Im Stumpfen Eck

stumpfes Eck

Zum Stumpfen Eck

Zum Stumpfen Eck

Am Tresen der Kneipe Zum Stumpfen Eck am Böhmischen Platz in Rixdorf, auch bekannt als Berlin-Neukölln.

Zum stumpfen Eck

kitsch

Die Ecke des Hauses wurde im 2. Weltkriegevon einer Bombe getroffen und abgerissen. Seitdem heisst die Kneipe, die laut Quellen 1905 zum ersten Mal renoviert wurde, „Zum stumpfen Eck„. 24 Stunden geöffnet, das Publikum ist für zart besaitete Seelen manchmal gewöhnungsbedürftig, dafür aber echt neuköllnisch.

Das Stumpfe Eck ist jetzt Rotbart

rotbart

Schweren Herzens möchte ich den dem Nachtleben zugeneigten Leserinnen und den eventuell in Rixdorf herumsumpfenden Lesern eine neue Kneipe empfehlen. Dort, wo früher meine Stammkneipe „Das Stumpfe Eck“ war, ist jetzt das „Rotbart“ (Vorsicht, Facebook-Link!) Das Lokal habe ich natürlich sofort getestet, zusammen mit Freunden, die auch das „Stumpfe Eck“ kannten.

Die gute Nachricht: Die neuen Leute haben sich wirklich Mühe gegeben. Das Etablissement hat Stil. Man fühlt sich wohl, was das Interieur angeht. Im Gegensatz zur alteingesessenen B-Lage und zum neuen Red Lion gibt es eine große Theke, an die man sich auch allein hinsetzen kann. Man muss also nicht zwangsweise als WG oder als Jugendgruppe kommen oder sich hardcoremäßig einfach zu einer solchen gesellen. Anders als in der B-Lage ist die Musik auch zu ertragen (bis jetzt kein Techno gehört). Zudem wird man nicht angestrengt mit Veganismus-Asketismus und anderem gefühlt politisch Korrektem belästigt. Großer Vorteil für mich, aber nicht für meine Freunde: Im „Rotbart“ darf nicht geraucht werden. Löblich! Ich habe also beim Nachhausegehen keine Kopfschmerzen.

Jetzt die „schlechten“ Nachrichten. Ich habe gleich investigativ recherchiert, um welche Gesellschaftsform es sich beim „Rotbart“ handele. Die älteste Szene-Kneipe im Kiez, das Café Linus, wird von einem Verein betrieben. Der Profit steht also im „Linus“ nicht unbedingt an erster Stelle; und dort verkehrt auch eher das sich links gerierende ältere Sozialarbeitermilieu. Das „Rotbart“ ist leider weder ein Kollektiv noch eine Genossenschaft, sondern wird ganz Kapitalismus-kompatibel von zwei Geschäftsführern gemanagt. [Update: Es ist eine GbR, also mit vollen Risiko – Respekt!] Im „Stumpfen Eck“ kostete ein großes Bier früher zwei Euro, im „Rotbart“ muss man noch 50 Cent drauflegen. Ein Gin Tonic schlägt mit sage und schreibe sechs Euro zu Buche. Gut, dass ich so etwas nicht trinke, sondern, wenn kein Bier, dann nur Whisky.

Das Publikum im „Stumpfen Eck“ war extrem heterogen: Arbeitslose, Berufsalkoholiker, und mehr oder weniger linke Arbeiter (die mit Nazi-Sprüchen bekamen im „Stumpfen Eck“ Hausverbot und wanderten in den „Kaktus“ am Hertzbergplatz ab), aber sonst querbeet durch alle Milieus bis hin zur Gender-Professorin. Die alteingesessenen Kiez-Bewohner werden sich das „Rotbart“ einfach nicht leisten können. Das nennt man vermutlich „natürliche Auslese über den Marktpreis“ oder so ähnlich. Vielleicht auch „Gentrifizierung“. Keiner gibt öffentlich zu, das zu wollen, aber alle machen mit und tun es einfach (den Autor eingeschlossen).

Natürlich interessiert sich das Publikum im „Rotbart“ nicht für die Geschichte des Kiezes oder für das, was das „Stumpfe Eck“ bedeutete. Es hatte sich eben über Fratzenbuch herumgesprochen. Wie sich die Jugend halt verabredet, mit einer Flasche in der Hand. Und Edward Snowden hat es übrigens nie gegeben.

Im „Rotbart“ trifft man jetzt jede Menge äußerst attraktive junge Damen (die den Begriff „Dame“ vermutlich nicht benutzen). Über die Männer kann ich nichts sagen – nur dass man(n) offenbar gern Kapuzen trägt, auch wenn man im Haus ist (fehlt nur noch eine Sonnenbrille), und dass Wollmützen auch dann angesagt sind, wenn man gar keine Wursthaare hat. Ich habe mit jüngeren Männern meine Probleme: Ich kann sie oft nicht ernst nehmen, auch wenn ich mir Mühe gebe.

