtern, und das angedeutete Tuwort gaaaaanz hinten gut verborgen, dass auch niemand auf Anhieb kapiert, was wer will. (Man kann auch Newsletter Korrektur lesen und alles richtig schreiben! Oder fehlt euch die Manpower Womenpower dazu?)

Die Produktion von Impfstoffen wurde zu einem großen Teil mit Steuergeldern finanziert. Sie sollte vergesellschaftet werden.

Wie soll das denn umgesetzt werden? Meint die „Linke“ Staatskapitalismus? Die Firma BioNTech in eine Genossenschaft umwandeln? Oder alles beschlagnahmen? Oder fordern, aber bis zum Kommunismus warten?

Leute, das ist alles heiße Luft. Niemand nimmt euch ernst, wenn ihr so herumfaselt. Es muss schon konkret und sinnlich sein. Und bevor es konkret werden kann, müsst ihr so formulieren, dass es jeder versteht. Schaut dem Volk aufs Maul!

„Mit einem anschauen“ verstehe ich nicht, trotz langen Überlegens. Kann jemand helfen?

Kondom des Grauens und Queeraktivist*_%&innen

ralf könig

Ralf König sollte man auch als Hetero kennen. „In den 1990er Jahren wurden Indizierungsanträge gegen einige Bücher gestellt. Besonders engagierte sich hier das bayerische Landesjugendamt. Die geforderte Indizierung des Titels Bullenklöten (1992) lehnte die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften jedoch unter Berufung auf den Kunstvorbehalt ab.

Trotzdem fand 1996 auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Meiningen eine bundesweite Ermittlungs- und Beschlagnahmeaktion in über 1.000 Buchhandlungen statt, die sich neben anderen Comics (darunter auch Art Spiegelmans Maus) unter anderem gegen den Band Kondom des Grauens richtete.“

Das Wandgemälde Königs in Brüssel am Rainbow House soll ein „Zeichen für Toleranz und Transgender“ sein. Da hat man [sic] wohl die Rechnung ohne die Gendrifizierten und Phobierten gemacht… Die Kunstfreiheit wird nicht nur durch die Rechten bedroht.

1979, Stammheim und andere strafbewehrte fahrlässige Veröffentlichungen

stammheim

Wie ich neulich schon schrieb: Ergänzend zu Austs Der Baader-Meinhof-Komplex habe ich jetzt Oliver Tolmeins: RAF – Das war für uns Befreiung: Ein Gespräch mit Irmgard Möller über bewaffneten Kampf, Knast und die Linke gelesen. Es hat mir etwas gebracht, obwohl ich das gar nicht erwartet hatte; ich behaupte sogar, das Buch gehört zum Kanon der gebildeten und historisch bewussten Linken. Ich muss zugeben, dass ich jetzt keine Meinung mehr dazu habe, was in der Todesnach von Stammheim wirklich geschehen ist – zu viele Variablen. Ich traue allen – beiden Seiten – alles zu. Wir werden die Wahrheit vermutlich nie erfahren.

1979 nahmen die USA und die Volksrepublik China diplomatische Beziehungen auf.

Der Schah von Persien verließ sein Land. Die fundamentalische Opposition unter dem aus dem Exil heimgekehrten Ayatollah Chomeini übernahm die Macht und gründete einen anfangs begeistern, weil, so ihre Hoffnung, von den Mullahs statt des verhaßten Marxismus eine Alternative zum westlichen Fortschrittsmodell entwickelt wurde. 1980 kam es zwischen dem Iran und dem Irak zum 1. Goldkrieg.

1979 siegte sandinistische Revolution in Nicaragua. Am 24. Dezember 1979 intervenierten sowjetische Truppen in Afghanistan, um den ehemaligen Sozialisten Hafiz Allah Amin, der ein zunehmend terroristisches Regime etablierte und Kontakte zu den USA und Pakistan knüpfte, zu entmachten und eine sozialistische Regierung unter Babrak kamal zu stützen.

In Europa standen die Zeichen auf Eskalation der Nato beschloß 1979 die sogenannte Nachrüstung, die Stationierung atomarer Marschflugkörper und Mittelstreckenraketen. Die BRD und die USA schlossen das für den Kriegsfall gedachte „Wartime Host Nation Support-Abkommen, das später für Interventionen der USA und der Nato im Nahen und Mittleren Osten Bedeutung bekam. (Tolmein, S. 158)

Wo war ich? Ich hatte gerade mein Studium und die Examen abgeschlossen und flog am 18.09.1979 von Berlin nach New York und von dort aus über Mittel- nach Südamerika, wo ich mehr als ein halbes Jahr umherreiste.

Ich kenne heute Leute, die 1979 noch gar nicht geboren waren. Wissen die von den Ereignissen, und was bedeuten die ihnen?

