Keine Posaunen, kein Tempel, kein Auszug aus Ägypten, nirgends

keine posaunen vor JerichoVor fünf Jahren schrieb ich unter der Überschrift „Wer ist Jude?“ dieses:

Wie ich am 18.04.2003 und am 15.04.2006 („Nicht rumhängen, Jesus!“) schon erörterte: „Wir leben bekanntlich nicht mehr im Mittelalter. Gefühle, gar der kollektiven abergläubischen Art, dürfen von Staats wegen überhaupt nicht geschützt werden. (…) Meinetwegen kann mich jemand, der an die jungfräuliche Geburt, an Wiedergeburt, Auferstehung, an den Auszug der Israeliten aus Ägypten, die Posaunen vor Jericho, den Weihnachtsmann und anderen Quatsch glaubt, mich und andere Atheisten gern karikieren. Das lässt mich kalt. (…) Päpste zu Märchenonkels, Kirchen zu Turnhallen!“

Wieder ein Argument gegen Religionsunterricht an den Schulen: Ich wette, dass in deutschen Schulklassen immer noch die fromme Legende erzählt wird, es habe einen „Auszug Israels“ aus Ägypten oder gar die sprichwörtlichen „Posaunen vor Jericho“ gegeben. Seit Israel Finkelsteins und Miriam Magalls Buch „Keine Posaunen vor Jericho: Die archäologische Wahrheit über die Bibel“ wissen wir, dass alles das ein gut erfundenes Propaganda-Märchen ist. Das ist nicht Geschichte und Realität, sondern ein Mythos!

„Die Wurzeln des Volkes Israel beruhen auf der Geschichte zweier Königreiche und nicht wie bisher immer angenommen eines Königreiches, des Nordreiches Israel und des Südreiches Juda. Fundamentale Wahrheiten wie der Auszug aus Ägypten, die Einnahme Kanaans die Bedeutung des Reiches Salomons (fragliche Existenz des Tempels und Palastes) werden nicht nur in Frage gestellt, sondern negiert. (…) Das Buch zeichnet sich durch absolute Professionalität aus“ (Rezension bei Amazon).

Spiegel Offline weist auf einen neuen und aktuellen Streit hin: Der israelische Historiker Schlomo Sand [kennt ihr den Unterschied zwischen ‚israelisch‘ und ‚jüdisch“ beim Spiegel? Offenbar nicht. Und seinen Vornamen schreibt ihr auch falsch. BS] behauptet in seinem Buch „Die Erfindung des jüdischen Volkes„:
– „Die Juden seien ergo gar kein Volk, das 2000 Jahre lang in alle Welt versprengt gewesen sei.
– Die jüdischen Gemeinden im Mittelmeerraum und Europa seien vielmehr das Produkt eifriger Missionsarbeit jüdischer Geistlicher.
– Juden seien keine Ethnie, sondern bloß eine Religionsgemeinschaft, der sich Gruppen der unterschiedlichsten Herkünfte angeschlossen hätten.“

Das alles ist schon bekannt. Aber natürlich passt es den Verehrern höherer Wesen nicht, wenn man ihren frommen Aberglauben mit der Realität abgleicht. Dann halten die christlichen, islamischen und jüdischen Pfaffen zusammen wie Pech und Schwefel. Perlentaucher.de fasst es knapp zusammen: „Die Berufung auf die jüdischen Stammväter entspringe dem gleichen Muster wie deutschen Mythen um die Germania oder Hermann dem Cherusker. Plausibel (..) auch Sands These, dass die Mehrheit der osteuropäischen Juden ethnisch vom Turkvolk der Chasaren abstammt, die im achten Jahrhundert geschlossen zum Judentum übergetreten seien, weswegen er dem Buch bescheinigt, ‚radikal, kenntnisreich und mit großem Mut‘ geschrieben zu sein.“

Wer den Juden eigene Gene zuspricht, die ein „Volk“ mit speziellen kulturellen Eigenschaften definieren könnten, ist schlicht ein dämlicher Rassist und sollte Nachhilfestunden in Biologie nehmen. Ich würde sehr gern wissen, was man zu hören bekäme, wenn man auf deutschen Straßen Passanten fragte: „Wer ist Jude“? Das traute sich aber niemand, weil die Antworten sehr viel über „die Deutschen“ aussagen würde.

Ich habe jetzt noch einmal mit großem Vergnügen (zum zweiten Mal) Israel Finkelsteins Keine Posaunen vor Jericho: Die archäologische Wahrheit über die Bibel ganz durchgelesen. David Noel Freedman schrieb: „Allen, die morgens gern kalt duschen, sei diese Buch wärmstens empfohlen.“

Man kann es nicht oft genug sagen: wird Unsinn nur oft genug wiederholt und wollen die Leute unbedingt, dass Unsinn Wahrheit wird, dann ist er nicht mehr aus der Welt zu schaffen. Das gilt nicht nur für Politik, sondern natürlich und insbesondere für Relgion.

