Rezepturen und Anleitungen zur Herstellung von Sprengstoffen und Bomben

Ein Beitrag im Heise-Forum hat mir so gut gefallen, dass ich ihn hier ausführlich zitiere:

„Von den Stoffen, um die es geht, werden etliche (bei der Liste von Herrn Schröder alleine mindestens 2) in der Medizin als Wirkstoffe von Medikamenten gegen Herzerkrankungen eingesetzt.

Andere Stoffe (von denen auf obiger Liste mindestens ein weiterer Stoff) werden in der Technik etwa als Klebstoff eingesetzt. Wieder andere (zum Teil auch auf der obigen Liste) werden bei chemischen Synthesen benötigt. Von Verwendungen in pyrotechnischen Geräten wie Airbags, Gurtstraffern und als Sprengstoff in Steinbrüchen und im Bergbau ganz zu schweigen.

An der Herstellung dieser Stoffe und den Industrieunternehmen, die sich mit Forschung und Entwicklung auf diesen Gebieten beschäftigen, hängen direkt und indirekt (z.B. Kfz-Produktion von PKW mit den in Deutschland erfundenen Airbags) Millionen von Arbeitsplätze, ein Steueraufkommen in Milliardenhöhe und damit wichtige Beiträge zur Finanzierung der Sozialsysteme.

Viele dieser Substanzen kommen sogar in Haushaltsprodukten vor. Rate mal, woraus Uhu-Hart-Klebstoff, Zellhorn-Kämme oder Tischfeuerwerkskörper bestehen! Richtig, aus dem Cellulosenitrat auf der Schröder’schen Liste.“

509.421 Sprengstoff- und Bombenbauanleitungen in Deutschland

Die irren Filter- und Zensurfreunde von der PAN AMP AG haben wieder eine lustige Pressemeldung rausgehauen: „Sprengstoff- und Bombenbauanleitungen wurden per Robot-Technologie im Internet analysiert und bewertet. Eines der Ergebnisse: Der steile Anstieg auf 509.421 detektierte Sprengstoff- und Bombenbauanleitungen in Deutschland führte bereits zu zahlreichen Verletzungen der meist jugendlichen Nachbauer, auch Todesfälle konnten dem Nachbau gefährlichster Internet-Anleitungen zugeordnet werden. (…) Die größte Anzahl gefährlicher Sprengstoff- und Bombenbauanleitungen auf einem Server wurden im September 2008 auf dem Stadtgebiet Berlins analysiert.“ Meinen die damit burks.de? [via netzpolitik.org: „Auf die Bevölkerung hochgerechnet kommt also jeden 160. Bürger eine Bombenanleitung“.] Die Deutschen – offenbar ein Volk von Bombenbauern! By the way. Welche Ärztegattung wäre für die „Internetsicherheitsfirma“ und Konsorten zuständig?

Quellen zum Weiterlesen:
Wikipedia: Sprengstoff
Wikipedia: Explosive material
University of Mississippi: Explosive Materials Disposal
Prof. Blumes Bildungsserver: Über die Leichtigkeit, Spreng- und Kampfstoffe herzustellen
Reference.com: Explosive material
Documentation and Diagrams of the Atomic Bomb
de.sci.misc: Einfuehrung in die Sprengchemie
Links zur Pyrotechnik

Block der Gläubigen (II)

IDF in Gaza
Israelische Streitkräfte in Gaza, Quelle: IDF

Zweiter Teil meiner Notizen zu Gilles Kepel: Die Rache Gottes – Radikale Moslems, Christen und Juden auf dem Vormarsch“, insbesondere Kapitel 4: „Die Erlösung Israels“ (S. 203-267).

7. Die radikalsten Aktivisten der »Gush-Emunim« schwenkten auf eine Taktik des Gegenterrors ein, die an die Strategie der OAS in Algerien erinnert, und verstanden ihre Gewaltaktionen (durch die sie das Gewaltmonopol eines in ihren Augen versagenden Staates usurpierten) als Vollzug des israelischen Volkswillens — wie ein Mitglied dieser damals entstehenden »jüdischen Untergrundbewegung« in einer Verteidigungsschrift beteuert. Der Verfasser dieser Schrift weist immer wieder darauf hin, dass seiner Meinung nach der Gegenterror vom Durchschnittsisraeli und sogar der Regierung gebilligt werde. Als im Radio die Nachricht vom Attentat auf die arabischen Bürgermeister gesendet wird, erlebt er, wie eine einfache Frau spontan über die Bombenleger sagt: »Ich würde ihnen die Hände dafür küssen.« Der Militärgouverneur der besetzten Gebiete habe sogar bedauert, dass die Opfer bei den Attentaten nur verletzt wurden. Und in Nablus sei die arabische Bevölkerung von Sprengstoffanschlägen in Angst und Schrecken versetzt worden – womit man das gesteckte Ziel erreicht habe. Dem steht das »Lavieren« von Premierminister Begin gegenüber, der die Gewaltanwendung bedauert und eine Untersuchung anordnet, die allerdings im Sande verläuft. (Kepel, S. 232f.)

Im Februar 1983 wurde der „linke“ israelische Friedensaktivist Emil Grünzweig vom „rechten“ Yona Avrushmi ermordet. Es folgen weitere Anschläge, u.a. auf den Markt und die islamische Universität von Hebron mit mehreren Toten. Der israelische Geheimdienst Mossad zerschlug das „Untergrund“-Netz und verhinderte Schlimmeres – die israelischen Terroristen wollten auch den Felsendom und die al-Aqsa-Moschee sprengen, was vermutlich einen 3. Weltkrieg ausgelöst hätte.

Tatsächlich spekulierten die Verschwörer ganz kaltblütig auf diese Möglichkeit, wie der israelische Hochschullehrer Gideon Aran, der beste Kenner der »Gush-Emunim«, betont: »Die Anführer der Untergrundbewegung glaubten, dass die Sprengung der »Schandflecken« (des Felsendoms und der Al-Agsa Moschee [sic]) mehrere hundert Millionen Muslime zum Jihad veranlassen würde, was die ganze Menschheit in die letzte, entscheidende Schlacht zwingen würde: den Kampf zwischen Gog und Magog mit all seinen kosmischen Folgen. Der Sieg Israels am Ende dieser so sehnlich herbeigewünschten Feuerprobe könnte das Kommen des Messias vorbereiten.

Nach 1984 taucht die Gush-Emunim nicht mehr auf, aber die Theorien wie auch die des Kahanismus werden von anderen Parteien modifiziert aufgenommen und vertreten, unter anderem von der Otzma Jehudit. Wie überall sind auch die Grenzen zwischen „ultrarechts“ und „Nazis“ in Israel fließend – die Ideen der Anhänger Kahanes kann man durchaus mit den Nürnberger Rassegesetzen vergleichen.

IDF in Gaza
Israelische Streitkräfte in Gaza, Quelle: IDF. kann jemand von den hier mitlesensen Waffe-, Militär- und Kriegsexperten erklären, was die Panzer oben für eine sonnendachähnliche Konstruktion haben und für was die gut ist?

8. Ich hatte 2015 schon etwas zum Thema „Terror und Apokalyptiker“ geschrieben gestützt u.a. auf Hans Blumenberg“ „Lebenszeit und Weltzeit“. Man sieht: Dieses Phänomen ist nicht auf nur eine der monotheistischen Weltreligionen beschränkt, sondern taucht in allen auf – als deren äußerste Konsequenz:

„Die Terreur ist nichts anderes als unmittelbare, strenge, unbeugsame Gerechtigkeit; sie ist also Ausfluss der Tugend; sie ist weniger ein besonderes Prinzip als die Konsequenz des allgemeinen Prinzips der Demokratie in seiner Anwendung auf die dringendsten Bedürfnisse des Vaterlandes.“ (Maximilien de Robespierre, 1794)

9. Kepel weist auch darauf hin, dass die Motive der „rechten“ israelische Terroristen denen der militanten Islamisten ähneln, die 1981 den ägyptischen Präsidenten Anwar as-Sadat ermordeten. Dort „Re-Judaisierung“, hier „Re-Islamisierung“.

Jetzt wird es kompliziert (Arbeitshypothese). Wenn sich hinter Religion die jeweiligen Klassenkämpfe kostümiert verstecken – wie kann man das vergleichen, wenn sich die Ideen also Elemente des luftigen Überbaus – strukturell ähneln, die Kämpfe der Klassen aber unter ganz verschiedenen Voraussetzungen, Zeiten und Ländern stattfinden?