Ich habe jetzt angefangen, das Buch Pieter Bakker Schuts Stammheim – Der Prozess gegen die Rote Armee Fraktion: Die notwendige Korrektur der herrschenden Meinung zu lesen. Warum? das Buch wurde nach seinem Erscheinen von allen Mainstream-Medien totgeschwiegen. Der „Spiegel“ beschloß, es nicht vorzustellen, der „Stern“ – damals ein wichtiges Medium – lehnte eine Besprechung ab. Das änderte sich erst später:

Am 18. August 1987 wurde auf Antrag des Generalbundesanwalts bestimmt, das Buch und „die zur Herstellung des Druckwerkes gebrauchten oder bestimmten Vorrichtungen zu beschlagnahmen. Der Generalbundesanwalt hatte ein Ermittlungsverfahren gegen Peter H. Bakker Schut und den Neuen Malik Verlag nach § 129a, Abs. 3 StGB eingeleitet. Im September folgte die größte Durchsuchungsaktion, die der westdeutsche Buchhandel nach dem Kriege erlebt hatte. Setzerei und Druckerei wurden durchsucht und mit Hilfe der in der Verlagsauslieferung aufgefundenen Rechnungsunterlagen wurden in über 300 Buchhandlungen ca. 3.000 Exemplare des Titels beschlagnahmt.

Ach? Wovor hatten die so eine große Angst? By the way: Natürlich gab und gibt es politische Zensur in Deutschland. Und den leider schon vor mehr als einem Jahrzehnt gestorbenen Pieter Bakker Schut halte ich für einen großartigen Typen. Nur damit ihr vor lauter Paddelbildern nicht vergesst, bei wem ihr hier mitlest….

Landesverrat, yeah! Oder: Erweiterte Fachunterstützung

mainstream

Jetzt nur nichts Falsches sagen. Wer gegen den gefühlten Mainstream ist, wird sozial geächtet, nicht mehr verlinkt rezipiert, der Gemeinschaftsentzug der Netzgemeinde ist der soziale Tod. Ich muss jetzt ganz stark sein.

Die medienkompententen Leserinnen und wohl informierten Leser werden zur Affäre um das Ermittlungsverfahren gegen netzpolitik.org schon alles wissen und gelesen haben. Ich musste gestern zwölf Stunden arbeiten und hatte mit dem ganz normalen Proletariat zu: Die Leute interessiert das nicht die Bohne. Ich mag das, immer wieder „geerdet“ zu werden. „Das Internet“ und was dort geschieht, ist kein Maßstab für das, was wirklich zählt.

Der mediale Sturm im Wasserglas, die – ach! – so wichtige Pressefreiheit werde jetzt angegriffen, wiederholt nur die Textbausteine, die wir schon aus der Cicero-Affäre kennen oder von der Durchsuchung der Redaktionsräume der Berliner Morgenpost (2012) oder von den Ermittlungen gegen 17 Journalisten wegen Beihilfe zum Geheimnisverrat (2007) oder von LabourNet Germany (2006).

Man weiß also vorher, wie das ausgeht. Die Wellen der Empörung in deutschen Blogs, die jetzt schon abebben, wiederholen doch nur das unpolitische Erregungsverhalten, das wir auch aus den Mainstream-Medien kennen. Selbst wenn Beckedahl in der „Tagesschau“ gezeigt wurde, wird sich kaum jemand, der nicht in der kleinen Netzgeneinde zuhause ist, in ein paar Wochen erinnern. Was war da noch?

Soll da jemand eingeschüchtern werden? Das glaube ich nicht. Ich vermute eher, dass es um etwas anderes geht. Erstens werden die Bundesanwaltschaft und Maaßen vom Verfassungsschutz genau gewusst und vorhergesehen haben, welches Shitstörmchen sie auslösen würden. Gegen die NSA wird nicht ermittelt, aber gegen ein Blog? Da haben wir doch alles, was wir für die öffentlichen Gefühle brauchen, um diese überkochen zu lassen – David gegen Goliath, usw., verratene geheime Staatsgeheimnisse, Blogger sind auch Journalisten, die eindeutig Guten gegen die eindeuitig Bösen usw. Zweitens kann es den Behörden ziemlich egal sein, was die Öffentlichkeit denkt. Lächerlicher als der Verfassungsschutz sich in der Vergangenheit gemacht hat, geht es gar nicht mehr. So what?

Ich habe drei Verschwörungstheorien in petto, warum es dieses Verfahren gibt, und diese schließen sich nicht gegenseitig aus. Erstens: Der SPD-Justizminister Heiko Maas möchte sich wichtig tun und als Retter der Pressefreiheit darstellen.

Zweitens lesen wir in der FAZ: „Die ursprüngliche Strafanzeige sei nicht gegen konkrete Personen gerichtet, sondern gegen ‚unbekannt‘, heißt es im Umfeld der Bundesanwaltschaft. Ziel des Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen sei nicht gewesen, dass gegen Journalisten ermittelt werde, sondern dass die Weitergabe von Geheimdokumenten vereitelt werde. Nur dieses Vorhaben hatte die Billigung der Führung des Bundesinnenministeriums gefunden.“ Das genau ist Usus und auch schon vorher das Motiv gewesen. Maaßen macht also nur „Innenpolitik“: Er will seine eigenen Leute einschüchtern.

Drittens: Es ist doch juristisch spannend, die durch das Verfahren gestellten Fragen juristisch beantworten zu lassen. Was ist ein Staatsgeheimnis? Thomas Stadler hat dazu Interessantes geschrieben. Nur kennt der sich mehr mit der Juristerei als ein Verfassungsschützer.

