Geheimrezepte oder: Carpe Diem

massener heide

Gestern bin ich rund 50 Kilometer geebiket – nicht immer auf Asphalt – und fiel nach dem abendlichen Mahle (Foto unten) schlicht ins Bett, ohne – schändlich! – gebloggt zu haben. Lob und Preis dem Küchenchef meines Hotels, dem ich persönlich meine Komplimente wegen der Bratkartoffeln, die ich bisher zwei Mal genoss, mit jeweils unterschiedlichem Arrangement, überbrachte, hoffend, er werde mir sein Geheimrezept verraten, das es aber gar nicht gab. Vermutlich nur die Erfahrung, die man um so mehr zu schätzen weiß, als man mit fortgeschrittenem Alter merkt, wie wichtig sie sein kann – und wichtiger als bloßes Faktenwissen.

bahnhof unna

In diesem kleinstädtischen Ambiente kann man natürlich anthropologische Studien betreiben, die das Chillen an sich trefflich ergänzen. Das Andere beschreiben zu können, schärft den Blick für sich selbst – ein Geheimrezept des Reisens seit Alexander von Humboldt. Ein alleinstehender Mann im Restaurant ist hier nicht vorgesehen, nur zur Nahrungsaufnahme, weil Monteur oder sonstwie dienstlich unterwegs. Noch seltener alleinstehende Frauen. Man ist und isst immer in Gesellschaft. Vermutlich fände man bei Elias Canetti mehr dazu.

restaurant camillorestaurant camillo

Das kleinkarierte Männerhemd ist hier noch nicht ausgestorben. Ohnehin macht man sich nicht fein, wenn man ausgeht, sondern wechselt noch nicht mal die Funktionskleidung. Schaut man aber genauer hin, fallen die Kontoren der sozialen Grenzen durchaus auf: Alles muss „ordentlich“ sein, keine subkulturellen Accessoires, kein Aufdonnern à la reiche Russen, keine tyrannischen Kinder mit hijabistischen Eltern, keine muslimistischen Barttrachten. Aller sind hellhäutig, obwohl Quotenneger*Innen selbtredend toleriert würden. Die Hautfarbe spielt hier und jetzt keine Rolle, weil man sich Toleranz leisten kann. (Ich möchte aber nicht wissen, was die allein reisenden Herren anstellen würden, säße eine attraktive Afrodeutsche irgendwo solo herum. Der Firnis der Ziviliation ist – wie überall – sehr dünn.)

Man weiß, was man hat und wer man ist und ruht in sich. Der Pöbel, den es natürlich auch hier gibt, kann sich die Preise des Restaurants ohnehin nicht leisten. Der jugendliche Abschaum lungert am nächtlichen Bahnhof herum und lässt sich sogar durch Stimmen, die im Notaufnahme-Modus aus dem vierten Stock des Hotels – Ruhe anmahnend – erschallen, einschüchtern, was in Berlin undenkbar wäre.

altstadt unna

Ganz nebenbei: Nach der Revolution würde Don Alphonso im obigen Haus zwangseinquartiert, zusammen mit Anabel Schunke, und beide müssten eine Weile von dort aus zusammen bloggen, nur aus ethnologischem Interesse, was dabei herauskäme. Nach ein paar Monaten würden sie wieder entlassen und dürften publizistisch an der Konterrevolution basteln.

currywurst

Die Weltläufte verfolge ich am Rande. Gut, dass ich nichts mit dem Jugendamt Neukölln zu tun haben, oder, wenn doch, würde ich meinen Füller herauskramen und schönster Schreibschrift auf Pergament formulieren. Manchmal ergötze ich mich auch am kalten Medienkrieg und noch mehr an Vertretern der Journaille, die mit Schaum vor dem Mund reagieren, wenn man sich nur über die Heuchelei der Mainstrem-Medien bürgerlichen Presse lustig macht.

Siehe die taz, die Zensur natürlich nicht verwerflich findet: „War die Löschung der Kanäle deshalb falsch? Natürlich nicht.“ Der Autor ist auch noch Vorsitzender (m)einer Journalisten-Gewerkschaft. Man fremdschämt sich in Grund und Boden. Man kann von russischen Propaganda-Sendern halten, was man will, aber wer einmal den Wirtschaftsteil deutscher Medien studiert hat, weiß, was Kapitalismus-affine Propaganda ist.