IDF in Gaza
Israelische Streitkräfte in Gaza, Quelle: IDF

Dabei stößt die Rejudaisierung besonders unter den sephardischen Juden Israels auf große Resonanz, weil die Orthodoxen als erste ihre Interessen vertreten und es ihnen ermöglicht haben, sich innerhalb des institutionellen politischen Systems Gehör zu verschaffen. [Quod erat demonstrandum] Hat sich in der Zeit zwischen 1974 und 1984 vor allem die »Gush-Emunim« als Vorkämpferin einer Rejudaisierung Israels hervorgetan, sind es danach die Haredim, die sich in diesem Bereich besonders engagieren. Während die Hochburgen der »Gush-Emunim« in den Siedlungen der besetzten Gebiete liegen und die meisten ihrer Anhänger Aschkenasim oder Sabra sind, die in den Jugendbewegungen der national-religiösen Partei aktiv waren, stammt die (ein beachtliches sephardisches Kontingent umfassende) Gefolgschaft der Orthodoxen hauptsächlich aus dem israelischen Kernland in den Grenzen vor 1967. (S. 252)

10. Die Orthodoxen in Israel sind sich natürlich nicht einig (vgl. judäische Befreiungsfront). Die Schasch vertritt die Sephardim. Die Kriterien Sephardim und Aschkenasim zu unterscheiden, halte ich für irrational und so albern rassistisch wie die verschiedenen Hautfarben in Brasilien. Letzllich ist das immer eine soziale Unterscheidung (vgl. pielroja).

Die Agudat Yisrael ist eher von osteuropäischer, also chassidischer Tradition geprägt. Degel haThora „repräsentiert den nicht-chassidischen Teil des aschkenasischen ultraorthodoxen Judentums, steht also in der Tradition der Befreiungsfron Judäas) litauischen Mitnagdim„.

Auf die Geringschätzung des aus Arbeiterpartei und Aschkenasım bestehenden Establishments, das den Zionismus auf seine eigenen Interessen abgestimmt hatte, reagierten die Sepharden häufig mit Wahlenthaltung. Hinzu kam die offene Auflehnung gegen das System, wie sie sich bei den Ausschreitungen ın den Elendsquartieren von Haifa 1959 oder ın der Gründung der »Schwarzen Panther« 1971 manifestierte, die auf die Ähnlichkeit ihrer Situation mit der Unterdrückung der Schwarzen in den USA aufmerksam machen wollten.(…)

Zugleich entwickelten diese Schattenkinder des sozialistischen und weltlichen Zionismus in ihrem überschwenglichen religiösen Empfinden neue Formen der sozialen Vernetzung, der Solidarität, des gesellschaftlichen Aufstiegs und der Verteidigung ihrer verspotteten Identität. Diese religiöse Inbrunst nahm im wesentlichen zwei Formen an: Zum einen bestand sie ın der symbolischen Verlegung von Gräbern von (hauptsächlich marokkanischen) Heiligen nach Israel, deren neue Ruhestätten zu regelrechten Wallfahrtsorten wurden; zum anderen in der Wiedereinführung der Verehrung von Weisen (Hakham) – wie man sie schon in der Diaspora praktiziert hatte. (S. 256)

IDF in Gaza

11. Diese auf der Ebene der gesamten Bewegung praktizierte Endogamie verstärkt den inneren emotonalen Zusammenhalt der Gemeinschaft, die sich durch Riten der totalen sozialen Abgrenzung definiert. (…)

Eine solche Definition der Identität durch einen übersteigerten Ritualismus, durch die systematische Suche nach Abgrenzungssymbolen erinnert an eine pietistische islamische Gruppe wie die »Tablich«.

Da haben wir wieder alle „Sekten“-Mechanismen zusammen. Für mich ist auch die Hijabisierung der türkischen Einwanderer und deren Nachfahren so erklärbar. (Ende meiner Notizen)

Kinnereth, revisited

Tiberias

Auf so eine Meldung haben die Hamas-Freunde natürlich gewartet: Hundreds of people were reported killed in an explosion at the Ahli Arab Hospital in Gaza City on Tuesday evening, the Hamas-run Gaza Health Ministry reported, at the same time as a barrage of rockets were fired from the Strip toward Israel.

Wait a minute. Hat die IDF nicht dazu aufgefordert, den Norden des Gaza-Streifens zu verlassen? Versteckt sich die Hamas nicht unter Schulen und Krankenhäusern und nutzt Zivilisten als Schutzschild? (Nützt ihnen gerade nichts.)

TiberiasTiberias

Zum aktuellen Stand: The Israeli military is getting ready for the next phase of its campaign against the Gaza Strip but plans may not conform to widespread expectations of an imminent ground offensive, the IDF’s International spokesperson said on Tuesday.

„We are preparing for the next stages of war. We haven’t said what they will be. Everybody’s talking about the ground offensive. It might be something different,“ Lt.-Col. Richard Hecht told a regular briefing with reporters.

TiberiasTiberias

Tiberias ist eine hässliche Stadt, was die Umgebung des Ufers angeht. So eine Art Ballermann, übersät mit hässlichen Buden und Restaurants, umsäumt von hässlichen Betonklötzen. Die wenigen archäologischen Reste in der Innenstadt sind zerfallen oder stehen auf Verkehrsinseln herum. Kann man vergessen.

TiberiasTiberias

Ich habe Fotos gesehen, dass der Ort früher sehr schön war, aber man hat das alles abgerissen zugunsten des Profits. Die Leute, die gemeint sind, kommen sowieso – vermutlich diejenigen, die sich das hippe Tel Aviv nicht leisten können und wollen.

Tiberias

Es gibt natürlich auch hier Palästinenser-Versteher wie das Supermodel Gigi Hadid. Vergleiche gehen eigentlich nicht: Die Hamas hat Zivilisten bestialisch abgeschlachtet, nur weil sie Juden sind, Frauen und kleine Kinder und alte Leute. Und jetzt wollen sie propagandistisch den Spieß umdrehen. Hier hört man eher no mercy. „Solange die Hamas die israelischen Geiseln nicht freilässt, dürfen nur hunderte von Tonnen Sprengstoff und Bomben in den Gazastreifen explodieren, kein Gramm von humanitäre Hilfe“, tweetete Israels Minister für nationale Sicherheit Itamar Ben-Gvir.

Es ist übrigens gar nicht klar, von wem die Rakete auf das Krankenhaus kam. Wir werden es vermutlich nie erfahren. In Deutschland werden natürlich die Tränen fließen, wenn den Palästinenserchen auch ein Leid geschieht. Und der Mob tobt schon in der Türkei und in Jordanien. (Ich sollte aufhören – ich schreibe mich gerade in Rage.)

Wir haben nichts von den meisten Arabern oder Muslimen gehört, nachdem die Hamas jüdische Israelis abgeschlachtet hat. Aber jetzt, wo Israel den Gazastreifen bombardiert, kommt es überall zu Demonstrationen und Unruhen von Arabern und Muslimen.

Tiberias

Interessant: Offiziere im Südbezirk Israels fordern eine sofortige Bodeninvasion in den Gazastreifen. Neben den operativen Plänen, die grundsätzlich vom Militärstab genehmigt wurden, werden jetzt andere alternative und „überraschendere“ Pläne und Taktiken geprüft, um diese im Gazastreifen umzusetzen. (Israel heute)

Tiberias
Dachterrasse reloaded: Man kann natürlich alles auch so fotografieren, dass es hässlich aussieht.

Die Aufnahme von palästinensischen Flüchtlingen ist eine rote Linie. Keine palästinensische Flüchtlinge in Jordanien, keine palästinensische Flüchtlinge in Ägypten. (Der jordanische König Abdullah II.)

Was sagt Baerbock? Schaffen wir das?

Warum die neue deutsche Volksgemeinschaft so glücklich macht und noch mehr

volksgemeinschaft

Ich musste überlegen, wann ich zum letzten Mal so etwas Dämliches gelesen hatte. Die Frage, ob das noch Journalismus sei, lassen wir mal so stehen. Das Bild lässt mich Kotzen. Jedes Wort lässt mich Kotzen. Neu. Deutsch. Und dann diese „Hilfsbereitschaft“, die nur nur verkappter Egoismus ist und eine paternalistische Attitude. Um das klarzustellen: Ich habe nichts dagegen, zweifle aber an den Motiven und jetzt erst recht, wenn Menschen aus der Ukraine kommen. Was wäre, wenn es Russen wäre? Nein, noch besser: Flüchtlinge aus Mali? Oder aus dem Jemen? (Der Chor der „Linken“ im Off: Alle aufnehmen, wir nehmen wirklich alle!)

