Indianerismus in Ecuador

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Verkäuferin von Andenken in Ecuador, fotografiert im Dezember 1979

Ich versuchte soeben, die politische Situation in Ecuador zu verstehen. America21 ist normalerweise informativ und meine erste Anlaufstelle. Eva Haule ist eine Reakteurin, sowie Jonathan Pfeifenberger. Man weiß also, was man bekommt – auf jeden Fall nicht den Einheitsbrei der bürgerlichen Medien, die über Lateinamerika oft befangen und nicht objektiv berichten. (Oh, ich schreibe wieder erschröckliches Linksextremes…)

Hintergrund: Guillermo Lasso tritt bei der Stichwahl am 11. April gegen Andrés Arauz an. Lasso ist ein ultrareaktionärer Banker, Arauz, ebenfalls Banker, stammt aus der Elite des Landes und kommt aus dem Umfeld des ehemaligen „linken“ Präsendenten Rafael Correa. Correa ist wegen Korruption verurteilt worden.

Sein Nachfolger Lenin Moreno war nicht viel besser und wurde – auch wegen Korruption – aus der eigenen Partei geworfen. Die hiesigen Medien hatten ihn und auch seinen Vorgänger vor einigen Jahren noch bejubelt, als Anführer einer Bürgerrevolution. Das war wohl nichts. (Irgendwie scheint die hiesige „Linke“ das alles nicht richtig mitbekommen zu haben.)

Der dritte – jetzt ausgeschiedene – Kandidat ist Yaku Pérez Guartambel: Pérez stützt sich auf die indianischen left wing indigenen Bewegungen, vor allem der Landarbeiter.

Der aktuelle Artikel zur Präsidentschaftswahl schwurbelt aber daher, dass ich entweder eine grottenschlechte Übersetzung eines Artikels von Nodal vermute oder aber linke Sektiererei (mein Detektor schlug auch aus).
Es wird also zu einer Konfrontation von klar unterschiedlichen Projekten, zu einer deutlicheren politisch-ideologischen Auseinandersetzung kommen, als wenn Yaku Pérez ins Spiel gekommen wäre. Er ist eine ambivalente Person, Vertreter der reaktionärsten Strömung in der indigenen Bewegung und hat politische Gepflogenheiten, die eigentlich konservativ sind, aber deren soziale Wählerbasis Ausdruck des Indigenismus und popularer bäuerlicher Sektoren ist, die sich vom Correismus distanzieren.

Pérez ist also „reaktionär“? Und was ist eine „reaktionäre Strömung“ in der „indigenen“ Bewegung? Less than 10% of Ecuador’s population identifies as indigenous, schreibt americaquarterly.org: We’re from the ecological left that defends the rights of people and nature and understands indigenous communities,” said Pérez, a water conservation activist.

So könnte ein orthodoxer Linker geschrieben haben, der den Indigenismo als eine Art Multikulti- und „Diversity“-Bewegung der Landbevölkerung Lateinamerikas ansieht, eine identitäre Folklore, die den Klassenkampf verschleiert und von ihm ablenkt. Das Problem ist unlösbar: Es hilft auch nichts, wenn man – wie Jutta Ditfurth – einfach „links-grün sagt (oder meinetwegen „ökolinks“). Indigenismo war immer antikolonial, also unterstützenswert und musste zuerst den rassistischen Konsens der „weißen“ Oberschicht in Lateinamerika durchbrechen. Andererseits ist Indigenismo auch nicht per se links und kann schnell in eine reaktionäre oder nur ökologische Richtung driften. Genau das Schicksal scheint auch Pachakutik in Ecuador zu blühen.

Sozialismus.de schreibt: Pérez hat sich als Anführer des indigenen Widerstands gegen Energie- und Infrastruktur-Projekte auf indianischem Gebiet, insbesondere wasserverschmutzende und -vergeudende Bergbauprojekte, einen Namen gemacht. Beim gleichzeitigen Referendum »Ja zum Wasser« in Ecuadors drittgrößter Stadt Cuenca sprachen sich über 80% für das Verbot der Ausbeutung von Metall­erzen durch den Mega-Tagebau in den Was­ser­einzugsgebieten von fünf Flüssen in der Region aus. Pérez gelang es, seine Kandidatur mit der Protestwelle vom Oktober 2019 zu verbinden. Damals gingen, angeführt von Gewerkschaften und den Vertretern der CONAIE, dem Bündnis der indigenen Nationalitäten, Tausende auf die Straße.

Das „öko“ ist also ganz klassisch der Anlass und der Aufhänger, was die Leute ganz praktisch bewegt, es stellt aber nicht die System- und Machtfrage. Die klassische „Linke“ in Ecuador muss sich fragen lassen, wieso sie das nicht gesehen und aufgegriffen hat. Und: Warum werden linke Präsidenten immer und schnell genauso korrupt wie die Rechten?

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Kommentare

3 Kommentare zu “Indianerismus in Ecuador”

  1. tom am März 10th, 2021 2:54 pm

    „Und: Warum werden linke Präsidenten immer und schnell genauso korrupt wie die Rechten?“
    Beantworte diese Frage richtig, und ich werde Dich eigenhändig vor das Nobelpreiskomitte rollen!
    Alles ohne ung.

  2. Invasión de Cochinos : Burks' Blog – in dubio pro contra am April 19th, 2021 1:14 pm

    […] In Ecuador hat der erzreaktionäre Banker Guillermo Lasso die Präsidentschaftswahl gewonnen. (Leider sind die Kommentare auf amerika21.de so grottenschlecht übersetzt worden, dass man zum Teil den Sinn nicht versteht oder dort nur Bullshit-Bingo steht.) Der Grund ist vermutlich ganz einfach: Die “indigene” Partei Pachakutik hatte zum Boykott der Wahl aufgerufen. (Vgl. Indianerismus in Ecuador) […]

  3. Das buntscheckige Volk der Panzaleo-sprechenden Rothäute : Burks' Blog – in dubio pro contra am Oktober 31st, 2021 1:20 pm

    […] Wahrheit geht es immer nur um die Klassenfrage. (Über den „Indianerismus“ in Ecuador hatte ich schon geschrieben.) Jemand wird nicht abschätzend beurteilt, weil er oder sie Quechua spricht, sondern weil das […]

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