Ich teile Stadlers Fazit nicht: Die sind nicht zurückgerudert, weil es eine „unglaubliche Welle von Solidarität“ gegeben habe. Ach Quatsch. Es war eher ein Sturm im Wasserglas: Gesichter und Flaggen wurden von den üblichen Verdächtigen digital gezeigt und Lichterketten geschwenkt. Man wusste exakt und a priori, was jeder sagen würde – rein werbetechnisch eine extrem langweilige Angelegenheit. Allerdings hätte der Generalbundesanwalt den Verfassungsschützern wegen deren anzeige auch (zu Recht!) einfach einen Vogel zeigen können. So sind Beamte aber nicht mental gestrickt.

Drittens: Es könnte aber auch das zutreffen, was ich „Pofalla-Syndrom“ nennen möchte: Alle Beteiligten sind einfach abgrundtief dämlich. Das kann man in der Politik nicht ausschließen, und schon gar nicht bei Verfassungsschützern.

By the way: Kann mir mal jemand erklären, warum im Impressum von netzpolitik.org die newthinking communications GmbH (HRB 102015) steht, also eine Firma, deren Bilanzen man schnell über das unternehmensregister im Bundesanzeiger Verlag einsehen kann, die Zeitungen aber schreiben, Beckedahl finanziere sein Blog „über Spenden“?

Content-Mafia 2.0, reloaded

Selbstauskunft.net: Hausdurchsuchung und Beschlagnahme von Computern bei Betreibern von Tor-Exit-Nodes:
Zu meiner Überraschung hängt der Durchsuchungsbeschluss anscheinend nicht mit unseren TOR-Servern zusammen. Vielmehr steht ein Angestellter im Verdacht „im bewussten und gewollten arbeitsteiligen Zusammenwirken auf den Internetseiten www.spiegelbest.me und www.ebookspender.me ohne Einwilligung der jeweiligen Urheberrechtsinhaber einen großen Fundus an eBooks gegen eine geringfügige Mitgliedsgebühr“ zum Download anzubieten.

Spiegel online, Heise und Golem berichten.

Nie wieder in die USA

aclu

Wired: „The agents confiscated his laptop computer, a thumb drive and a digital camera. ICE held onto the equipment for 49 days — longer than the 30 days allowed in regulations — finally returning it only when the ACLU of Massachusetts intervened on his behalf with a letter.

Under the ‚border search exception‚ of United States criminal law, international travelers can be searched without a warrant as they enter the U.S..“

Ich frage mich, wie das die deutschen Korrespondenten machen, die in die USA reisen? Wiseo hört man nichts davon? Und wieso haben die deutschen Medien über das Thema nicht berichtet? Werden die alle durchgelassen, weil deutsche Medien Interviews autorisieren lassen und deshalb pe default harmlos sind? Oder zeigen die alle bereitwillig Ihre Rechner vor mit den Worten „jawoll, geliebte Obrigkeit“ auf den Lippen?

Die American Civil Liberties Union (ACLU) von Massachusetts, von der Wired die Story wohl hat, berichtet über diese Fälle noch detaillierter:
The government searched House’s electronics for 183 keywords, turning up more than 26,000 potentially responsive „files/objects.“ But even the government’s own invasive analysis of House’s information concluded that „no data was found that constituted evidence of a crime (and would justify ICE’s seizure of the materials).“

Das Ministerium für Innere Sicherheit der Vereinigten Staaten (United States Department of Homeland Security) arbeitet also mit dem Justizministerium zusammen, beschlagnahmt Rechner politischer Aktivisten und sucht darauf. Nein, sie löschen sogar die Daten: „the government has agreed to destroy all data it obtained from his laptop and other electronics when he entered the U.S. after a vacation“.

Man kann also davon ausgehen, dass man bei der Einreise in die USA alle sichtbaren Truecrypt-Container auf seinen Rechnern löschen muss. Ich habe ja schon 1979 nur ein begrenztes Visum in die USA erhalten im Gegensatz zu allen anderen, die ich kannte, die schon mal dort waren. Die haben mich also schon seit den siebziger Jahre in der Kartei.

Das wird hier auch noch so kommen – die Klassenkämpfe sozialen Spannungen werden hier auch zunehmen. Ich werde das wohl noch erleben. Mein Rechner wurde illegal über zwei jahre lang konfisziert, und es hat auch kaum jemanden interessiert (außer Heise), obwohl das Gericht, das mich endlich freigesprochen hatte, sogar ausdrücklich „rechtsstaatswidrige Weise“ ins Urteil schrieb. Hier gibt es eben keine ACLU, auf die man in einem solchen Fall bauen könnte.

Was sagen unsere Verschwörungstheoretiker von der „Online“-Durchsuchung eigentlich dazu? Warum machen die das in den USA so umständlich?

Annette Ramelsberger (Süddeutsche 2006): „Den meisten Computernutzern ist es nicht klar: Aber wenn sie im Internet surfen, können Verfassungsschützer oder Polizei online bei ihnen zu Hause auf die Festplatte zugreifen und nachschauen, ob sie strafbare Inhalte dort lagern – zum Beispiel Kinderpornographie oder auch Anleitungen zum Bombenbau.“

Warum also Rechner beschlagnahmen, wenn das (angeblich) auch so geht?