Ich hatte jedenfalls, was mein Beuteschema bei Frauen angeht, mein ästhetisches Vergnügen beim Herumstarren und Beobachten aus rein völkerkundlicher Sicht. Auch das leckere Mädel neben mir, mit dem ich mich angeregt über den sozialen Aufstieg unterhielt und warum dieser nicht stattfinde (sie studierte passenderweise Erziehungswissenschaft), war eine Augenweide. Leider stand sie nicht auf Männer, und ihre Freudin guckte schon ganz indigniert nach mir, vor allen, als ich ihr meine beste Freundin empfahl, die extrem attraktiv sei und eine angenehme Person und zu meinem Missvergnügen auch nicht das männliche Geschlecht bevorzuge, ich daher aus altruistischen Gründen sie gern an eine passende Frau verkuppeln wolle, wenn es schon bei mir selbst nicht gelänge.

Es war übrigens proppevoll. Die Leute drängten sich nur so. Mal sehen, wie es an einem normalen Werktag um Mitternacht ist.

Da wir heute schon Lifestyle-Themen behandeln: Mein Endomondo ruft, es ist sonnig und kühl, also Laufwetter, und ich habe vier Kilo zu viel für mein Idealgewicht. Auf denn! Trainiert habe ich in diesem Jahr auch noch nicht…

Ein Stück Rixdorfer Geschichte geht verloren

scatter the old world

Traurige Nachricht: Meine Stammkneipe schließt im Juni endgültig – das „Stumpfe Eck“ am Böhmischen Platz in Rixdorf, auch bekannt als Berlin-Neukölln. Die Vermieter des Hauses wollen dort auch keine Gastronomie mehr haben. Es bleibt uns also immerhin eine neue Veganerfraß-Neue-Mittelschichten-Bude erspart.

Neulich sagte mir jemand im im Red Lion (vgl. hier, auch in Laufweite), Leute mit Laptops seien dort nicht gewollt. Man sei ja kein Café. WLAN haben die dort auch nicht, aber einen Fratzenbuch-Eintrag. Nein, da muss ich nicht hin, auch wenn da nette Frauen herumlaufen. Dann schon lieber eine waschechte Rixdorfer Proletarierkneipe mit allem, was dazugehört – und 24 Stunden geöffnet. Nur auf die dämlichen Spielautomaten könnte man verzichten – aber die bringen wohl einen großen Teil der Miete rein.

Die Preise der „Stumpfen Ecks“ kann man auch nicht toppen: Ein großes Bier zwei Euro, und einen Glengrant für 2,50 – da zahle ich vermutlich in Charlottenburg das Doppelte. In Neukölln muss es so billig sein, sonst kommt eben niemand. Die Preise, die Studenten freiwillig zahlen, können Arbeiter eben nicht aufbringen. Die Klassenfrage spürt man auch beim Bier.

Die B-Lage wäre eine Alternative, aber die sind mir zu spießig und politically correct, der gefühlte linke Veganer-Mainstream tropft dort permanent von den Wänden. Außerdem spielen die fast immer extrem grauenhafte Techno-Mucke. Ich halte das „Linke“ dort nur für eine bequeme und zeitweilige Attitude der studentischen Gäste. An ihren Liedern sollt ihr sie erkennen…

Im „Stumpfen Eck“ gab es hingegen alles, und die Gäste konnten sich was wünschen, wenn die Tresenkraft guter Laune war. Man musste zwar ab und zu deutsche Schlager ertragen, aber dafür gab es hinreichend Hardrock, von Creedence Clearwater Revival (die Lieblings-Band meiner Jugendzeit) über die Rolling Stones bis ACDC und noch härteren Sachen. Auch Pink Floyd, Gary Moore und vergleichbare Ohrwürmer. Ich kann mich noch erinnern, als wir einmal im „Stumpfen Eck“ unter Freunden (ausschließlich Politik- und Computer-affine Leute) unter uns waren, früh am Morgen, dass wir uns die Brandenburgischen Konzerte gewünscht habe – und auch bekamen. Das hatte was.

Die weißen Bomber von Berlin

fasching

Fasching im Zum Stumpfen Eck am Böhmischen Platz in Rixdorf, auch bekannt als Berlin-Neukölln.

Weihnachtsfrühstück

frühstück

Frühstück am 25.12.2013 im Zum Stumpfen Eck am Böhmischen Platz in Rixdorf, auch bekannt als Berlin-Neukölln.

Anna Emilie Kukuk

Zum Stumpfen Eck

Meine Urgroßmutter (die Großmutter meines Vaters) Anna Emilie Kukuk, Bäuerin, geb. 22.5.1864 in Elsendorf (Groß Dombrowo, heute Dambrowa Wielka, ehem. Westpreußen), gest. 1943. Das Foto stammt aus dem Jahr 1877, sie war damals 13 Jahre alt.