Wir bleiben beim Thema. Noch mal der hier schon zitierte Fabian Lehr: „Was mich aber immer noch ziemlich irritiert ist ein Take, der mir in Diskussionen mit grünen und liberalen Slawa Ukraini-Leuten schon mindestens ein halbes Dutzend Mal begegnet ist: Regelmäßig wird mir an einem bestimmten Punkt der Diskussion in triumphierendem Ton das vermeintlich überwältigende Argument entgegengeschleudert „Aber lass mich raten: Wenn Deutschland überfallen würde, würdest du das plötzlich ganz anders sehen??!!“
Äh, nein, würde ich nicht? Selbstverständlich würde ich keine Sekunde in Erwägung ziehen, für die Verteidigung der territorialen Integrität der BRD mein Leben zu riskieren oder irgendjemanden zu töten? Selbstverständlich würde ich die Frage, ob die Pfalz französisch, die Lausitz polnisch oder Bayern österreichisch wird, für keine Frage halten, die Sterben und Töten für Deutschland zum Gebot macht?
Wenn man das erwidert, sind die Leute darüber dann meistens entweder ungläubig („Jaja, das sagst du JETZT, solange es nur ein Gedankenspiel ist“) oder empört und irritiert. Dass es Menschen gibt, die sich wirklich nicht mit ihrem Staat identifizieren und den Grundsatz „Süß und ehrenvoll ist es, für das Vaterland zu sterben“ nicht einleuchtend finden, scheinen Grüne und Liberale sich 2022 tatsächlich überhaupt nicht mehr vorstellen zu können.“

Well said, dude.

newd.cn
Verwenden die bei news.cn noch Windows 3.11? Eine Datei, die auf „htm“ endet? Ich musste übrigens extra auf Android umschalten, um das überhaupt lesen zu können – alle meine Browser unter Linux weigern sich.

Dann waren da noch die Chinesen. Peking hat die Vereinigten Staaten von Amerika aufgefordert, alle offiziellen Kontakte zu Taiwan abzubrechen. Das erklärte der Sprecher des chinesischen Außenministeriums Zhao Lijian am Freitag, wie die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua berichtet. Am 15. April hat das Kommando des östlichen Schauplatzes der chinesischen Volksbefreiungsarmee Kriegsschiffe, Bomber, Kampfjets und andere Kräfte entsandt, um Mehrzweck-Kampfpatrouillen zu organisieren und See- und Luftübungen im Ostchinesischen Meer und um die Insel Taiwan durchzuführen.“

Au weia. Zum Glück kommt mein Gas zum Kochen, Heizen und Duschen nicht aus China. Noch wieder andere Chinesen schildern das Geschehen in Mariupol.

Max Hoelz
Franz Seiwert: Figurative Constructivist painting of Max Hölz 1921

Und now for something completely different. Am 15. April 1921 wurde Max Hoelz in Berlin verhaftet. Als Arbeiterführer in Sachsen stellte Hoelz – entgegen dem Willen der KPD-Führung – bewaffnete Kampfgruppen auf, die 1920/21 im Vogtland den nach ihm benannten, stark von anarchistischen Vorstellungen geprägten Aufstand initiierten. Mehrere Tage lang lieferten sich linke Republikfeinde mit der Polizei einen regelrechten Krieg. Wegen dieser Aktivitäten schloss ihn die KPD mit der Begründung der Disziplinlosigkeit aus. Hoelz schloss sich nun der linkskommunistischen KAPD an, der er bis Mitte der 1920er Jahre angehörte.

Hoelz wirkte 1921 an mehreren Sprengstoffanschlägen gegen Symbole der „Reaktion“ mit. 1921 wurde er zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt. Dabei spielte auch der Mord am Gutsbesitzer Heß eine Rolle, der Hoelz zur Last gelegt wurde. Doch später fand sich der eigentliche Täter. Anlässlich der 1927 erschienenen Zuchthausbriefe von Hoelz, die von dem bekannten Journalisten Egon Erwin Kisch herausgegeben worden waren, wurde ein Aufruf zahlreicher Intellektueller der Republik (Bert Brecht, Martin Buber, Otto Dix, Albert Einstein, Lion Feuchtwanger, Carl Froelich, Heinrich Mann, Thomas Mann, Ernst Rowohlt, Arnold Zweig etc.) zur „Nachprüfung“ des Urteils veröffentlicht. Am 18. Juli 1928 wurde Hoelz, der zwischenzeitlich wieder der KPD beigetreten war, amnestiert und freigelassen. 1929 emigrierte er auf Einladung Josef Stalins in die UdSSR. 1933 kam er unter ungeklärten Umständen ums Leben.

sewastopol
Russische Flotte in Sewastopol. Iwan Aiwasowski, 1846

Da wäre noch: Die Araber räsonnieren über die russische Marine. (Araber? Über Marine?) Dann doch eher Kachelmann: „Manchmal wünschte ich mir, dass es bei Medien einen Recherche-Impetus gäbe, der oberhalb desjenigen eines abgetauten Kühlschranks wäre und der mit einem Zeitaufwand von zwei Minuten (…) nachsieht, ob es wirklich einen Sturm gab und das Ergebnis gleich in die Meldung einbaut.“

Frage an Radio Eriwan: Ist das Feuer auf der Moskwa inzwischen gelöscht?
Radio Eriwan: Im Prinzip Ja.

Free Speech, aber nicht bei Facebook

Malca Goldstein-Wolf / Facebook Ireland Ltd:
– Frau Goldstein-Wolf wurde von Facebook in der zweiten Novemberhälfte für 30 Tage gesperrt und ihr nachstehend wiedergegebener Beitrag, ein Witz, wegen angeblicher „Hassrede“ gelöscht.
Was passiert, wenn eine Fliege in eine Kaffeetasse fällt? Der Italiener schmeißt die Tasse zu Boden, zerbricht sie und läuft wutentbrannt davon. Der Deutsche wäscht die Tasse sorgfältig aus, sterilisiert sie und kocht sich einen neuen Kaffee. Der Franzose nimmt die Fliege heraus und trinkt den Kaffee. Der Chinese isst die Fliege und schüttet den Kaffee weg. Der Russe trinkt den Kaffee mit der Fliege, wenn es schon mal was gratis gibt. Der Israeli verkauft den Kaffee dem Franzosen, die Fliege dem Chinesen und die Tasse dem Italiener, trinkt eine Tasse Tee und erfindet mit dem verdienten Geld einen Schutz, der Fliegen davon abhält, in Tassen zu fallen. Der Palästinenser gibt dem Israeli die Schuld an der Fliege in seinem Kaffee, protestiert bei den Vereinten Nationen gegen diesen Akt der Aggression, nimmt von der Europäischen Union eine Spende für den Kauf eines neuen Kaffees entgegen, kauft für das Geld jedoch Sprengstoff und jagt damit das Kaffeehaus in die Luft, in dem der Italiener, der Franzose, der Chinese, der Deutsche und der Russe gerade versuchen, dem Israeli zu erklären, dass dieser seine Tasse Tee dem Palästinenser überlassen sollte.

Potemkin lässt grüssen, reloaded und revisited

Sven Röbel schreibt im aktuellen Spiegel („Amtlicher Größenwahn“):
Mindestens fünf geheime Informanten hatte der Thüringer Verfassungsschutz im Umfeld des abgetauchten Trios Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe platziert. Der eine half beim Abschleppen des defekten Fluchtwagens, der andere gab Tipps zum ersten Versteck, ein dritter hielt fließig Telefonkontakt in den Untergrund. Gebracht hat all der Aufwand nichts: Entweder logen die braunen Spitzel gegenüber ihren Agentenführern, oder der Geheimdienst behielt seine Informationen für sich, aus Angst, seine Quellen könnten enttarnt werden. (…) Wer hatte hier eigentlich wen unterwandert – der Staat die Neonazi-Szene oder die Szene den Staat?