Proletarier aller Länder, verschlüsselt euch!

decrypt device

Tagesspiegel (via Fefe): „Andreas Baum, Pirat und Mitglied im Berliner Abgeordnetenhaus, wirft der Polizei vor, bei einer Personenkontrolle auf illegalem Wege sein Handy ausspioniert zu haben.“

Nur zum Mitschreiben: Irgendjemand wurde anlasslos kontrolliert. Andreas Baum war zufällig in der Nähe. Deswegen wollte ein Beamter sein Handy auch „durchsuchen“: „Der Beamte habe gesagt: ‚Ich werde schon nicht in Ihren Nachrichten rumgucken, oder haben Sie etwas zu verbergen?'“

Ja, ich habe etwas zu verbergen: Alles das, was den Staat nichts angeht, zum Beispiel meine Adressbücher und Verbindungsdaten, an wen ich welche SMS geschrieben habe usw.. Ein Smartphone ist von allen Geräten natürlich das per default unsicherste. Das bedeutet aber nicht, dass man es nicht benutzen oder resignieren sollte.

Hier gibt es eine (englische) Anleitung: „How to set lock screen and security options on Galaxy S3“, und hier eine Anleitung: „How to set up Face Unlock on your Android phone“. Und hier: „How to make your Samsung Galaxy S3 more secure“.

Sehr nützlich auch von der kanadischen Piratenpartei Encrypt Everything und die Androiden-Toolbox, sozusagen die Mutter aller deutschsprachigen Android-Tutorials.

Es muss natürlich jeder und jedem klar sein, dass die Hersteller von Smartphones alles tun werden, um Sicherheit für die Endanwender so unbequem wie möglich machen. Sicherheit widerspricht dem Geschäftsmodell. Das ist ja auch bei Facebook und Co. so. (Ein weiteres Argument, warum einige naive Vorschläge der Beckmannschen Diskussionrunde am Donnerstag, man brauchte jetzt von allem eine „deutsche“ Version – Suchmaschine und Facebook usw. -, totaler und ahnungsloser Quatsch waren).

Beispiel: Mein Smartphone ist komplett verschlüsselt, nicht nur mit PIN, sondern auch die „Festplatte“ des Geräts. Diese Option gibt es, aber man braucht rund eine halbe Stunde, um das zu tun, muss das Teil am Ladegerät angeschlossen haben, und bei einem Update des Betriebssystems muss man zunächst wieder entschlüsseln (knappe halbe Stunde), updaten und dann wieder verschlüsseln. Da die meisten Leute sogar zu faul sind, sich ein anständiges Passwort auszudenken und zu merken, kann man schon abschätzen, wieviele Smartphones weltweit verschlüsselt sind.

Ein Smartphone ist an sich eine Spionage-Modul, weil es den Standort des Besitzers und das Bewegungsprofil speichert und verrät – das muss man berücksichtigen. Aber ich sehe keinen Unterschied zwischen GPS-Navigationssystemen im Auto und im Smartphone. Deshalb kann man meines Erachtens auch zum Beispiel Find my mobile benutzen – die wissen eh, wo man ist und könnten sogar per „remote access“ das Display des Smartphones aus- und einschalten.

Mein Rat an die wohlwollenden Leserinnen und geneigten Smartphone-besitzenden Leser: Das Feature aktivieren: „sofortiges Sperren des Smartphones mit dem Ein- und Aus-Knopf“ (ich weiß nicht, wie das bei Smartphones auf deutsch exakt heißt).

Settings | Security | Lock instantly with power key. When you push the power key it locks.

Wenn jemand also das Handy beschlagnahmen will: Auf den „Power“-Knopf drücken und das Smartphone ist sofort gesperrt.

„Einsichtnahme in private Kommunikationsdaten ohne staatsanwaltschaftliche oder richterliche Anordnung“ sei ‚grundsätzlich nicht statthaft'“. Näheres regelt aber der Polizist vor Ort.

Scharfschützen

Das Video, wie die Berliner Polizei einen Nackten am Neptunbrunnen erschießt, ist lehrreich. Die BZ Berlin stellt ein paar Fragen. „Später versuchen die Polizisten, so viele Kameras und Handys zu beschlagnahmen, wie sie kriegen können.“

„Es sei nicht möglich, alle Beamten zu Kampfkünstlern oder Scharfschützen auszubilden“, sagt die Deutsche Polizeigewerkschaft.

Jeder möge sich selbst ein Bild machen. Die CDU will das Video verbieten. Quod erat demonstrandum.

Bundespolizei setzt Abgeordneten der Piraten fest

Hier wurde schon in einem Thread darauf hingewiesen, aber es ist zu schön: Das Pottblog schreibt über die Bundespolizei, die im Kölner Hauptbahnhof Nico Kern, einen Landtagsabgeordneten der Piratenpartei, festsetzte, weil er einen Rewe to go-Laden fotografiert hatte.
Trotzdem wollte die Bundespolizei noch zusätzlich sein Handy beschlagnahmen – quasi als “Tatwerkzeug” (auch wenn das Ergebnis der vermeintlichen “Tat” gar nicht mehr vorlag), denn er habe damit ja ein Logo fotografiert und wenn der Inhaber das nicht erlaubt, dann sei das ein Verstoß gegen das Urheberrecht.

Wieder ein Argument dafür, auch eine Smartphone komplett zu verschlüsseln. Es könnte ja zu einer einstweiligen Erschießung durch die Büttel der heiligen Kuh des Kapitalismus Polizei wegen eines vermuteten Verstoßes gegen das Urheberrecht kommen.

