Stowaway and The Silent Sea

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Ich schau(t)e gerade (Stand: 28.12.) zum Einschlafen abwechselnd zwei Science-Fiction-Filme: Stowaway – Blinder Passagier (Amazon Prime, USA/Deutschland) und „The Silent Sea“ (Netflix, Südkorea).

Da das Stammpublikum meinen Geschmack schon erahnt, zuerst die anderen: Die FAZ rezensiert „Stowaway“ für Oberstudienräte. Featured erklärt das, was die Zuschauer angeblich nicht selbst herauskriegen. Wikipedia bespricht Besprechungen unter dem abschreckenden Motto „Wissenschaftliche Aspekte und Authentizität“.

Zu „The Silent Sea“ habe ich richtig relevante Rezensionen (Stabreim!) bei TVMovie und Popkultur.de gefunden.

Das alles will ich gar nicht lesen. Mich interessierten eher die subtilen kulturellen Unterschiede. Außerdem habe ich, wenn ich ehrlich bin, vermutlich eher einen Filmgeschmack wie Simon Cowell, obwohl polnische Filme mit Untertiteln auch gut sein können. Ich möchte unterhalten und nicht belehrt werden. Will ich Philosophie, dann lese ich Hegel und Marx im Original. Natürlich hätte ich nichts dagegen, wenn die großen Menschheitsfragen per Entertainment diskutiert und Antworten angeboten würden, wie etwa bei Stanislaw Lem, aber das kriegen deutsche Produktionen sowieso nie hin, weil denen die Leichtigkeit des Seins ab Werk fehlt.

Was zuerst auffällt: Die koreanische Serie ist weder woke noch divers (den Unterschied habe ich noch nie verstanden). Die Koreaner finden es völlig in Ordnung, eben nur Koreaner mitspielen zu lassen ganz ohne Quotenneger. Schon beim Filmplakat von „Stokeaway“ erkennt man hingegen, dass dort – mit der rassistischen Präzisionswaage sorgfältig austariert – jede race mitspielen musste. Mit dem Holzhammer wird mir auch noch eingebläut, dass Frauen und Männer gleichberechtigt sind wichtiger sind als Männer, wenn es weniger um Aktion als um protestantische Morallehre geht. Das ist so dermaßen plump inszeniert, dass vermutlich das Gegenteil erreicht wird. Hautfarbe sollte überhaupt keine Rolle spielen, und die aus Wokistan konterkarieren das.

Ich hätte nichts dagegen, mir einen guten Film anzusehen, in dem alle Schauspieler eine dunklerer Hautfarbe haben als ich. Wenn ich mich mit jemandem identifizieren will, dann nicht deshalb, weil er „weiß“ ist. Oder seit wann war Charles Bronson im realen Leben ein Indianer?

Man sollte das doch eher auf die Spitze treiben: Nur schwarze Astronautinnen und ein „Weißer“, der zum Kaffeeholen da ist oder als Sexsklave dient. Oder nur schwarze Astronauten und eine „Weiße“ (har har) – und es kommt kein Sex vor. Oder nur Aboriginals oder Indianerinnen, aber es geht weder um Fantasy noch um Ureinwohner im Rousseauschen Sinn, die immer die Guten sind, sondern etwa um künstliche Intelligenz. Lieber sehe ich die ganze Nacht lang Koreaner als diesen „diversen“ Quatsch.

Man hat ohnehin das Gefühl, dass das Science-Fiction-Ambiente bei beiden Filmen nur ein Vorwand ist. Ein Western (har har) oder ein Whodunnit-Plot hätten auch gereicht, um mich mit der Moral von der Geschicht‘ zu belästigen. Es wundert doch sehr, dass Drehbücher und Regisseure es offenbar völlig aufgegeben haben, soziale Utopien zu thematisieren. Mehr als die Postapokalypse fällt niemandem ein. Auch „The Silent Sea“ bietet nur Kapitalismus auf die Spitze getrieben – Wasser ist knapp (Chor im Hintergrund: Klima! Klima! Klima! Squid Game!), und nur mit einer goldenen Kreditkarte kommt man an genug. Da fällt mir ein: Ich wollte mehr Sci-Fi aus der Volksrepublik lesen, und Die drei Sonnen liegt immer noch unangetastet auf dem Bücherstapel auf meinem Schreibtisch.

Hollywood-Filme, die Gruppendynamik enthalten, leben meistens davon, dass die Darsteller sich völlig bescheuert benehmen und ihr jeweilige Ego auf Kosten der anderen ausleben. Das ist in „asiatischen“ Filmen natürlich anders und wird auch intelligenter gezeigt. In „The Silent Sea“ sagt man sehr oft „알겠습니다“ und stellt die Hierarchie nicht in Frage – Rebellion gegen die Hierachie, wenn nötig, ist hier immer sehr viel subtiler und zerbröselt nicht die Gemeinschaft an sich.