In der Leitungsetage des Thüringer Verfassungsschutzes herrschte in den Neunzigerjahren [sic] offenbar eine Mischung aus Dilettantismus, Blindheit und amtlichem Größenwahn. (—) Im Glauben an die irrwitzige Idee, man könne die Rechtsextremisten kontrollieren, indem man ihre Führer zu V-Leuten macht, produzierte der Deisnt mitunder erst die Probleme, die er vonAmts wegen hätte verhindern müssen.

Ich schrieb am 15.03.1997 (also vor 17 Jahren) in der taz:
Der Verfassungsschutz ist mehr als überflüssig. Manchmal schafft er sich die Feinde erst, die er bekämpfen will.(…)

Die Neonazi-Partei „Nationalistische Front“ wurde 1983 mit Geldern aufgebaut, die der Verfassungsschutz dem V-Mann Norbert Schnelle zahlte, der sich nur zum Schein hatte anwerben lassen. Ein V-Mann des niedersächsischen Landesamtes, Hans-Dieter Lepzien, baute höchstpersönlich die Bomben, die Neonazis 1977 vor Justizgebäuden plazierten. Der V- Mann Werner Gottwald orderte Maschinenpistolen, Handgranaten und Plastiksprengstoff für die rechte Szene. (…)

Potemkin läßt grüßen.

Und wie stark wären die Nazis ohne die vom Staat finanzierten Spitzel? Das alles sind keine Ausrutscher, es hat System.

Ich schrieb am 15.11.2011:
Der Verfassungsschutz gehört ersatzlos abgeschafft. Das fordert aber keine politische Partei in Deutschland, weil man Behörden, wenn sie mal da sind, nicht mehr abschaffen kann. Ich fordere es und habe gute Gründe dafür. Es ist aber sinnlos, darüber ernsthaft diskutieren zu wollen, weil die Existenz dieser Behörde mit der offiziellen Staats- und Geschichtslehre Deutschlands – der Totalitarismusdoktrin – eng verzahnt ist.

Zur Erinnerung Heise vom 19.08.2014: „Verfassungsschutz soll mehr zur IT-Sicherheit beitragen“.

Was werden wir in 17 Jahren – also im Jahr 2031 – lesen? natürlich: „Der Verfassungsschutz soll mehr Mittel bekommen.“

Warum ist Astronomie wichtig?

Florian Freistetter berichtet auf seinem Blog „Astrodicticum Simplex“ über eine wissenschaftliche Arbeit mit dem Titel „Why is Astronomy Important?“: „In ihrer Arbeit listen Rosenberg und ihre Kollegen auf, wo Forschung und Technik die ursprünglich für die Astronomie entwickelt worden sind, heute überall in ganz anderen Gebieten eingesetzt wird.“

Beispiele:

  • Die Technik der Apertursynthese wurde ursprünglich für die Radioastronomie entwickelt; wird heute aber in der medizinischen Bildgebung (MRI-Scan, Computertomografie, etc) angewendet.
  • Sensoren die zur Teleskopsteuerung entwickelt wurden, werden zur Temperaturüberwachung in Brutkästen für Babys eingesetzt.
  • Eine Technik zur Verbesserung der Bildqualität von radioastronomischen Aufnahmen aus dem Jahr 1977 wird heute überall in WLAN-Netzwerken verwendet.
  • Die gaschromatische Analyse von Gepäckstücken auf Flughäfen, bei denen nach Sprengstoff und Drogen gesucht wird, stammt von einer Marsmission.

Der Judenknax

Thinktankboy: „Mit seinem Buch ‚Die Bombe im jüdischen Gemeindehaus‚ konnte Wolfgang Kraushaar den misslungenen Sprengstoffanschlag auf die Berliner Jüdische Gemeinde am 9. November 1969 aufklären, was der Polizei über 30 Jahre lang nicht gelingen wollte. Albert Fichter von den Tupamaros Westberlin legte im Auftrag von Dieter Kunzelmann die Bombe, die er zuvor von Peter Urbach, einem V-Mann des Verfassungsschutzes bekam. Das ideologische Rüstzeug für den Anschlag im Jüdischen Gemeindehaus reichte der aus Bayern stammende Kunzelmann in seinem ersten ‚Brief aus Amman‘ nach: Palestina ist für die BRD und Europa das, was für die Amis Vietnam ist. Die Linken haben das noch nicht begriffen. Warum? Der Judenknax. ‘Wir haben 6 Millionen Juden vergast. Die Juden heißen heute Israelis. Wer den Faschismus bekämpft, ist für Israel.’ So einfach ist das, und doch stimmt es hinten und vorne nicht. Wenn wir endlich gelernt haben, die faschistische Ideologie “Zionismus” zu begreifen, werden wir nicht mehr zögern, unseren simplen Philosemitismus Zu ersetzen durch eindeutige Solidarität mit AL FATAH, die im Nahen Osten den Kampf gegen das Dritte Reich von Gestern und Heute und seine Folgen aufgenommen hat.“

Ich werde mir das zweite Buch wohl kaufen:
Wolfgang Kraushaar Die Bombe im Jüdischen Gemeindehaus – Hamburger Edition – 300 Seiten – Juli 2005
Wolfgang Kraushaar: „Wann endlich beginnt bei Euch der Kampf gegen die heilige Kuh Israel?“, München 1970: über die antisemitischen Wurzeln des deutschen Terrorismus – Rowohlt – 880 Seiten – Februar 2013

Zünderloser Extremismus radikal-islamistischer Prägung

Sueddeutsche.de (Tag: „Extremismus“): „Der beim versuchten Bonner Bombenanschlag verwendete Sprengsatz hatte einem Zeitungsbericht zufolge doch keinen Zünder. ‚Die Bombe war nicht sprengfähig, weil ein Zünder fehlte‘, zitiert die ‚Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung‘ (‚FAS‘) einen hohen Sicherheitsbeamten. (…) Die Bundesanwaltschaft geht von einem versuchten Sprengstoffanschlag einer terroristischen Vereinigung radikal-islamistischer Prägung aus.“

Terroristen, die eine Bombe ohne Zünder bauen? Ich gehe von etwas ganz anderem aus als die Bundesanwaltschaft.

Syriens „Freiheitskampf“

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Ich hatte bisher nichts über Syrien geschrieben. Bekannt ist aber: Das Bundeskanzleramt und der BND hatten laut Medienberichten bisher keine Probleme damit, Deutsche in Syrien foltern zu lassen.

Die Deutschen haben die syrische „Oppostition“ schon in der Nazi-Zeit unterstützt, vgl. das Buch: Christoph Schultz-Esteves: Syriens Freiheitskampf, Leipzig Wilhelm Goldmann Verlag 1939 (ich habe das irgendwo hier, finde es aber grad nicht).

Die so genannte Opposition im syrischen Bürgerkieg, die von den Neo-imperialistischen Staaten aufgepäppelt wurde, spielt eine ähnliche Rolle wie die „Taliban“ zur Zeit der sowjetischen Besatzung in Afghanistan: Damals wurden diese mit westlichen Waffen alimentiert, um gegen die Sowjetunion zu kämpfen, und nach deren Abzug wunderte man sich, dass nun die so genannten westlichen „Schutztuppen“ mit eben diesen Waffen attackiert wurden.

Genau das wird in Syrien auch passieren. Laut stern Deutsche Welle „…beschränkten sich die amerikanischen Geheimdienste darauf, für eine geordnete Waffenübergabe zu sorgen: Vor allem Raketen und Sprengstoff sollten nicht in die Hände religiöser Extremisten fallen. Finanziert würden die Waffen hingegen von der Türkei, Saudi-Arabien und Katar.“

Wer’s glaubt. Ähnliche Lügengeschichten verbreitet auch Gerhard Schindler, der Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND), über die syrischen „Rebellen“: ‚Ihr Erfolgsrezept ist eine Art Guerillataktik. Das zermürbt die Armee zunehmend.‘ Der Widerstand werde keineswegs von Islamisten dominiert, betonte der Terrorexperte.“

Bruahahaha. Terrorexperte! Schon klar. Foreign Policy fasst das Ergebnis der „geordneten Waffenübergabe“ zusammen: „The new leader of Syria’s opposition has a history of statements that are anti-Semitic, outrageous, and sometimes downright bizarre. (…) Taken as a whole, these statements raise disturbing questions about whether Syria’s new opposition leader is truly as „moderate“ as he has been described in the press.“

Wir werden also auch in der ehemaligen französischen Kolonie Syrien bald einen islamistischen Staat haben, der vom „Westen“ unterstützt wurde, um anschließend seine ehemaligen Unterstützer zu bekämpfen. Was die Menschen- und Bürgerrechte angeht, kommen die Syrer nur vom Regen in die Traufe.

