Der Tag, an dem die Demokratie starb

Ein Interview der Illustrierten Stern mit Yanis Varoufakis. Lesenswert.
Mit dem Hilfsprogramm wurde Griechenland faktisch zu einem Protektorat. Die Eurogruppe, die demokratisch überhaupt nicht legitimiert ist, eigentlich ein informelles Forum ist ohne Machtbefugnisse, erteilt Völkern Befehle: Sie wollen Untertanen, die den Kopf beugen, nicken, demütig sind und tun, was ihnen befohlen wird. Diese Eurogruppe agiert ohne jede Kontrolle – und trifft Entscheidungen über Leben und Tod. Als die Eurogruppe gegründet wurde, starb die Demokratie. (…) Weil Schäuble und Merkel nicht schon wieder Banken retten konnten, sagten sie dem deutschen Volk: Die Griechen, Spanier und Portugiesen haben über ihre Verhältnisse gelebt!.

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Also doch: Eine Verschwörung

Sogar meine erste Verschwörungstheorie zum Thema Netzpolitik.org bewahrheitet sich: “ Der SPD-Justizminister Heiko Maas möchte sich wichtig tun und als Retter der Pressefreiheit darstellen.“ Jetzt hat Maas den Generalbundesanwalt entlassen.

Spiegel online hatte das übersichtlich zusammengefasst:
Was wir hier zu sehen bekommen, scheint ein Glanzstück ministerialbürokratischer Kommunikation zu sein: Das Justizministerium schickt wohl – die Brisanz der Sache erahnend – der Bundesanwaltschaft einen Brief, auf den sich Justizminister Heiko Maas (SPD) später berufen und sich damit aus der Affäre ziehen kann. Zugleich ist der Inhalt aber so wachsweich, dass daraus kein Stopp des Ermittlungsverfahrens erwachsen muss. Denn das wiederum hätten Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und das BfV nicht hingenommen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt muss Range klar gewesen sein, dass er in diesem Skandal den Sündenbock wird abgeben müssen.

Range ist Mitglied der FDP. Maaßen wurde von einem CSU-Minister zum Verfassungsschutzchef vorgeschlagen. Honi soit qui mal y pense.

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Ein Kessel Buntes

panama

Foto: Panama 1982

Man kann dem so genannten „Sozialismus“ der DDR vieles vorwerfen, aber wer zweifelt, dass das heutige Beitrittsgebiet genauso oder noch viel mehr typisch deutsch gewesen sei, alle Versuche, die breite Masse des Volks von Befehlsempfängern, Untertanen, Hobby-Blockwarten und grauslichen Spießern zu aufrecht gehenden und mündigen Citoyen zu machen, demgemäßg zwangsläufig scheitern mussten, dem muss man nur die Zeichenkette „Ein Kessel Buntes“ zum feuilletonistischen Fraße vorwerden und abwarten, ob dieser Zweifler dann das Würgen begönne, was gemeinhin ein eindeutiger Hinweis darauf ist, die Sinne noch einigermaßen beisammen zu haben. Das erklärt auch den Titel dieses Postings. Mir fiel keiner ein, und „miscellaneous“ wollte ich nicht schon wieder schreiben.

Ungefähr ein Mal im Jahr ändert ein journalistischer Artikel meine Meinung zu diesem und jenen – oder meinen Blickwinkel auf ein Thema. Heute geschehen mit Deniz Yücels Kommentar in der „Welt“: „Es geht nicht um Kurden, sondern um den Islam“. Lesenswert.

Der tschechische Präsident Milosh Zeman sagt ganz richtig: Die Flüchtlingswellen nach Europa seien das Ergebnis der westlicher Militärinterventionen im Irak, Libyen und Syrien, die dazu beigetragen hätten, dass sich Terrororganisation im Nahen Osten ausbreiten haben ausbreiten können (Grammatik und Satzbau auf burks.de sind korrekter als bei RT Deutsch; es ist aber – zugegeben! – im Deutschen nicht ganz einfach, den Konjunktiv der indirekten Rede zu unterscheiden vom Konjunktiv irrealis, geschweige denn, dessen Formen zu kennen und korrekt zu verwenden).

By the way: Meine Verschwörungstheorien zum Fall netzpolitik.org bestätigen sich schon wieder. Alle wussten vorher Bescheid, also auch der Justizminister. „Das Justizministerium will von dem Verfahren eindringlich abgeraten haben.“ Pofalla-Syndrom, ich sag’s ja.