Dann haben wir noch die schrecklichen alten „weißen“ Männer. „Was wir aktuell erleben, ist die Dehnung des Rassismusbegriffs ins Unendliche.Alles wird über die Rasse definiert: Religionen, Kulturen, sexuelle Vorlieben, Ernährungspräferenzen“, sagt Pascal Bruckner. Das müsste man von den Parteifunktionären der „Linken“ diskutieren lassen, aber die Linksidentitären hüllen sich dann auch noch in trotziges Schweigen, wenn sie schon auf dem Müllhaufen der Geschichte verrotten.

altstadt unna

A propos Kleinbürgertum: Hier ist es nett, aber wehe, wenn man sich das, was das Nette ausmacht, nicht mehr leisten kann – wenn man am Tropf staatlicher Unterstützung hängt oder mit einer Minimalrente auskommen muss. Ich weiß nicht, wie lange einen die gutsituierte ehemalige peer group mit dem Façon- oder wohlondulierten Haarschnitt dann noch mit durchziehen würde. Sogar die Currywurst würde dann unbezahlbar.

camillo-Pfanne

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Bewegte Zeiten

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Kumst vom arthaus:nowodworski, gesehen in Unna und durch eine Schaufensterscheibe fotografiert. „Unsere zentralen Themen sind die Veränderung der objektiven Realität und die Auseinandersetzung mit der Zeit.“ Interessant und schön ansehen, aber vermutlich für Leute wie mich unerschwinglich. Erinnert mich an einen weisen Satz des Glöckners von Unna: Nichts ist stärker als die Zeit.

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Alles Mega

facebook

Das war die Rache der russischen Hacker im Auftrag Putins! Oder, wenn die es nicht waren: die Chinesen!

Darf man eigentlich die Berliner Wahlen kritisieren, oder wird man dann von Youtube und Twitter gesperrt? Was machen jetzt die Selfie-Weiber auf Instagram? #facebookdown #whatsappdown #instagramdown

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Lokale Viel- und Einfalt

katharinenkirche unna

Im Mai vor Corona hatte ich schon frohgemut verkündet, dass die Evangelische Stadtkirche (erbaut ab 1322) in Unna nicht eingestürzt war, obwohl das durchaus möglich gewesen wäre. Es kam aber mehr als eine Tonne (Gewicht!) vom Dach geflogen. Mittlerweile ist das Gerüst vom oberen Teil des Turms schon weg, auch die Fiale wurde ersetzt. Nur die Uhr geht und schlägt noch nicht. Frage an die hier mitlesenden Kupferstecher Dachdecker: Der Turm war früher grün und ist jetzt kackbraun. Ist das Kupfer, welchselbiges im Lauf der Zeit grün wird, oder ist die Farbe ein Tribut an den Zeitgeist?

senfladen unna

Meine erste Amtshandlung bei einem Kurzurlaub in meiner Heimat ist immer, wie schon erwähnt, ein Besuch des Senfladens und der Verzehr der ortsüblichen Wurstwaren. Die höheren Wesen beschenkten mich mit Kaiserwetter Sonne, was sich leider in den nächsten Tagen zum Schlechteren wenden soll. Das wird mich aber nicht abhalten, den vorgefassten Plan zu erfüllen.

katharinenkirche unnaaltstadt unnaextrablattaltstadt unna

Leider kann kann mich im oberen Foto nicht sehen, ich sitze beschirmt zu weit weg. Zu der oft gestellten Frage, ob eine Kleinstadt die Alternative zu Berlin-Neukölln sei: Das entscheidet man am besten so gegen 19.10 Uhr, vgl. Foto unten. Immerhin – der Vorsehung sei Dank – habe ich im Hotel schnelles Internet.

altstadt unna

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Deutsch und einig

deutsche Einheit
Credits: Tagesspiegel

Das ganze Dilemma der „Linken“ kann in diesem Schaubild zusammengefasst werden: Diejenigen, für die die „Linke“ die Lobby sein sollte, wählen sie nicht. Doppelt so viele arme Wähler wie die der Linken haben die AfD vorgezogen.

Die Mehrheit des linksidentitären Milieus (Diversity, Genderitis) wird die angeblichen „Rechten“ verachten und froh sein, dass sie sich mit denen nicht mehr befassen müssen, inklusive der gesamten Partei-Schickerei (was meint: die sich in einer moralisch höherwertigen Position wähnen).

Mein Vorschlag, mit dem Holzhammer vorgetragen: Allen Mitgliedern der „Linken“ wird für ein Jahr verboten, Gendersprache oder folgende Wörter zu benutzen:
– Klima
– Flüchtlinge
– divers
– nachhaltig
– „gute Arbeit“
– „gerechte Löhne“
– fair (in Kombination mit einem anderen Wort)
– „Spaltung überwinden“
– „gut aufgestellt“
– einkommensschwach
– Arbeitnehmer
– Energiewende.