Ich habe einen Presseausweis des DJV. Ich bin neugierig, was die Bundespolizei dann gemacht hätte.

(Die „Gegenseite“ hat sich geäußert.)

Volker Ullrich und die Werte des so genannten christlichen Abendlandes

Die Redaktion der Augburger Allgemeinen Zeitung hat die Daten eines ihrer Foren-Nutzerns herausgegeben, ein richterlicher Beschluss, die Reaktionsräume zu durchsuchen, lag offenbar schon vor. Das soll also „verhältnismäßig“ sein? Ich bin ja gebranntes Kind und weiß, das viele Richter und Staatsanwälte das Wort „verhältnismäßig“ noch nicht mal buchstabieren können.

Die Zeitung schreibt: „Für Volker Ullrich ist es bereits das zweite Mal, dass er versucht, einen Kritiker im Internet rechtlich zu belangen. Bereits im Herbst 2011 verlangte er über seinen Anwalt bei der Redaktion der Augsburger Allgemeinen die Herausgabe von Daten eines Forennutzers, von dem er sich beleidigt fühlte. Auch damals verweigerte unsere Redaktion die Herausgabe – damals noch mit Erfolg.“ Jetzt heisst es: „Wir haben dem zuständigen Beamten, der in unseren Redaktionsräumen mit dem Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss des Amtsgerichts Augsburg erschien, die geforderten Daten herausgegeben. Eine weitere Überprüfung der Redaktionsräume durch zusätzliche Beamte war damit also nicht mehr nötig.“

Warum sind die denn jetzt eingeknickt? Sehr schön das Posting eines Nutzers im Heise-Forum zum Thema: „Und wenn du dir Sprüche wie ‚Rechtsbeugung‘ als Anwalt nicht gefallen lassen kannst, dann bist du in meinen Augen eine kindische Mimose (bitte nicht verklagen…) und gehörst nicht ins Internet, sondern ohne Abendessen ins Bett. Ganz besonders gehörst du aber nicht dahin, wo über Recht und Unrecht entschieden wird.“

Man sieht, dass Meinungsfreiheit in Deutschland nicht viel gilt, hier wird immer erst nach Verboten gerufen oder versucht, die „richtige“ Meinung mit Staatswanwälten oder Gerichten reinzuprügeln oder Leute, die die Meinungsfreiheit so auslegen wie in den USA (was vernünftig wäre), einzuschüchtern.

Bei dem Augsburger Stadtrat Volker Ullrich sind die Wurzeln seines Denkens allerdings klar: „Für die Stadtidentität wünscht er sich die Orientierung an den Werten des christlichen Abendlandes sowie des aufgeklärten Humanismus (Menschenwürde, individuelle Freiheit, Gleichheit der Geschlechter, ungestörte Religionsausübung, freie Rede). Integration und Zuwanderung ja, aber unter der Voraussetzung einer gemeinsamen deutschen Sprache und eines Bekenntnisses zur europäischen Kultur.“

Was war noch mal die europäische Kultur? Die Juden? Die Muslime? Der christliche Antijudaismus?

Es gilt also auch für Blogbetreiber: Wer sich weigert, die Daten von Nutzern herauszugeben bei vermeintlich „ehrverletzenden“ Äußerungen, dem kann die Durchsuchung der Wohnung und natürlich audh drohen, dass die Rechner beschlagnahmt werden. Die kriegt man dann, wenn man freigesprochen wird – wie bei mir – in circa zwei Jahren zurück, ohne dass sich jemand entschuldigt und ohne finanziell entschädigt zu werden.

Thunderbird und Truecrypt

Truecrpt

Wie ich gestern schon sagte, habe ich nach der Neuinstallation eines meiner Rechner endlich konsequent auch meine digitale Korrespondenz vor den Augen derjeningen verborgen, die Rechner beschlagnahmen, stehlen oder mit irgendwelchen Methoden durchsuchen wollten – gegen meinen Willen.

Für Laien und die, die das noch nicht gemacht haben, hier die Arbeitsschritte für einen Computer mit dem Betriebssystem Windows 7 (64 bit) und Thunderbird 14.0:

1. Truecrypt installieren. (ausführliche Anleitung mit Screenshots)
2. Truecrypt aufrufen und ein verschlüsseltes Laufwerk („container“) erzeugen (meines ist 1 Gigabyte groß – das sollte reichen).
3. Das E-Mail-Programm Thunderbird herunterladen, aber noch nicht installieren.
4. Das verschlüsselte Laufwerk öffnen („mounten“, vgl. Screenshot oben) und die ausführbare Datei mit Thunderbird dort hineinschieben. Erst dann Thunderbird installieren und bei jeder Frage, wo es installiert werden soll, den geöffneten Truecrypt-Container (im Windows-Dateimanager „lokaler Datenträger“ genannt) angeben. Bei mir wäre das das verschlüsselte „Laufwerk“ Y. (vgl. den Screenshot unten)

Truecrpt

Jetzt kommt der wichtige Arbeitsschritt, wenn ein E-Mail-Konto eingerichtet wird:
5. Bei den „Account Settings“ (Voreinstellungen des eigenen E-Mail-Accounts, sorry, ich habe alles in Englisch) und den dortigen Optionen („Server Settings“) muss der Dateipfad geändert werden („local directory“, vgl. Screenshot unten), so dass die eingehenden Mails innerhalb des verschlüsselten Truecrypt-Containers gespeichert werden.