[Übrigens verlinkt ‚Foreign Policy‘ alle Quellen. Das würde in deutschen Medien nicht passieren.]

S-Bahn-Peter heisst jetzt NSU-Thomas

„NSU-Sprengstofflieferant war V-Mann der Berliner Polizei“, lesen wir bei Spiegel Online. Ach. Welcher der Nazi-Terroristen war eigentlich nicht V-Mann? Seit Peter Urbach vor einem halben Jahrhundert war eigentlich jeder, der aus vermeintlich politischen Gründen mit Sprengstoff hantierte, ein Spitzel und Agent provocateur.

Die Vergangenheit kehrt zurück

cSpiegel Online und andere Medien berichten, dass Carsten Schultze in Düsseldorf verhaftet worden ist – als mutmaßlicher Helfer der Nazi-Terrorgruppe NSU (es gilt die Unschuldsvermutung):
„Konkret wird Carsten S. verdächtigt, 2001 oder 2002 gemeinsam mit dem ebenfalls inhaftierten Ralf Wohlleben eine Waffe und Munition in Jena gekauft zu haben.“

Indymedia im Jahr 2006: Carsten Schultze war stellvertretender Landesvorsitzender der ‚JN‘ in Thüringen und wurde nach seinem Ausstieg 2000 Schwulen-Referent an der FH Düsseldorf und ist im gemeinsamen Schwulenreferat an der FH Düsseldorf und Heinrich-Heine-Universität aktiv.

Auf der Website der Antifaschistischen Linken Düsseldorf liest man: Offenbar lag dem „Spiegel“ (Ausgabe 1/2012) exklusiv ein geheimer und der Öffentlichkeit erst in 30 Jahren zugänglicher Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutzes vor. [Woher mag der Spiegel den wohl warum bekommen haben? B.S.] (…)
Aus den Angaben des „Spiegels“ geht hervor, dass S. dem damaligen THS-Führer und gleichzeitig als V-Mann des thüringischen Verfassungsschutzes tätigen Tino Brandt am 13. März 1999 mitgeteilt habe, dass nun er (S.) den Kontakt zu Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe halte. S. steht unter anderem in Verdacht, Gelder für die drei Abgetauchten organisiert und diesen zugespielt zu haben. Carsten S. hat eigenen Angaben zufolge der Neonazi-Szene Ende 2000 den Rücken gekehrt. (…) Aufgrund seiner Vergangenheit und offener Fragen wurde ihm jedoch eine Mitwirkung in Organen der Verfassten StudentInnenschaft damals verweigert.“

Bei der WAZ lesen wir: Nach Informationen des NRW-Verfassungschutzes stieg Carsten S. später angeblich aus der rechten Szene aus. Im August 2003 zog er nach Hürth bei Köln und am 1. Dezember 2003 nach Düsseldorf. Es heißt, in NRW seien keine Aktivitäten von Carsten S. zu verzeichnen gewesen. S. lebt heute im Raum Düsseldorf und geht einer Beratungstätigkeit im sozialen Milieu nach.

In der Westfälischer Rundschau heisst es:
Der in Düsseldorf lebende vermeintliche Unterstützer der rechtsterroristischen NSU hat seine Unschuld beteuert. Er habe von den Straftaten der Zwickauer Terrorzelle nichts gewusst und sei über deren Aktivitäten extrem erschrocken, sagte sein Kölner Anwalt Jacob Hösl am Donnerstag (…). Er habe noch nicht einmal von dem Sprengstofffund in einer Jenaer Garage gewusst, nachdem das Trio 1998 untergetaucht war. Von Ermittlungen gegen seinen Mandanten sei ihm nichts bekannt. „Ich bin im Jahre 2000 aus der rechten Szene ausgestiegen. Seitdem habe ich mich davon distanziert und verabscheue jegliche Art von rechtem, rassistischem und extremistischem Gedankengut“, teilte Carsten S. über seinen Anwalt mit. Nach 2000 habe er keinen Kontakt mehr zur rechten Szene gehabt.

Der scheint also seit mehr als einem Jahrzehnt aus der rechten Szene ausgestiegen zu sein, aber hat – wenn die obigen Informationen stimmen – nichts über die untergetauchten Terroristen geplaudert. Oder er war V-Mann.

Der Friederich, der Friederich, das war ein arger Demograferich!

Titanic, an den Bundesinnenminister gerichtet:
Eine richtige Lawine an Stellungnahmen war das, was Sie da mit Ihrem Demographiebericht ausgelöst haben. Darin steht nämlich, daß im Jahr 2060 jeder dritte Deutsche mindestens 65 Jahre alt sein wird – weshalb Sie, Friedrich, in Bild mit der Warnung zitiert werden, „mit der Zunahme älterer Menschen“ gewönnen diese als „Opfergruppe künftig an Bedeutung“. (…)

… und schließlich meldet sich der Chef der Senioren-Union, Otto Wulff, der die Ergebnisse des Berichts für „enormen gesellschaftspolitischen Sprengstoff“ hält und es als erwiesen ansieht, daß „Kriminalität gegen ältere Menschen vor allem von perspektivlosen und sozial benachteiligten Jugendlichen“ ausgeht, „häufig mit sogenanntem Migrationshintergrund“.

– Hut ab, Friedrich! Aus der „Zunahme älterer Menschen“ topseriös schlußzufolgern, daß dann ja statistisch betrachtet auch mehr ältere Menschen ausgeraubt und totgeschlagen werden, was Ihre Parteifreunde zielsicher auf die Spur des mordlüsternen Ausländerlümmels bringt: das ist ganz großes Hetztheater, das hätte Franz Josef Strauß nicht besser halluzinieren können!

NPD-Verbot: Sie werden es wieder vermasseln

Berliner Morgenpost: „Friedrich kündigt neues NPD-Verbots-Verfahren an“.

Publikative.org: „Die Politiker, die jetzt ein neues NPD-Verbotsverfahren initiieren, haben immer noch nichts begriffen. Das Problem ist nicht, der NPD Verfassungswidrigkeit nachzuweisen; das wäre auch ganz ohne Verwicklung in die Zwickauer Terrorzelle möglich. Wir haben stattdessen ein Geheimdienstproblem.“

Sehr hübsch ist auch ein Artikel im Focus:
Thaut zufolge kam im März 1999 ein Mitarbeiter des Thüringer Verfassungsschutzes in seine Kanzlei, angeblich im Auftrag seines Chefs Helmut Roewer. Der Mann habe erklärt, er wolle den 1998 untergetauchten Bombenbauern helfen, in die Legalität zurückzukehren. Würden sich die drei freiwillig stellen, könnten sie mit einer milderen Strafe rechnen. So würde man sie nicht wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung belangen, sondern nur wegen Sprengstoffbesitzes, schilderte Thaut das Gespräch. Er übermittelte das Angebot der Mutter Böhnhardts, die einverstanden gewesen sei.

Das bedeutet: Der Verfassungsschutz wusste offenbar schon 1999, was los was und dass es eine terroristische Gruppe von Neonazis gab. Quod erat demonstrandum.

Die braune Verschwörung

Die Berliner Zeitung hat heute den alarmistischen Artikel eines anonymen (!) Autors veröffentlich, der die alt bekannten Textbausteine aneinanderreiht – wer wen in der kackbraunen Szene kennt und wer alles im pöshen Internet etwas Kackbraunes schreibt.

Bei Indymedia sieht man, woher die Informationen stammen („Internes Forum belegt Aufbau einer „NS-Elite“).

Alle warnen, mahnen und wollen, um sich besser zu fühlen, Verbote durchführen.

Ich muss leider gähnend wieder meine uralten Artikel hervorkramen.