In koreanischen Filmen jedweder Art muss man sich als urbaner Mitteleuropäer auch über Männer wundern, wie diese mit Frauen umgehen. Frauen schlagen mir zu oft die Augen nieder, wenn jemand sie verbal angeht. Ich habe mir noch kein abschließendes Urteil gebildet: Ist der klassische „Machismo“ als Attitude in Asien verbreiteter, oder ist das dort nur anders? In „The Silent Sea“ sind die Frauen den Männern intellektuell überlegen und lassen sich nichts gefallen. Ein doch sehr von sich selbst überzeugter Kerl, der am Steuerknüppel (oder war es kein Knüppel?) des Raumschiffs Platz nimmt, wird von der hinter ihm sitzenden Kollegin angefaucht: „Wenn du keine vernünftige Landung hinkriegst, kotze ich dir den Hinterkopf voll“.

Nachdem ich mir fahrlässig den Plot von „Stowaway“ schon vorab durchgelesen hatte, werde ich den wohl nicht weitergucken. Bei „The Silent Sea“ bin ich mir noch nicht sicher, zumal die Hauptdarstellerin Bae Donna auch nicht mein Typ ist. Andererseits kann man auch nicht immer so ein ästhetisches Vergnügen wie bei Ho-Yeon Jung verlangen, das einen vom Plot ablenkt, weil man ständig versucht ist, von der Kleidung zu abstrahieren.

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Kommentare

7 Kommentare zu “Stowaway and The Silent Sea”

  1. ... der Trittbrettschreiber am Dezember 30th, 2021 11:44 am

    Abstrahieren: Ach wärest Du doch Mathe-Lehrer in unserer 7c gewesen, mein Leben wäre ein intellektuelles geworden – damals hatte ich diesen Begriff und vor allem dieses Prozedere nicht verstanden.
    Irgendwie war ich aber nah dran – Frau Drögenkämper trug täglich wechselnd bunte Faltenröcke, die all das was sie auf die Tafel kritzelte einfach zur Nebensache machten.

  2. ... der Trittbrettschreiber am Dezember 30th, 2021 12:17 pm

    Nachsatz:
    …kamp, sie hieß Drögenkamp – und es war Sommer.

  3. Scorcher am Dezember 30th, 2021 1:35 pm

    „Mehr als die Postapokalypse fällt niemandem ein.“

    Auch SciFi-Drehbuchautoren können sich eher das Ende der Welt als das Ende des Kapitalismus vorstellen, daher werden in dem Genre dann ferne Alien-Planeten regelmäßig entweder restlos von Konzernen oder von schleimigen Monstern beherrscht. Manchmal werden die Konzerne auch von schleimigen Monstern geleitet, aber auch das kommt uns ja bekannt vor.

  4. Hironimo am Dezember 30th, 2021 4:25 pm

    Angriff der kleinen grünen Fläschchen vom äusseren Ring. Plopplop.

    oder aus ST ToM: „says that 73% of Martian would rather drink beer than fight bugs“ (nicht Firefox)

  5. Kay am Dezember 30th, 2021 4:28 pm

    Die drei Sonnen: Beginne gerade den zweiten Teil der Trilogie. Ich denke, es könnte dir einiges darin gefallen.

    Ein wenig der Ambivalenz Chinas findet sich im Buch, und natürlich lässt sich die eigentliche Geschichte auch ohne SciFi-Elemente auf die Realität heute übertragen.

    Cixin Liu hat auch Philip K. Dick Momente. Die Verbindung von Ost und West ist faszinierend (was für mich genauso für China an sich gilt).

    In meiner Jugend las ich in der DDR ziemlich viel SF, und Lem war mein Lieblingsautor. Außer seinem Spätwerk und ein paar Geschichte von PKD wars dann mit SF aber vorbei.

  6. Thomas am Dezember 30th, 2021 7:05 pm

    Hach, als ich zu dem Absatz mit „woke und Divers“ kam, fiel mir spontan die Neuverfilmung von „In 80 Tagen um die Welt ein“
    Aus „ein englischer Gentleman reist, um eine Wette zu gewinnen, mit seinem französischen Diener Passepartout in exakt 80 Tagen um die Welt“ wird „ein englischer Gentleman reist, um eine Wette zu gewinnen, mit seinem dunkelhäutigen, französischen(?) Diener Passepartout und in Begleitung einer JournalistIN in…“.

    Na wenn das mal nicht woke und divers ist.

    Warum kann man nicht einfach beim Original bleiben???
    Aber dann hätte sich wahrscheinlich keiner für die Neuverfilmung interessiert :(

  7. Winterradfahrer am Dezember 31st, 2021 12:42 pm

    Herr Schröder, Sie haben einen Fernseher? Wo steht der? Was gibt es heute zu essen? Guten Rutsch!

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