Gegenwelt zur Parallelgesellschaft

tuba sarica

„Die Sommerferien verbrachten wir typischerweise immer in der Türkei. Doch anders als die meisten deutschtürkischen Familien hielten wir uns den Großteil dieser Zeit nicht bei der Verwandtschaft in der Provinz oder in Istanbul auf. Stattdessen kauften sich unsere Eltern ein Ferienhaus an der Westküste, fernab von Istanbul und fernab von muslimischen Verpflichtungen. Dieses Haus symbolisierte uns als autonome Familie. Es schrie der Verwandtschaft ins Gesicht: Wir, Vater, Mutter, Kinder, sind unsere eigene kleine Familie. Unser Familienleben ist nicht an eures gekoppelt. Ihr kontrolliert es nicht. Touristisch weitgehend unerschlossen, ist die Gegend nahe Izmir bekannt dafür, im Gegensatz zu anderen Teilen der Türkei besonders fortschrittlich zu sein. Hier machten wir auch Urlaub von der Verwandtschaft in Deutschland, die ich als hinterwäldlerisch empfand und die trotz der Grenzen, die meine Eltern ihr setzten, Druck auf unsere Familie ausübte. Hier konnten wir besonders ausgelassen und glücklich sein, den ganzen Tag in Badesachen verbringen, Burger essen, das türkische Bier Efes trinken, abends ausgehen – alles ohne die verurteilenden Blicke von konservativen Muslimen, denen man unter vielen Türken und Deutschtürken begegnet. Hier waren wir befreit von dem Gefühl, wir müssten irgendetwas verdecken oder verstecken. Sei es ein Körperteil oder der Wein im Schrank. Die Nachbarn in der Ferienhausanlage waren ebenfalls sehr inspirierend. Sie kamen aus weniger konservativen Haushalten aus Istanbul und Ankara und nahmen sich hier eine Auszeit vom Leben in den Metropolen. Zum Glück gab es keine deutschtürkischen Familien, keine herumschreienden Kinder und Eltern also. Die Kinder der vornehmen türkischen Nachbarn waren auffällig leise. Das hier war unsere kleine Gegenwelt zur Parallelgesellschaft in Deutschland.“ (Tuba Sarica: Ihr Scheinheiligen!: Doppelmoral und falsche Toleranz – Die Parallelwelt der Deutschtürken und die Deutschen.

Für mich war das Buch nichts Neues, ist aber lesenswert.

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Kommentare

2 Kommentare zu “Gegenwelt zur Parallelgesellschaft”

  1. Fritz am Januar 7th, 2019 7:27 pm

    Ich habe mal einen Türken aus Istanbul kennen gelernt. Dem war es schrecklich peinlich, dass die Deutschen glauben, die Türken wären alle so wie die Leute aus dem anatolischen Dorf, die die Mehrzahl der Migranten ausmachen.

    In Kolumbien laufen nachmittags türkische Telenovelas im Fernsehen. Unterscheiden sich kaum von den kolumbianischen, es geht um Liebe, Eifersucht, Familie und Intrigen. Kopftücher sieht man keine, dass einzig türkische ist, dass Tee aus kleinen Gläsern getrunken wird.

  2. Martin Däniken am Januar 11th, 2019 1:50 pm

    Wenn ich mir überlege,die Türkei hätte Arbeitskräfte gebraucht und es wären
    Hardcore-Pieätisten aus Wuppertal gekommen…
    Die wären uns auch peinlich!

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