Bible Historical Daily preist eine Veröffentlichung der Biblical Archaeology Society (BAS) an. Nomen est omen. Man fragt dort enthusiastisch: „Ivory Pomegranate [Gnanatapfel] Revisited: A Relic from Solomon’s Temple?“ Leider gab es diesen Tempel gar nicht, aber wer sich an der Bibel orientiert und das unbedingt finden möchte, was dort erwähnt wird, ist kein Wissenschaftler, sondern schlicht ein Apologet nicht existierender höherer Wesen und deren Groupies.

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Kommentare

13 Kommentare zu “Keine Posaunen, kein Tempel, kein Auszug aus Ägypten, nirgends”

  1. ... der Trittbrettschreiber am März 28th, 2016 6:56 pm

    Gibt es auch ein Buch „Doch Posaunen vor Jericho“?
    Diese Wissenschaft, biblisch oder nicht, ist für sich schon ein Sandkastenspiel. Posaune… gar nicht … doch Posaune … überhaupt nicht etc.
    Nun denn ich bleibe bei meiner Phantasterei, nachdem ich „gehört“ habe, dass im Köllner Dom eine Demutspfeife installiert ist, die mit unter 20 Hz einen nicht hörbaren Ton erzeugt und den Menschen beim „In-die-Knie-gehen“ unterstützend helfen soll. Warum sollte es damals nicht Posauen (überhaupt nicht..doch, neeiiin)gegeben haben, die Lehmmauern zerbröselt haben? Und: Der Auszug Israels – was soll denn daran nun wieder so interessant unmöglich sein? Schließlich ist unsere Geschichte (und vor allem unsere jüngste) voll von Völkerwanderungen und Flüchtlingen zu Hauf.
    Was ist so spannend an einem Buch, das einfach nur beweist, dass etwas nicht stattgefunden hat?
    Ich würde es lesen, wenn ich ein anderes noch phantastischeres Märchen vorgesetzt bekäme.
    Für die Realität lese ich schließlich Burks‘ Blog…;-)… gleich nach dem AT.

  2. Sam am März 29th, 2016 1:32 am

    „Wer den Juden eigene Gene zuspricht, die ein „Volk“ mit speziellen kulturellen Eigenschaften definieren könnten…“
    Nun, kulturelle Eigenschaften in den Genen wären auch etwas ganz Besonderes…

    Aber:
    „Etwa 1% der Menschen weltweit, aber bis zu 26% von Angehörigen der Bankiersfamilien und ihren Zuarbeitern sind durch ein verkürztes Gen, CCR5 Deletion p32, immun gegen Pest, Pocken, Tuberkulose und Retroviren wie HIV.“ (Morde alle Jubeljahre: Urheber und Methoden von Massenmorden, W. Geisler, 2014)
    Nach der Lektüre erübrigt sich die Märchenforschung als ziemlich unwesentlich.

  3. R@iner am März 29th, 2016 10:21 am

    Um Religion geht es in dem folgenden Vortrag nicht, aber der Mann ist ein aufrechter Kämpfer gegen die Macht der Kirchen: Carsten Frerk: „Kirche und Staat in Deutschland“

    Das erwähnte Buch sollte in keinem Haushalt fehlen.

  4. Martin Däniken am März 29th, 2016 10:37 am

    @Sam:
    Diese Immunität schützt natürlich auch vor Dämlichkeit und Habgier…
    Reiche Leute,die pötzlich versterben,gibt es nie und Erbstreitigkeiten auch nicht …
    Oder werden diese von den üblichen Einzelfällen abgesehen sehr diskret behandelt.
    Das ist der Vorteil von wirklicher Macht und nicht nur rein monitärer Ausstattung…
    Anstonsten giltwie IMMER:
    „Der Sieger hat recht.
    Der Sieger schreibt die Geschichte.“
    Bis die Archäologen kommen ;-)

  5. Ben am März 29th, 2016 1:08 pm

    Ist fefe also auch ein „dämlicher Rassist“?

  6. Messdiener am März 29th, 2016 2:03 pm

    Natürlich waren es keine Posaunen, es waren Trompeten und Timbales.
    https://www.youtube.com/watch?v=ly0HYdQkSJ0

  7. Wolf-Dieter am März 29th, 2016 8:53 pm

    Soweit es die Historie betrifft: interessant. Soweit es Bibel-Widerlegung betrifft: so interessant wie einen toten Hund zu prügeln.