„In der rechten Szene wächst nach Angaben des Geheimdienstkoordinators im Kanzleramt, Ernst Uhrlau, die Terror- Bereitschaft. Die Gefahr der Gründung einer „Braunen Armee-Fraktion“ sei zwar nicht gegeben, weil es kein großes Sympathisanten-Umfeld gebe, sagte Uhrlau dem Nachrichtenmagazin „Focus“. Aber rechte Terroristen seien eine gefährliche Zeitbombe, da sie auch die Schädigung Unbeteiligter bewusst in Kauf nähmen.“ (Quelle: junge Welt Inland, 26.06.2000)

„Hans-Dieter Lepzien, ein Kraftfahrer aus Peine und V-Mann des niedersächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz. Lepzien war ebenfalls Mitglied der NSDAP/AO. In seiner Wohnung heckten die Neonazis Pläne für Anschläge aus. Lepzien, der „Sicherheitsexperte“ der Nazi-Partei, hatte höchstpersönlich die Bomben gebaut.Die Zeit 1995 Die explodierten am 2. Septmeber und am 3. Oktober 1977 vor Justizgebäuden in Flensburg und Hannover. Pikant war, daß zunächst beide Anschläge der militanten Linken zugerechnet wurden. Lepzien wurde zwar zu dreieinhalb Jahren verurteilt, trat aber seine Strafe nicht an. (Quelle: Der V-Mann)

„Die Neonazi-Szene in Brandenburg ist terroristischen Aktionen offenbar näher als bislang angenommen. Bei den Durchsuchungen…wurden nicht nur Waffen, Munition und Sprengstoff gefunden, sondern auch die manchenschaften einer etwas 100köpfigen Bande militanter Rechtsextremisten aufgedeckt. Nach Informationen des Tagesspiegels sollen die Neonazis Wehrsportübungen…abgehalten und mit israelischen „Uzi-Maschinenpistolen geschossen haben. …konnte die Polizei reichlich Material sicherstellen: Fünf Karabiner mit Munition, neun Pistolen, vier Jagdwaffen, 52 Sprenggranaten, sieben Wurfgranaten, zwei Stielhandgranaten, zwei Kisten mit ungefähr 50 Gewehrgranaten…Die Polizei fand …auch Spengstoff.“ (Quelle: Der Tagesspiegel, 12.05.1998)

„Fahnder des Bundeskriminalamtes sehen in dem jüngsten Aufruf von Rechtsextremisten, Generalbundesanwalt Kay nehm zu ermoden, „eine neue und höchst gefährliche Qualität des Rechtsextremismus.“ – „…wird die Szene jetzt offenbar erstmals aktiv dazu aufgefordert, Gewalttaten auch gegen führende Repräsentanten des Staates zu begehen“, sagte ein BKA-Fahnder am Montag in Wiesbaden.. ..Doch in der Bonner Abteilung Staatsschutz und Terrorismus des BKA hat man für das neue Phänomen bereits einen Namen: In Anlehnung an die terroristische Rote-Armee-Fraktion (RAF) sprechen Fahnder jetzt von einer „Braunen Armee Fraktion“. (Quelle: dpa, 12.10.1995)

„Der seit den 70er Jahren aktive NS-Kader Peter Naumann präsentierte vor den laufenden Kameras des ARD-Magazins Panorama den anwesenden Fahndern zahlreiche Waffendepots. Noch Anfang des Jahres wurden bei dem Diplom-Chemiker zwei Sprengsätze gefunden. Hepp stand ebenfalls Mitte der 80er Jahre in Frankfurt vor Gericht, weil er zusammen mit Walter Kexel Terroraktionen durchgeführt hatte („Hepp-Kexel-Gruppe“). Hepp und Kexel, die beide aus dem VSBD (Volkssozialistische Bewegung Deutschlands) kamen und später zu Märtyrern der „nationalrevolutionären“ Untergrundzeitschrift „Schwarzer Rebell“ avancierten, hatten neben Banküberfällen zur Geldbeschaffung Anfang der 80er Jahre Sprengstoffanschläge auf US-Soldaten durchgeführt. Mit Kexel und Hepp plante Naumann den in Berlin einsitzenden Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß zu befreien. Hepps Kumpan Kexel wurde 1985 nach einer Verurteilung zu 14 Jahren Haft erhängt in seiner Zelle aufgefunden. Hepp behauptete damals, Kexel sei vom BND ermordet worden, weil er zuviel über die Machenschaften des Dienstes in der rechten Szene und vor allem auf die „WSG Hoffmann“ gewußt habe.“ (Quelle: cl.antifa.magazine, 27.11.1995)

Das Bild zeigt das Dossier der Wochenzeitung „Die Zeit“ aus dem Jahre 1995.

Potemkin läßt grüßen

Alles Wirkliche sei vernünftig, meinte der deutsche Philosoph Hegel im letzten Jahrhundert. Damals gab es den Verfassungsschutz noch nicht, eine wirklich überflüssige Behörde mit gefährlichen Wirkungen auf Journalisten und Politiker.

Die Medien werden auf den VS ungern verzichten wollen: Wen sollte man sonst zum Beispiel zum Thema Rechtsextremismus interviewen? Die Journalisten sich gegenseitig? Und von wem sonst sollten sich die Politiker Meinungen zuarbeiten lassen? Der Ruf nach dem Verfassungsschutz, um Neonazis, Drogendealer, Sekten, Russenmafia, organisierte Kriminalität (Zutreffendes bitte ankreuzen) auszuspionieren, ist Wortgeklingel, wenn Politiker zeigen wollen, daß man hart durchgreift.

Doch in Wahrheit hat der VS nicht mehr, sondern weniger Ahnung als die Journalisten. Das kann gar nicht anders sein: Die Behörde beobachtet jene, die sie für die Feinde der Demokratie hält, hat aber keine polizeilichen Befugnisse, darf also zum Beispiel weder Wohnungen durchsuchen noch Briefe öffnen. Und was wann und wie genau beobachtet wird, ist eine Frage der politischen Opportunität: Die militante Naziszene wurde erst nach Mölln und Solingen, Hoyerswerda und Rostock genauer beobachtet. Noch ein Jahr zuvor hatte der VS in seinen Berichten Entwarnung gegeben.

So bleiben der Behörde an Informationsquellen die Zeitungen, Observationen und Spitzelberichte. Die Verfassungsschützer informieren sich also vornehmlich bei den Journalisten, die über Neonazis schreiben, und werden im Gegenzug von denen zum Thema Rechtsextremismus befragt.

Und die Spitzel? Seitdem es den VS gibt, reiht sich ein Skandal an den anderen. Wozu die Behörde trotz der formal vorhandenen parlamentarischen Kontrolle fähig ist, zeigte sich spätestens 1978: Die Verfassungsschützer sprengten ein Loch in die Mauer der Justizvollzugsanstalt Celle, um eine versuchte Gefangenenbefreiung vorzutäuschen. Der damalige Abgeordnete Jürgen Trittin sprach im Landtag von einem „Lockspitzelsystem“, mit dem „keine Straftaten verhindert oder aufgeklärt, sondern versucht wurde, Dritte zu Straftaten anzustiften“.

Genau das passierte auch in der neofaschistischen Szene. Die Neonazi-Partei „Nationalistische Front“ wurde 1983 mit Geldern aufgebaut, die der Verfassungsschutz dem V-Mann Norbert Schnelle zahlte, der sich nur zum Schein hatte anwerben lassen. Ein V-Mann des niedersächsischen Landesamtes, Hans-Dieter Lepzien, baute höchstpersönlich die Bomben, die Neonazis 1977 vor Justizgebäuden plazierten. Der V- Mann Werner Gottwald orderte Maschinenpistolen, Handgranaten und Plastiksprengstoff für die rechte Szene.

1993 bezahlte der VS den V- Mann Michael Wobbe dafür, Sicherheitschef der NF zu sein und in deren Namen Neonazi-Kameradschaften aufzubauen. Mehrere Jugendliche wurden in Füssen verurteilt, weil Wobbe sie aufgehetzt, geschult und sie nach getaner „Arbeit“ verpfiffen hatte, gemäß seiner Aufgabe. Der Solinger V- Mann Bernd Schmitt integrierte Jugendliche in die rechte Szene und bildete sie in seiner Kampfsportschule aus, was ohne ihn nicht geschehen wäre. Während der nordrhein-westfälische VS den Spitzel Schmitt für „nachrichtenehrlich“ hielt, wurde bekannt, daß der sich seine Kampfsporttitel zusammengelogen hatte. Und Wobbe informierte das niedersächsische Landesamt darüber, daß die NF schon Wochen vor ihrem Verbot Bescheid wußte und alle verfänglichen Materialien auslagern konnte. Das hinderte den damaligen Innenminister Seiters nicht daran, mit großem Getöse und fernsehgerecht das Hauptquartier der Nazipartei stürmen zu lassen. Potemkin läßt grüßen.