Unsere bekannteste Expertin für die Brechung des Zinsknechtschaft das raffende Kapital, welches sie angreift, weil sie das eigentliche Kapital nicht attackieren möchte, verkasematuckelt die deutsche Sprache: „Die Bundesregierung führt ihre Aktivitäten zur Beschaffung von Kampfdrohnen trotz deutlich ablehnender Meinung in der Bevölkerung fort.“

Aktivitäten fortführen“ – das stärkste Verb, seit Schiller die „Glocke“ schrieb. (Ja, verdammt noch mal, die „Glocke“ gdehört immer noch zum Bildungskanon, allein wegen der dortigen Tuwörter und wie man sie verwenden sollte.)

Es wäre so einfach: Äten und Ungs und Keits verbieten. Was bliebe übrig? Die Bundesregierung beschafft weiterhin Kampfdrohnen, (wer tat was und tut es immer noch?) obwohl die Bevölkerung das mehrheitlich ablehnt. Da wäre ein verständlicher deutscher Satz ohne Geschwurbel. Damit kriegte man aber eine Pressemeldung nicht voll.

Das Neue Deutschland schreibt über den aktuellen Stand des Klassenkampfs in Griechenland. Man sollte dort zur Zeit nicht mit der Bahn fahren, sondern stattdessen immer ein Ersatzfahrrad mitführen – oder ein Ersatz-Schiff, falls die Griechen mal dort streikten, wo es wirklich weh täte.

Und nun zum Feuilleton: National Geographic zeigt wieder mal „most popular“ Reisefotos. Da kann ich aber mithalten (vgl. oben). Alternative dortselbst: Katzenfotos oder Gürteltiere, die zurückschießen.

„Kassieren und blamieren“ – Der Freitag berichtet, dass das Bundesarchiv „historisches Filmmaterial laufend und in großem Stil“ vernichte.

Ich muss heute arbeiten. Der Guardian kommentiert das.

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Elektronisch ausleuchten

Markus Kompa erklärt auf Telepolis schlüssig, was an der Affäre um netzpolitik.org dran ist. Ich muss meinen Verschwörungstheorien noch eine hinzufügen.
Die Strafanzeige erfolgte nur pro forma mit einem ganz anderen strategischen Ziel. (…) Katalogstraftaten sind auch der Schlüssel zu anderen über die normale Strafermittlung hinausgehenden Maßnahmen. (…) Mit anderen Worten: netzpolitik.org darf seit Anzeigeerstattung auch nach offizieller Aktenlage elektronisch abgeleuchtet werden. (…) Der Verfassungsschutz hat sich dieses durchsichtige Manöver von seinem nicht völlig naiven Innenminister eigens absegnen lassen.

Addendum: Natürlich ist meine dritte Verschwörungstheorie („Pofalla-Syndrom“) auch noch zutreffend. Alle Beteiligten sind einfach abgrundtief dämlich. Vgl. FAZ: „Jetzt wehrt sich Maaßen gegen Kritiker: Sein Schritt sei notwendig für den Kampf gegen Terrorismus und Extremismus gewesen.“

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Babylonien, revisited: 24.0

Babylonien, revisited, 23.0: Twi (Ghana).

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Mein Zorn ist besser als deiner

Lesenswerter Artikel auf The Atlantic: „My Outrage Is Better Than Your Outrage – Even when a dentist kills an adored lion, and everyone is furious, there’s loftier righteousness to be had. (…) So it’s meaningless, even if it’s fun, to go around one-upping people’s outrage. Try it.“

Well said.

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Landesverrat, yeah! Oder: Erweiterte Fachunterstützung

mainstream

Jetzt nur nichts Falsches sagen. Wer gegen den gefühlten Mainstream ist, wird sozial geächtet, nicht mehr verlinkt rezipiert, der Gemeinschaftsentzug der Netzgemeinde ist der soziale Tod. Ich muss jetzt ganz stark sein.

Die medienkompententen Leserinnen und wohl informierten Leser werden zur Affäre um das Ermittlungsverfahren gegen netzpolitik.org schon alles wissen und gelesen haben. Ich musste gestern zwölf Stunden arbeiten und hatte mit dem ganz normalen Proletariat zu: Die Leute interessiert das nicht die Bohne. Ich mag das, immer wieder „geerdet“ zu werden. „Das Internet“ und was dort geschieht, ist kein Maßstab für das, was wirklich zählt.