  8. Ahmed am März 29th, 2016 10:11 pm

    Auf das Buch mit der Widerlegung des Judentums und seine Rezension hier bin ich gespannt. Das sage ich mal ganz locker als Nichtdeutscher und lache laut

  9. ... der Trittbrettschreiber am März 30th, 2016 6:35 am

    @Wolf-Dieter

    Vielleicht ist es viel naturnaher, einen toten Hund zu prügeln als eine tote Aktentasche(oder eine Lederjacke aufzuhängen). Gibts das auch schon in der Öko-Version wie z.B. „Fair Beat“ etc.? Ich meine
    „Fair Beaten“ mus man ja nicht alles, was sinnvoll ist – oder?

  10. Martin Däniken am März 30th, 2016 11:45 am

    Regilionen sind Mythen,an die man glauben muss ohne jede Beweiskraft und
    „Opium fürs Volk!“;-)

  11. tvb am April 2nd, 2016 2:44 pm

    @Ben:

    Abgesehen davon, dass Burks gefragt wurde: Ja.

  12. Vikings, Jews and Germans : Burks' Blog am Januar 16th, 2017 6:20 pm

    […] the way, Gerd Buurmann: Kennen Sie das Buch „Keine Posaunen vor Jericho„? Ich wäre vorsichtig, wenn ich mich auf „historische“ Ereignisse bezöge, wenn […]

  13. Stefan Wehmeier am März 20th, 2017 8:02 pm

    „Die Intelligenz rennt dir nach, aber du bist schneller!“

    Nach dem „Auszug der Israeliten aus Ägypten“, der Weiterentwicklung der menschlichen Kultur von der zentralistischen Planwirtschaft noch ohne liquides Geld zur Marktwirtschaft mit Geldkreislauf (für die mit dem weitesten Vorsprung vor der Intelligenz: die Heilige Schrift ist nicht gegenständlich, sondern funktional zu verstehen), suchten die israelitischen Hohepriester, die das „Programm Genesis“ noch kannten, sieben Jahrhunderte lang nach der Lösung, wie die Marktwirtschaft (Paradies) vom parasitären Gegenprinzip des Privatkapitalismus (Erbsünde) zu befreien ist. Da sie aber selbst von der Erbsünde lebten, blieb ihnen die Lösung versagt, sodass sie nur auf einen Propheten hoffen konnten, der ihnen die Lösung verraten würde. Und als dieser erschien, waren weitere fünf Jahrhunderte vergangen, in denen man sich schon so weit mit der Erbsünde arrangiert hatte, dass unter den „Pharisäern und Schriftgelehrten“ (heute zu übersetzen mit „Politiker/Schweinepriester und Rechtsverdreher“) niemand mehr zu finden war, der die Worte des Propheten noch verstehen konnte. Nur beim einfachen Volk hinterließ Jesus von Nazareth einen tiefen Eindruck, aus dem im weiteren Verlauf der Geschichte ein globaler Cargo-Kult entstand, der sich heute „moderne Zivilisation“ nennt. Die Bewohner des Cargo-Kultes sind bereits zum Mond geflogen, aber die Basis allen menschlichen Zusammenlebens (Makroökonomie) und die grundlegendste zwischenmenschliche Beziehung (Geld) haben die „verlorenen Kinder der See“ bis heute nicht verstanden:

    https://youtu.be/JWSLMS_rt5M?t=733

    Erklärungen dazu finden sich im dritten der „Sieben Siegel der Apokalypse“…

    https://www.deweles.de/apokalypse.html

    …und man darf gespannt sein, inwieweit das einstige Volk der Dichter und Denker diese im Grunde „banalsten Selbstverständlichkeiten“ noch vor dem Jüngsten Tag (gesetzlich verbindliche Ankündigung der freiwirtschaftlichen Geld- und Bodenreform) begreifen wird.

    „Wenn jemand nicht zuerst das Wasser kennt, kennt er nichts. Denn was nützt es ihm, wenn er darin getauft wird? Wenn jemand nicht weiß, wie der wehende Wind entstanden ist, wird er mit ihm hinweggeweht werden.“

    http://web.archive.org/web/20070819120335/http://wwwuser.gwdg.de/~rzellwe/nhs/node223.html

    In der originalen Heiligen Schrift (die Bibel bis Genesis_11,9 sowie ein wesentlicher Teil der Nag Hammadi Schriften), die nicht zum Zweck des Moralverkaufs gegenständlich-naiv uminterpretiert wurde, steht „Wasser“ für liquides Geld und „der wehende Wind“ bedeutet Geldbewegung bzw. Geldumlauf, als Grundvoraussetzung für das Funktionieren der Arbeitsteilung, die den Menschen über den Tierzustand erhob:

    http://opium-des-volkes.blogspot.de/2017/03/evolution-der-intelligenz.html

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