Nicht vergessen: Um mit Thunderbird arbeiten zu können, muss jetzt natürlich immer erst das verschlüsselte Laufwerk geöffnet („gemounted“) werden.

Ab jetzt ist auf dem so abgesicherten Rechner gar kein E-Mail-Programm mehr zu sehen, auch die unverschlüsselten E-Mails sind verborgen. (Liebe Drehbuch-Autoren von Vorabend-Krimiserien und Tatorten: Da kann auch „die IT-Abteilung“ nichts machen, die bei euch immer zaubern soll, wenn es mit dem Passwort-Raten ausnahmsweise nicht klappt.)

Truecrypt ist nicht „knackbar“. Die Angriffsszenarien, die im Wikipedia-Artikel geschildert werden, beziehen sich alle auf die Situation, dass das Passwort zum Öffnen eines Truecrpyt-Containers dann abgegriffen werden könnte, wenn der Rechner eingeschaltet und das Laufwerk geöffnet ist oder man vergessen hat, es zu schließen („dismount“).

Und jetzt wieder einmal viel Spaß beim Offline- und „Online-Durchsuchen“.

Truecrpt

Freispruch für WikiLeaks-Unterstützer rechtskräftig

Morphiums blog: „Am 16. März 2011 hatte das Amtsgericht Dresden den WikiLeaks-Unterstützer Theodor Reppe von den Vorwürfen freigesprochen, durch den Betrieb eines Tor-Servers und durch die Inhaberschaft der Domäne ‚wikileaks.de‘ die Verbreitung von Kinderpornographie erleichtert zu haben (…) Das Projekt WikiLeaks hatte Anfang 2009 unter anderem das Originaldokument einer Sperrliste der australischen Regierung veröffentlicht, welche teilweise inkriminierte Links enthielt. (…) Nun hat die Staatsanwaltschaft ihre Berufung gegen den Freispruch des Amtsgerichtes – bislang kommentarlos – zurückgenommen. (…) Die Ermittlungsmaßnahmen begannen bereits 2007 mit mehreren Durchsuchungen und Beschlagnahmen bei Reppe mit Vorwürfen wie Verbreitung kinderpornographischer Schriften. Alle Vorwürfe mündeten im Freispruch.“

Glückwunsch und willkommen im Club derjenigen, die zwar unschuldig waren, was die jeweilige Staatsanwaltschaft garantiert voraussah, aber für die das Verfahren an sich als Strafe gemeint war, um sie einzuschüchtern. Fünf jahre Computer weg – und keine Entschädigung – trotz erwiesener Unschuld. So etwas nennt sich „Rechtsstaat“. Lachhaft.

An die Staatsanwaltschaft Berlin

Burkhard Schröder
(…)
08.08.2011

Staatsanwaltschaft Berlin
Turmstrasse 91
10559 Berlin
14 Js 3225/08

2. Mahnung

Sehr geehrte Damen und Herren,

Meine Schreiben vom 1.11.2010 und 13.11.2010 wurden von Ihnen nicht beantwortet

Ich zitiere: „mein Freispruch in der obigen Strafsache ist mittlerweile rechtskräftig. Das Amtsgericht Tiergarten (Gesch.Nr. (231 Ds) 14 Js 3225/08 (20/09) hat in der Sitzung vom 30.06.2009 für Recht erkannt: „Für die erlittene Beschlagnahme wird der Angeklagte entschädigt.“

„Wie aus dem beigefügten Beschluss des OLG München von 22.03.2010 (Az: 1 W 2689/09) ersichtlich ist, beläuft sich die Entschädigung in vergleichbaren Fällen auf 2,30 Euro pro Tag. Mein Rechner wurde am 11.11.2008 beschlagnahmt (…). Ich bitte um Überweisung der entsprechenden Summe auf mein obiges Konto.“

Sie hatten mir in einem Schreiben vom 5.11.20012010 bestätigt, dass ich einen Anspruch auf Entschädigung habe.

Ich darf auf eine Passage im Urteil des Landgerichts Berlin hinweisen, in der der Staatsanwaltschaft Berlin bescheinigt wird: „Der Abschluss des Strafverfahrens ist hier allerdings (…) von der Staatsanwaltschaft rechtsstaatswidrig derart verzögert worden…“

Dass sich seit neun Monaten nichts getan hat, können Sie nicht mit Arbeitsüberlastung oder dergleichen erklären, da die Kosteneinziehungsstelle der Justiz den von mir zu zahlenden Betrag im Verfahren wegen „verbotener Mitteilungen über Gerichtsverhandlunng“ zügig und zeitnah angemahnt hat. ((560) 14Js 3225/08 Ns (81/09/)

Ich kann aus der Tatsache, dass rund neun Monate nach dem Urteil die Entschädigung noch immer nicht eingetroffen ist, nur schließen, dass Sie auch in diesem Fall wie gehabt zu verfahren gedenken – die Angelegenheit „rechststaatswidrig“ zu verzögern.

Falls die Entschädigung bis Ende August nicht eingetroffen ist, werde ich den betreffenden Richter informieren und alle Klagemöglichkeiten ausschöpfen.

