Autorisierte objektive Fake-News, Jenny Stern!

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Foto: Die Einsamkeit des Dozenten, wenn er zehn Minuten zu früh zur Vorlesung kommt…

Geschätzte Kollegin Jenny Stern vom „Bayerischen Rundfunk“! Natürlich ist ein alter Mann froh, wenn die Ratschläge und Tipps journalistischer Art, die man meinte, im Allgemeinen und Besonderen jederzeit und allüberall geben zu müssen, auch von den Nachgeborenen positiv angenommen werden. Der „Tagesschau“-Klon „Faktenfinder“ offeriert uns einen gar löblichen Artikel mit dem Titel „Wann darf ein Journalist seine Meinung sagen?“ (Man jauchzt und frohlocket so ganz nebenbei, da es sogar bei einer so genannten „öffentlich-rechtlichen“ Anstalt ganz unerwartet möglich scheint, ohne gendrifiziertes Schreiben auszukommen.) Außerdem lernen bzw. wiederholen wir alle gemeinsam, was an „journalistischen Darstellungsformen“ so herumfleucht, als da wären die objektive und meinungsfreie Nachricht, die schon Pontius Pilatus schätzte, dazu „meinungsäußerende Darstellungsformen“ wie der Kommentar oder die Glosse sowie Bastarde wie das Feature. Volui dicere: Genau das bringe ich meinen Studenten auch bei.

Ich hätte gern auf das Angebot der „Tagesschau“ verwiesen, wenn ich nicht etwas zu mäkeln hätte, so sehr, dass ich – mit Verlaub, geschätzte junge Kollegin! – das Geschwurbel beinahe als Beispiel dafür präsentiert hätte, wie man es gerade nicht machen soll. Deutsch des Grauens vom Feinsten! Es wimmelt vor Nomen (ung, ung, ung, ung – als hätte Katja Kipping den Text verfasst) und Funktionsverben, die Journalisten, falls sie dem Volke dienen wollen (sorry, altes KSV-Sprech), tunlichst vermeiden.

Ich bin versucht, den pathetisch dahinholpernden Satz „die strikte Trennung in informierende und meinungsäußernde Darstellungsformen ist oberstes Gebot im Journalismus“ zu erweitern: Verständlich zu schreiben ist oberstes Gebot im Journalismus, noch vor der Regel, man solle Information und Kommentar strikt trennen. Wenn man nicht verstanden wird, nützt der Rest rein gar nichts.

Mal im Ernst, liebe Kollegin, wir glauben doch nicht, was wir da behaupten? Objektiv? Was soll denn das sein, mal abgesehen von mathematischen Formeln? Uwe Krüger zum Beispiel behauptet in seinem Buch Meinungsmacht – Der Einfluss von Eliten auf Leitmedien und Alpha-Journalisten, dass die Mehrheit der Journaille die Sicht der herrschenden Klasse übernehme. Ich gebe zu, dass bei der „Tagesschau“ und beim Bayerischen Rundfunk sowieso der hässliche Begriff „herrschende Klasse“ vermutlich verpönt, wenn nicht gar verboten ist im Sinne der freiwilligen Selbstzensur, dennoch ist er wahr und gut und trifft die Realität wie ein Dartpfeil die Scheibe.

Daher nannte man in grauer Vorzeit so etwas wie die „Tagesschau“ und andere Meinstream-Medien „bürgerliche Presse“. Ein schönes Wort, entlarvt es doch die statistisch, gar wissenschaftlich fundierte These, dass Journalisten fast nie aus der Arbeiterklasse stammen, sondern das Proletariat verachten, eben wie es die Linke auch tut (vgl. Christian Baron: „Proleten, Pöbel, Parasiten: Warum die Linken die Arbeiter verachten). Nicht nur das: Sie machen ihnen sprachpolizeiliche Benimmvorschriften, schelten die Arbeiter, weil sie nicht politisch korrekt wählten und wollen mit ihnen nichts zu tun haben.

Nichts ist objektiv, und Journalisten zu allerletzt. Sie tun nur so.

Nehmen wir „schlussendlich“ (ein beliebtes Wort im Furz- und Blähdeutschen), Jenny Stern, den Abschnitt über das Interview. „Das Gesagte wird dabei genau wiedergegeben und vor der Veröffentlichung häufig vom Interviewpartner ‚autorisiert‘: Das ist, wieder mit Verlaub, gequirlte Kuhkacke und gelogen dazu. Der Guardian macht sich deshalb über deutsche Journalisten lustig und schickt noch Häme hinterher: Diese spielten das Spiel der Politiker mit. Mit Journalismus hat es also nichts zu tun, wenn man Interview „autorisieren“ lässt, eher mit Dummheit und Autoritätshörigkeit. Das ist bei der „Tagesschau“ und anderen Faktenfindern nicht bekannt? Und so etwas soll ich meinen Studentinnen (ich hatte in diesem Semester nur Frauen) empfehlen? Ein höheres Wesen bewahre mich davor.

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Kommentare

4 Kommentare zu “Autorisierte objektive Fake-News, Jenny Stern!”

  1. ... der Trittbrettschreiber am November 4th, 2017 7:44 pm

    :-) … und? Wird sie anbeißen?*

    Burks am Stil … elaboriert – it’s like drinking whisky in a rumbled yellow porsche racing towards the sunny rixdorf.

  2. Detlef Borchers am November 5th, 2017 1:31 pm

    Tja, es gibt halt keine Seminarleiter wie E.A. Rauter mehr.

  3. Detlef Borchers am November 5th, 2017 1:37 pm

    Tja, es gibt halt keine Seminarleiter wie E.A. Rauter mehr

    http://tadema.de/thesen/e_a_rauter.pdf

    „Zum Machen von Dingen verwendet man Werkzeuge. Das Werkzeug, mit dem Menschen gemacht werden, ist die Information.“

  4. ... der Trittbrettschreiber am November 5th, 2017 3:18 pm

    Zitat Detlef Borchers:
    „Das Werkzeug, mit dem Menschen gemacht werden, ist die Information.“

    Hihi*… Wissen ist nachts – oder auch im Paternoster:

    http://www.gofeminin.de/leidenschaft/sex-an-ungewoehnlichen-orten-d11192x37004.html

    *Schreiben muss nicht originell sein.

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