Und wie stark wären die Nazis ohne die vom Staat finanzierten Spitzel? Das alles sind keine Ausrutscher, es hat System. Ein V- Mann bekommt mehr Geld, je mehr und je bessere Informationen er liefert. Mehr Informationen bekommt ein Spitzel, wenn er in der Hierarchie der braunen Szene aufsteigt. Ein guter Spitzel ist ein guter Nazi. Wenn das System der V-Männer irgendeinen Sinn ergäbe, wüßte der VS mehr über die Pläne der militanten Rechten als die Journalisten. Doch das ist nicht der Fall: Noch nie ist eine gewalttätige Aktion verhindert worden, weil der Verfassungsschutz gewarnt hätte.

Der Berliner Verfassungsschutz hatte noch nicht einmal einen blassen Schimmer davon, daß mit Kai Diesner ein potentieller Killer in der Stadt herumlief, obwohl der seit einem halben Jahrzehnt politisch aktiv war. Mag sein, daß man so etwas nicht ahnen kann. Wenn man aber nichts vorhersehen kann, wenn die Behörde konspirative Gruppen wie Diesners „Weißen Arischen Widerstand“ nicht ausspähen kann, wozu dann eine große Behörde?

Offenbar verdankt die ihre Existenz nur der Tatsache, daß die Experten Zeitungsmeldungen ausschneiden und sie fein säuberlich geordnet den Politikern vorlegen, damit die bei öffentlichen Auftritten intellektuell gewappnet sind. Die öffentlichen Auftritte der Experten des VS kann man getrost vergessen: Zwar wirkt in Deutschland eine Behörde immer seriös, ganz gleich, was deren Sprecher zu sagen haben, mehr als wackliges Zahlenmaterial hat der VS zum Thema Verfassungsfeinde meist nicht zu bieten. Das könnte die Polizei auch liefern.

Gibt es irgend etwas, wozu der Verfassungsschutz nützlich ist? Sollen die Landesämter in direkte Konkurrenz zur Sozialarbeit treten, indem, wie in Brandenburg, die Gelder der Behörde direkt an Jugendclubs fließen? Ist das Motto „sponsored by Verfassungsschutz“ eine neue Art vertrauensbildender Maßnahme, um die Verfassung vor ihren jugendlichen Feinden zu schützen?

Man muß, will man die überflüssige Behörde auflösen, keine Arbeitsplätze vernichten. Die Behörde könnte den Landeskriminalämtern bzw. dem Staatsschutz zugeordnet werden und verfügte dann auch über rechtliche und technische Mittel, sich sachkundig zu machen. Niemand müßte mehr Spitzel motivieren, etwas „anzuleiern“, um dem jeweiligen V-Mann- Führer zu imponieren und die Honorare abzusichern.

Der Verfassungsschutz muß abgewickelt werden. Er kann dem Dilemma nicht entrinnen, an dem auch die Quantenphysik sich die Zähne ausbeißt: Das beobachtete Objekt verändert sich durch den Akt des Beobachtens. Oder mit Hegel: Alles, was ist, ist wert, daß es zugrunde geht.

Diesen Kommentar habe ich am 15.03.97 für die taz geschrieben. Man kann ihn heute wieder veröffentlichen. Es hat sich nichts geändert, und es wird sich auch nichts ändern. Der öffentliche Diskurs zum Thema „Rechtsextremismus“ benutzt seit 20 Jahren immer dieselben sinnfreien Textbausteine. Also verschont mich mit dem Gefasel.

Braune Armee Fraktion reloaded

Ich darf erinnern an meinen Artikel in Telepolis vom 15.09.2003:

In Anlehnung an die terroristische Rote-Armee-Fraktion (RAF) sprechen Fahnder jetzt von einer „Braunen Armee Fraktion.“

Im Juli 2000 sendete das ZDF eine Reportage mit dem reißerischen Titel „Unter Waffen – Rechtsterrorismus formiert sich“ über die Bombenbauer Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe von der „Kameradschaft Jena“, bei denen Waffen, Sprengstoff, Rohrbomben und Nazipropagandamaterial sichergestellt wurden. Die drei Verdächtigen sind untergetaucht (…).

Was ist also „neu“ an der Qualität? Nichts, außer der Tatsache, dass die Bundesanwaltschaft den Paragrafen 129a des Strafgesetzbuches (Bildung oder Unterstützung einer terroristischen Vereinigung), der zu Zeiten der RAF eingeführt und fast ausschließlich gegen Linke angewendet wurde, nun auch auf Neonazis bezieht. Da aber liberale Juristen seit langem fordern, diesen Paragraphen ersatzlos zu streichen, ist das nicht automatisch ein Grund zur Freude.

Alles, was ich sonst noch zum Thema zu sagen habe, steht hier: „Braune Armee Fraktion reloaded“ vom 13.09.2003.

Vgl. aber die Rauchbomben, die z.B. Spiegel Online jetzt wirft. Ich bin mal gespannt, wie viele des Trios Verfassungsschutz-Spitzel sind. Einer? Oder alle drei?

Lena in Gefahr – Terror-Alarm in Deutschland [2. Update]

CIPAV

Es fällt mir immer schwerer, nicht von gleichgeschalteten Medien in Deutschland zu sprechen. Der Vergleich hinkt natürlich, weil die Vorzensur aus der Schere in den Köpfen besteht, kombiniert mit Dummheit und Faulheit. Niemand zwingt Journalisten dazu, gequirlten Unsinn zu schreiben. (Ich dürfte gar nicht meckern, hätte ich doch einen guten Artikel selbst schreiben zu können, aber ich bin gestern zu spät ins Bett gegangen.)

Ich habe mir also zum Frühstück das angeschaut, was mir als „Nachrichten“ und „Fakten“ zum Thema „Terrorgefahr in Deutschland“ angeboten wird. Dass Stefan Krempl bei Heise das Märchen von den „heimlichen Online-Durchsuchungen“ wieder aufwärmt, wundert mich jedoch nicht.

Mit „gleichgeschaltet“ meine ich: Das, was eine Behörde verlautbart, wird unkritisch übernommen (inklusive der suggestiven Sprachregelungen), ohne zu überprüfen, ob die Fakten stimmen. Im Sozialismus hieß eine derartige „Quelle“ schlicht „Agitprop“. Wenn viele Medien voneinander abschreiben, gilt eine These offenbar als verifiziert. Das war auch schon beim Thema Online-Durchsuchung so. Die Rheinische Post schießt den Vogel ab und gibt es auch noch zu: „Übereinstimmenden Medienberichten zufolge sollen die Festgenommenen einen größeren Anschlag in Deutschland geplant haben“. Dann muss es ja wahr sein, wenn alle anderen des Kaisers neue Kleider bewundern!

„Den Angaben zufolge wurde die Kommunikation der Männer überwacht. (…) Amid C. sei dafür verantwortlich gewesen, die ‚verschlüsselte und konspirative Kommunikation‘ untereinander sicherzustellen. Laut Ziercke war es den Behörden jedoch mit umfangreichen, monatelangen Überwachungsmaßnahmen gelungen, den mutmaßlichen Terroristen auf die Spur zukommen.“ (Focus) „Im Zuge der Ermittlungen hatte das BKA einen Trojaner für eine Online-Durchsuchung sowie eine Software für eine Telekommunikationsüberwachung auf seinem Rechner installiert.“ (Spiegel) „Das Bundeskriminalamt (BKA) ist den mutmaßlichen Terroristen durch Überwachung ihrer Handys und Computer auf die Spur gekommen.“ Süddeutsche) „Bei den Ermittlungen hatte das BKA dem „Spiegel“ zufolge einen Trojaner für eine Online-Durchsuchung sowie eine Software für eine Telekommunikationsüberwachung auf dem Rechner des Verdächtigen installiert.“ (FTD) „Den Angaben zufolge wurde die Kommunikation der Männer überwacht.“ Mitteldeutsche Zeitung)

Die FTD redet also von einem „Bundestrojaner“. Was aber soll das sein? Man kann einen Computer nur fernsteuern und überwachen, wenn man a) einen physikalischen Zugriff auf ihn hatte, b) wenn der Besitzer des Computers denselben nicht geschützt hatte und c) haben die Ergebnisse, die durch Spionage-Software auf einem Rechner gewonnen wurden, vor Gericht keinerlei Beweiswert, weil diese den Computer verändert. Man kann das vergleichen mit einem V-Mann, der eine Neonazi-Kameradschaft gründet und diese dann auffliegen lässt. (Darüber habe ich ein ganzes Buch geschrieben.)