Hochachtungsvoll
Burkhard Schröder

etc/init.d/ssh start

Udo Vetter über einen „Akt der deutschen Behörden“: „Ein deutscher Staatsanwalt ist nicht verpflichtet, Server zu beschlagnahmen – bloß weil ausländische Ermittlungsbehörden das von ihm verlangen. Es gibt da keinen Automatismus wie zum Beispiel beim Europäischen Haftbefehl. Die Staatsanwaltschaft Darmstadt hatte also in eigener Regie und anhand der deutschen Gesetze zu prüfen, ob sie vom Bundeskriminalamt, wie heute geschehen, die Server der Piratenpartei vom Netz nehmen, einpacken und / oder spiegeln lässt.“

„…obwohl nicht einmal ein Rechtshilfeersuchen vorlag – das wurde nachgeholt“, schreibt Hal Faber: „Die flüchtige Datei, die solchermaßen inhaftiert werden sollte, soll angeblich ein SSH-Schlüssel sein, der zum Angriff auf den französischen Energiekonzern EDF gestohlen wurde. Dass dieser Unsinn straffrei erzählt werden kann, zeugt nicht gerade vom Sachverstand der Beteiligten“.

Sachverstand? Hat das jemand erwartet? Bei Ziercke? Hat jemand nach Sachverstand gefragt, wenn es um die real gar nicht existierende „Online-Durchsuchung“ ging?

Vgl. auch der Schockwellenreiter: „Eine Demokratie findet nicht statt“.

Nicht vergessen: heute ist in Bremen Bürgerschaftswahl!

Polizei beschlagnahmt Server der Piratenpartei Deutschland

Internet censorship in Germany

Bundesvorstand der Piratenpartei: „Am Morgen des 20.Mai 2011 hat die Polizei in Folge eines französichen Ermittlungsersuchens eine Vielzahl an Servern der Piratenpartei Deutschland, die bei der Firma AixIT in Offenbach gemietet sind, beschlagnahmt.“

Truecrypt? SpOn: „Die Polizei nahm die Webserver der Partei am Freitagvormittag vom Netz. Es liegt ein Durchsuchungsbeschluss vor.“ Was denn nun? Die Server wurden nicht „durchsucht“ (man hätte auch ein Image ziehen können), sondern „beschlagnahmt“, also weggenommen.

„Die Abschaltung aller Server ist ein massiver Eingriff in die Kommunikations- und Informationsstruktur der sechstgrößten Partei Deutschlands“, protestieren die Mitglieder des Bundesvorstands der Piratenpartei Deutschland Sebastian Nerz, Bernd Schlömer, Marina Weisband, Rene Brosig, Wilm Schumacher, Matthias Schrade und Gefion Thürmer. „Angesichts der in zwei Tagen anstehenden Landtagswahlen in Bremen wird hier politisch ein massiver Schaden angerichtet, den der Bundesvorstand der Piratenpartei Deutschland aufs Entschiedenste verurteilt. Im Zusammenhang mit den laufenden Ermittlungsarbeiten wird daher zu klären sein, ob die erfolgte Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung rechtlichen Vorgaben entsprochen hat, insbesondere ob die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit gewahrt wurden.“

Verhältnismäßig? Natürlich nicht, aber das Wort kennt man bei einer Staatsanwaltschaft nicht, wenn man schon einmal die Gelegenheit bekommt, Rechern zu beschlagnahmen (das Verfahren als Strafe, wie bei mir).

Saarländische Online-Zeitung: „Hausdurchsuchung bei Piratenpartei Deutschland“ (völliger Blödsinn). „Spekulationen zufolge sucht man nach einer bestimmten Datei, die der Piratenpartei zugespielt und veröffentlicht wurde. Es soll sich um ein Dokument betreffend Bundestrojaner und dem Abhören von Skype-Telefongesprächen handeln, das offensichtlich zu einem Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses gehört. Dies hätte dann zur Hausdurchsuchung bei der Piraten- IT geführt.“

Es soll sich. So etwas nennen die nun „Berichterstattung“.

Bei Telepolis liest man: „Polizei kopiert Inhalte von deutschem Piratenpartei-Server“.

Mannomann. Man wird noch nicht einmal korrekt informiert, ob die Rechner nun weg sind oder nicht. Kann mir das jemand sagen? Pappnasen.

Zensur findet statt

Lesenswerter Artikel in der Jungle World: „Buchhändler müssen nicht zensieren – Eine Reihe von Verfahren gegen die Geschäftsführer linker Buch- und Infoläden in Berlin wurde in der vorigen Woche eingestellt. Die Buchläden »M99«, »Schwarze Risse« und »Oh 21« hatten im vergangenen Jahr mehrfach Besuch von der Polizei, die verschiedene Ausgaben der Interim beschlagnahmte. Auch wegen der Zeitschrift Prisma und eines antimilitaristischen Flugblatts wurden die Buchläden durchsucht, in einigen Fällen wurden dabei auch die Computer mitgenommen. Neu war an den Durchsuchungsbeschlüssen, dass seit Mitte vorigen Jahres nicht mehr gegen ‚unbekannt‘, also gegen die Hersteller der Zeitungen und Flugblätter, sondern gegen die Geschäftsführer der Buchhandlungen ermittelt wurde. Sie sollen mit dem Auslegen der Schriften zu Straftaten aufgerufen und gegen das Waffengesetz verstoßen haben. Dieses Vorgehen der Staatsanwaltschaft läuft der bisherigen Rechtsprechung zuwider.“

Noch einmal zum Mitschreiben: Die Berliner Staatsanwaltschaft wollte, dass Buchhändler die Bücher, die sie verkaufen, vorher lesen, um Verbotenes dann zensieren zu können. Im Ernst! Das ist das Deutschland von heute!