Was? Dann bleibt nichts mehr übrig? Muss erst Paul Levi wieder zum Leben erweckt werden, um zu erfahren, was „links“ bedeuten könnte?

Ferner: Die „Linke“ informiert sich beim Marxisten Pedro Castillo, wie man Wahlen gewinnt und übernimmt dessen Positionen zum Thema „Einwanderung“.

Wollte ihr alles nicht? Was zu beweisen war. Wir treffen uns das nächste Mal unter der Fünf-Prozent-Hürde. I told you so.

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Virtuelles Quetschen und Zerren

oasis of Klimaoasis of Klimaoasis of Klima

Ja, ich weiß, schon wieder. Aber jemand hier sagte mal, er lese das Blog, weil es dort Themen gebe, die er sonst nirgendwo sonst zu sehen bekäme. Dazu gehörte auch Second Life. Außer dem sehr anspruchsvollen Living in a modemworld kenne ich auch keines, das sich mit den real existierenden virtuellen Welten beschäftigt.

Auf dem unteren Screenshot (zum ersten Mal hier?) sieht man die verschiedenen Features eines Viewers, den man in Second Life braucht – hier Firestorm. Mein Avatar baut ein paar Dünen, was weitaus schwieriger ist bei einer begrenzten Anzahl von Polygonen als es scheint. Der neueste Schrei sind Objekte aus Mesh. So etwas macht man mit Blender. Mesh-Objekte sehen viel realistischer aus als die klassischen Prims, haben aber die unangenehme Eigenschaft, einen immer größeren land impact zu erzeugen, wenn man sie „auseinanderzieht“, also größer macht, als sie ursprünglich waren (ich habe meine Dünen gekauft). Wenn man eine sehr differenzierte Düne, die so viel Lag verursacht wie etwa zehn klassische Polygone, um das Dreifache vergrößert, hat man eventuell plötzlich einen land impact von fast 80 Prims, was jeden Sim-Besitzer zum Heulen und Zähneklappern bringt, wenn man eine ganze Sahara-ähnliche Landschaft erzeugen will.

Mesh-Objekte benehmen sich normalerweise „ordentlich“ in dem Sinn, dass die Avatare darauf herumlaufen können – bei den bisher dominierenden sculpted prims war das unbedingt nicht so. Hier aber hatte der (weibliche) chief builder die Düne „phantom“ gemacht, die Größe, kombiniert mit dem ästhetischen Anspruch, erzwang es, man konnte also einfach durchlaufen, was nicht sehr realistisch ist. Dafür hatte der Sandberg nur sehr wenig land impact. Man hat dann als Game Designer die Wahl zwischen Teufel und Beelzebub: Realistisch, aber zu viel land impact, oder wenig land impact, also insgesamt weniger Lag, dafür aber unrealistisch.

Hier musste ich mir mir einem Trick behelfen: Ich baute einen klassischen Prim (Polygon), den ich quetschte und drehte und sonstwie verformte, bis er ungefähr die Form der Mesh-Düne hatte. Dann macht ich ihn komplett durchsichtig. Jetzt laufen die Avatare auf dem Polygon, aber es sieht so aus, als liefen sie auf der Düne. Gern geschehen, falls das überhaupt jemanden interessiert. Und völlig unpolitisch ist es auch.

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Islamischer, rechter und linker Querfront-Antisemitismus

Sehr informativer, aber auch sehr langer Artikel Michael Blumes auf SciLogs über Antisemitismus mit Fakten, die ich bisher auch nicht kannte. Lesenswert!

Die simple Wahrheit ist, dass sich der Islam ebenso wie das (…) Christentum sowohl judenfreundlich wie judenfeindlich, sowohl semitisch wie antisemitisch auslegen lassen. (…) das Fazit, dass sich Antisemitismus nur dann glaubwürdig bekämpfen lässt, wenn dabei „jeder“ Antisemitismus entschieden angegangen wird. Wer bei Einheimischen oder Zugewanderten, bei Rechts- oder Linksextremen, bei Nichtreligiösen oder Religiösen, bei Christen oder Muslimen, bei einseitigen „Israelkritikern“, islamfeindlichen Ethnonationalisten oder jungen Klimaschützer gar nicht so genau hinschauen will, handelt sowohl gegenüber jüdischen Menschen wie auch gegenüber den Verschwörungsgläubigen und schließlich gegenüber sich selbst schwach und niederträchtig.

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