Die Taz gibt sich wenigstens Mühe: „Permanent waren 50 Leute in Observationstrupps und weitere 76 Beamten für sonstige Überwachungsmaßnahmen im Einsatz. Dabei wurden Wohnungen und Telefone abgehört, Emails mitgelesen. Auf Computern wurden Spähsoftware installiert und verschlüsselte Internet-Telefonate wurden schon im Computer, also vor der Verschlüsselung (mittels Quellen-TKÜ) erfasst.“

Aha. Bei der angeblichen „Online-Durchsuchung“ wird es sich um das Abhören von Skype gehandelt haben. Verschlüsselte E-Mails kann man nicht lesen, es sei denn, man hätte einen Keylogger installiert und protokollierte die Tastatur-Anschläge a priori mit. (By the way, taz: „Quellen-TKÜ“ ist Neusprech des Wahrheitsministeriums.)

Und was lehrt uns das alles? Schauen wir doch ein wenig genauer hin, um hinter den Nebelkerzen ein paar winzige Fakten erkennen zu können.

„Dort habe er von einem ‚hochrangigen Al Qaida-Mitglied‘ den Auftrag bekommen, einen Anschlag in Deutschland auszuführen. Wer der Auftraggeber konkret war, wollten weder Ziercke noch Bundesanwalt Rainer Griesbaum sagen. “ (taz) Ich weiß, wer es war – Adil Hadi al Jazairi Bin Hamlili!

Regimetreue Medien geben der Totalüberwachungs-Lobby jetzt breiten Raum: „‚In Deutschland besteht weiterhin eine konkrete Terrorgefahr‘, sagte Uhl der ‚Welt am Sonntag‘. Gleichzeitig zeige der Fall, dass die Nachrichtendienste zu wenig Eingriffsrechte besäßen. Denn die entscheidenden Hinweise erhielten die deutschen Ermittler von der amerikanischen CIA. (…) ‚Wir müssen wissen, mit wem die Terroristen kommunizieren, um ihre Netzwerke ausfindig machen zu können‘, sagte er. ‚Dafür brauchen wir die Vorratsdatenspeicherung.'“

Passt schon. Wir haben verstanden.

Vermutlich wird bei der Gerichtsverhandlungen, die vielleicht noch in diesem Jahr stattfinden, von den Vorwürfen nicht viel übrig bleiben. Aber das wird dann im Kleingedruckten stehen, das niemand mehr liest: „Bei der Hausdurchsuchung wurde kein Sprengstoff gefunden. Außerdem stellte das BKA fest, dass der Plan zur Herstellung eines Zünders gar nicht hätte gelingen können, weil die Terrorbastler die falschen Grillanzünder gekauft hatten.“

Wie das? Stehen im Internet denn falsche Bombenbauanleitungen? Gehört es denn nicht verboten, falsche Bombenbauanleitungen zu verbreiten? (Akte aka Ulrich Meyer, übernehmen sie: „Es war unser Thema am vergangenen Donnerstag: Bombenbauanleitungen im Internet. Das Netz ist voll davon, Spezialisten haben über eine eigene Filtersoftware 680.000 Seiten weltweit aufgestöbert“.)

„Dennoch erließ die BGH-Ermittlungsrichterin gegen alle drei Beschuldigte Haftbefehle.“ Quod erat demonstrandum.

Mich wundert, dass alle Medien, sogar die Krawallblätter, sich die einmalige Chance entgehen ließen, das Volk auf die anlass- und verdachtsunabhängige Totalüberwachung aka Vorratsdatenspeicherung mental einzustimmen. „Unterdessen verlautete aus Sicherheitskreisen, dass die drei Terrorverdächtigen einen Anschlag auf den Eurovision Song Contest geplant haben könnten. Allerdings hätten die Verdächtigen nicht konkret darüber gesprochen, hieß es.“ (Welt)

Burks.de hat daher die dazu passenden Schlagzeile gewählt.

„Sicherheitskreise“: Das sind die Geheimdienstler, die Journalisten auf ihrer Gehaltsliste haben oder wissen, dass diese geschmeichelt sind, wenn man ihnen angebliche „vertrauliche Vorab-Informationen“ zukommen lässt und die daher gern bereit sind, Agitprop, die man gern verbreitet hätte, Wort für Wort ohne Kritik zu publizieren.

„Die Terroristen wollen Lena umbringen. Das haben sie zwar nicht so gesagt, aber es könnte ja sein. Würden Sie das bitte so bei Welt Online veröffentlichen? Danke.“

Update: EFF: „New FBI Documents Provide Details on Government’s Surveillance Spyware“. „The documents discuss technology that, when installed on a target’s computer, allows the FBI to collect the following information“..blabla..und wie bekommt man das auf den Computer des Zielobjekts?

Guckst du hier (burks.de, 31. Juli 2007):

„… es geht um CIPAV: „FBI-CIPAV.exe Is an Unknown Application. Install Anyway?“ Jetzt aber im Ernst: „Die Abkürzung steht für „Computer and Internet Protocol Address Verifier“, zu Deutsch: Computer- und Internet-Protokoll-Adressen-Verifizierer. Dieses Programm ist in der Lage, auf dem Rechner des Verdächtigen die Internet-Verbindungen und angesteuerten Homepage-Adressen samt Datum und Uhrzeit aufzuzeichnen. Die in Fachkreisen Trojaner genannte Software erfasst auch weitere Daten wie das Betriebssystem des ausgehorchten Computers, den Namen des bei der Windows-Registrierung angegebenen Nutzers, Teile der Windows-Registrierungsdatenbank oder eine Aufzählung aller laufenden Programme. Im vorliegenden Fall übermittelte CIPAV einige dieser Informationen per Internet an die FBI-Rechner.“ Das ist aber ein ultraböhzes Programm, fast so böse wie das Betriebssystsem, auf dem es nur läuft.

Wired dazu: „[1] the FBI sent its program specifically to Glazebrook’s then-anonymous MySpace profile … [2] „The CIPAV will be deployed through an electronic messaging program from an account controlled by the FBI. The computers sending and receiving the CIPAV data will be machines controlled by the FBI.“ … [3] More likely the FBI used a software vulnerability, either a published one that Glazebrook hadn’t patched against, or one that only the FBI knows.“ Genau, Software-Lücken, von denen nur das FBI etwa weiß. (…)

Die Welt betont sehr deutlich, dass der Schüler offenbar „arglos“ etwas abrief, vermutlich so, wie das Welt-Redakteure machen mit ihrem Outlook und dem unverschlüsselten und mit Javascript-gespickten Spam, den sie das immer bekommen. Der Artikel ist also ein Schmarrn. Ich darf auf mein Blog vom 19.07.2007 hinweisen („Heise Hoax-verseucht“), in dem die Details zu CIPAV abgehandelt werden.“

2. Update: New York times: „Bild, Germany’s most widely read and generally reliable (sic!) newspaper, reported that the terrorist cell might have planned to hit the popular Eurovision Song Contest on May 14, though that event’s organizers said they had not been alerted to any such threat. „>. Qood erat demonstrandum. (via Überschaubare Relevanz)

Bolivia 1980: Von Sucre nach Potosi

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Es geht gleich weiter: Burks auf der Mauer des Klosters „la Recoleta“ in Sucre, der Hauptstadt Boliviens. Das dritte Bild zeigt den Karneval in Potosi.

Wikipedia: „Der Reichtum der Mine spülte ungeheure Menschenmassen in die unwirtliche Hochgebirgssteppe um den Cerro Rico. Gegen 1611 ist Potosí mit 120.000 bis 150.000 Einwohnern zu einer der größten Städte der Welt aufgestiegen, obwohl nur ca. 13.500 Menschen unter Tage Silber fördern. (…) Erwähnenswert ist der in der Stadt gelegene ‚Mercado de los Mineros‘, der Markt der Minenarbeiter. Dort kann ein jeder hochexplosiven Sprengstoff ebenso wie 96-prozentigen Alkohol erwerben. Er gilt als der einzige öffentliche Markt der Welt, an dem man legal Dynamit kaufen kann.“ (Dürfen Deutsche überhaupt noch nach Bolivien einreisen?)

Ganz unten ein so genannter Ferrobus – ein Auto, dem man Räder anmontiert hat, damit es auf Schienen fahren kann.

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