Diese Nachricht wird natürlich in den Mainstream-Medien und in der regimetreuen Presse nicht auftauchen, da es eine Lobby gegen Zensur hierzulande nur als Spurenelement gibt. Eine Mehrheit der Deutschen ist für die Zensur des Internet und für die real gar nicht existierende Durchsuchung ihrer privaten Rechner seitens der Obrigkeit. Wir leben in einem – das demokratische Bewusstsein betreffend – politischen Entwicklungsland.

By the way: Die Entschädigung, die mir im letzten Jahr per Gericht zugesprochen wurde wegen der Beschlagnahme meines Rechners und wegen der Länge des Verfahrens, das von der Staatsanwaltschaft laut Urteil „rechtstaatswidrig“ verzögert wurde, habe ich immer noch nicht bekommen. Wie man sieht, hat die Staatsanwaltschaft offenbar „Besseres“ zu tun.

(Vgl. auch burks.de vom 9.3.2011)

Günther Amendt ist tot

Günther Amendt ist tot. Er starb bei einem Autounfall, berichtet das Hamburger Abendblatt.

Zu seinem Buch „Sex-Front empfehle ich einen Artikel der taz vom 07.08.2007.

Wikipdia: „Mindestens zwei deutsche Gerichte stuften ein im Sex-Buch abgedrucktes Foto als ‚kinderpornografisch‘ ein. Damit könnte bereits der bloße Besitz eines der insgesamt etwa 200.000 verkauften Exemplare dieses populären Aufklärungsbuchs strafbar sein. Das Amtsgericht Mannheim ließ im Dezember 1998 beim Herausgeber einer Schülerzeitung, in der das Bild abgedruckt wurde, neben den Restexemplaren der Zeitschrift selbst auch die in seinem Besitz befindlichen Exemplare von Amendts Büchern Sexfront und Das Sex-Buch beschlagnahmen. In einem anderen Fall bezeichnete das Amtsgericht Mühldorf am Inn das Bild als ‚eindeutig kinderpornographisches Material‘ und erwirkte im November 1999 gegen eine Privatperson eine Hausdurchsuchung wegen Besitzes desselben“.

Heute würde sich keiner mehr trauen, solche Bücher zu schreiben und zu veröffentlichen. O tempora, o mores…

Übermäßige Beeinträchtigung der Rundfunkfreiheit

Wieder eine Klatsche vom Bundesverfassungsgericht für Staatsanwälte, die zu gern mal durchsuchen und beschlagnahmen – nach dem Motto „legal, illegal, scheißegal“:

„Der Beschwerdeführer, ein eingetragener Verein, betreibt einen lokalen Rundfunksender. Im Rahmen einer von ihm im Oktober 2003 ausgestrahlten Sendung wurde ein Beitrag gesendet, der sich mit angeblichen Übergriffen von Polizeibeamten bei einer Demonstration beschäftigte. Ein unbekannt gebliebener Moderator spielte die Mitschnitte von zwei Telefongesprächen ein, die zwischen einem Pressesprecher der Polizei und einer Person geführt worden waren, die sich in den Telefongesprächen als ein Mitarbeiter des Senders mit Namen vorgestellt hatte. Auf die Strafanzeige des Landeskriminalamtes leitete die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen des Verdachts der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes (§ 201 Abs. 1 StGB) ein; nach dem Bekunden des Pressesprechers sei eine Aufzeichnung der Telefongespräche nicht vereinbart worden.“

Das war bestimmt einer diese Dödel, der selbst seine Pupse gerne würde „autorisieren“ lassen, sobald sie an die frische Luft kommen.

„Auf Antrag der Staatsanwaltschaft ordnete das Amtsgericht die Durchsuchung der Geschäftsräume des Beschwerdeführers an. Es lägen begründete Tatsachen für die Annahme vor, dass die Durchsuchung zum Auffinden von Beweismitteln führen werde, insbesondere des die Gespräche wiedergebenden Tonträgers, sowie von Unterlagen, die Aufschluss über die Identität des Anrufers und der weiteren Verantwortlichen gäben.“

Man muss sich mal die Begründung der Gerichte ansehen, die die Durchsuchung und deren „Verhältnismäßigkeit“ durchgewunken haben: „Sie sei auch nicht unverhältnismäßig, da es sich (…) um (…) keinen
schweren Eingriff in den Sendebetrieb des Beschwerdeführers“ handelte. Ach, eine Durchsuchung – ist ja nicht so schlimm, wir bleiben am Frühstückstisch sitzen und trinken Kaffee…damit muss ja jeute jeder mal rechnen.

Das Bundesverfassungsgericht sieht das anders: „Diese Eingriffe sind verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. (…) Die Ermittlungsbehörden sind ebenso gehalten, eine übermäßige Beeinträchtigung der Rundfunkfreiheit durch den Vollzug der Durchsuchung eines Rundfunksenders zu vermeiden.“

Wie sähe dieser Staat eigentlich aus, wenn es kein Bundesverfassungsgericht gäbe?

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