Der mediale Sturm im Wasserglas, die – ach! – so wichtige Pressefreiheit werde jetzt angegriffen, wiederholt nur die Textbausteine, die wir schon aus der Cicero-Affäre kennen oder von der Durchsuchung der Redaktionsräume der Berliner Morgenpost (2012) oder von den Ermittlungen gegen 17 Journalisten wegen Beihilfe zum Geheimnisverrat (2007) oder von LabourNet Germany (2006).

Man weiß also vorher, wie das ausgeht. Die Wellen der Empörung in deutschen Blogs, die jetzt schon abebben, wiederholen doch nur das unpolitische Erregungsverhalten, das wir auch aus den Mainstream-Medien kennen. Selbst wenn Beckedahl in der „Tagesschau“ gezeigt wurde, wird sich kaum jemand, der nicht in der kleinen Netzgeneinde zuhause ist, in ein paar Wochen erinnern. Was war da noch?

Soll da jemand eingeschüchtern werden? Das glaube ich nicht. Ich vermute eher, dass es um etwas anderes geht. Erstens werden die Bundesanwaltschaft und Maaßen vom Verfassungsschutz genau gewusst und vorhergesehen haben, welches Shitstörmchen sie auslösen würden. Gegen die NSA wird nicht ermittelt, aber gegen ein Blog? Da haben wir doch alles, was wir für die öffentlichen Gefühle brauchen, um diese überkochen zu lassen – David gegen Goliath, usw., verratene geheime Staatsgeheimnisse, Blogger sind auch Journalisten, die eindeutig Guten gegen die eindeuitig Bösen usw. Zweitens kann es den Behörden ziemlich egal sein, was die Öffentlichkeit denkt. Lächerlicher als der Verfassungsschutz sich in der Vergangenheit gemacht hat, geht es gar nicht mehr. So what?

Ich habe drei Verschwörungstheorien in petto, warum es dieses Verfahren gibt, und diese schließen sich nicht gegenseitig aus. Erstens: Der SPD-Justizminister Heiko Maas möchte sich wichtig tun und als Retter der Pressefreiheit darstellen.

Zweitens lesen wir in der FAZ: „Die ursprüngliche Strafanzeige sei nicht gegen konkrete Personen gerichtet, sondern gegen ‚unbekannt‘, heißt es im Umfeld der Bundesanwaltschaft. Ziel des Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen sei nicht gewesen, dass gegen Journalisten ermittelt werde, sondern dass die Weitergabe von Geheimdokumenten vereitelt werde. Nur dieses Vorhaben hatte die Billigung der Führung des Bundesinnenministeriums gefunden.“ Das genau ist Usus und auch schon vorher das Motiv gewesen. Maaßen macht also nur „Innenpolitik“: Er will seine eigenen Leute einschüchtern.

Drittens: Es ist doch juristisch spannend, die durch das Verfahren gestellten Fragen juristisch beantworten zu lassen. Was ist ein Staatsgeheimnis? Thomas Stadler hat dazu Interessantes geschrieben. Nur kennt der sich mehr mit der Juristerei als ein Verfassungsschützer.

Ich teile Stadlers Fazit nicht: Die sind nicht zurückgerudert, weil es eine „unglaubliche Welle von Solidarität“ gegeben habe. Ach Quatsch. Es war eher ein Sturm im Wasserglas: Gesichter und Flaggen wurden von den üblichen Verdächtigen digital gezeigt und Lichterketten geschwenkt. Man wusste exakt und a priori, was jeder sagen würde – rein werbetechnisch eine extrem langweilige Angelegenheit. Allerdings hätte der Generalbundesanwalt den Verfassungsschützern wegen deren anzeige auch (zu Recht!) einfach einen Vogel zeigen können. So sind Beamte aber nicht mental gestrickt.

Drittens: Es könnte aber auch das zutreffen, was ich „Pofalla-Syndrom“ nennen möchte: Alle Beteiligten sind einfach abgrundtief dämlich. Das kann man in der Politik nicht ausschließen, und schon gar nicht bei Verfassungsschützern.

By the way: Kann mir mal jemand erklären, warum im Impressum von netzpolitik.org die newthinking communications GmbH (HRB 102015) steht, also eine Firma, deren Bilanzen man schnell über das unternehmensregister im Bundesanzeiger Verlag einsehen kann, die Zeitungen aber schreiben, Beckedahl finanziere sein Blog „über Spenden“?

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