Der Homo sovietikus im Buchenland und auch anderswo

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Rückzug des Osmanischen Reiches vom Balkan und den Gebieten nördlich des Schwarzen Meeres (Surce)

Die Russen machen offenbar jetzt ein neues Fass auf. Die Financial Times titelte gestern: „Vladimir Putin abandons hopes of Ukraine deal and shifts to land-grab strategy“. Bevor wir fortfahren, bitte ich die der Geografie kundigen Leser, sich mit folgenden Begriffen vertraut zu machen: Bukowina, Fürstentum Moldau, Galizien, Podolien, Ruthenien, Großrumänien, Bewegung zur Vereinigung von Rumänien und Moldau, Gouvernement Transnistrien sowie Transnistrien, Bessarabien, Budschak, Dobrudscha und das Herza-Gebiet. Ich setze voraus, dass die Leser alle Balkanstaaten kennen und auswendig wissen, wo sie genau liegen und was die jeweilige Hauptstadt ist, falls eine solche vorhanden. (Tiraspol? Oder sagte jemand Czernowitz?)

Von einem russischen Telegram-Kanal (Triggerwarnung: übelste postbolschewistsche Propaganda und alles gelogen!):
Considering Moldova is a rather failing state, it would be smart to make a deal with Romania, which in assume in a few years will annex Moldova de facto, and for example exchange Transnistria for southern bessarabian coast, which was taken away from Romania following the decision of Molotov Ribbentrop pact, as well as Transnistria being taken away from Ukrainian SSR and forcefully added into Moldova. And now Putin has been trying to undo the consequences of the pact.

I think Eastern Europe will eventually be ready to overcome the grudges of the past and mostly return towards the natural, pre-1939 borders.

Die wollen also die gesamte Nachkriegsgeschichte neu sortieren? Das wird ja lustig. Soweit ich weiß, wollen die Polen die Westukraine noch nicht haben, wie die Russen vorschlugen. Noch nicht.

map moldau

Das ist ziemlich unübersichtlich da unten. Es gibt zwischen den ehemaligen Gebieten des Kaiserreichs Österreich-Ungarn offenbar keine Grenze, die nicht schon mehrfach geändert und verschoben wurde. Wenn man sich einliest, überfällt einen das kalte Grauen: Massaker, vor allem an Juden, Deportationen nach Sibirien, ganze Bevölkerungen wurden zwangsweise umgesiedelt. Die früher zahlreichen Deutschen dort gibt es natürlich gar nicht mehr.

Die Russen werden sich also Transnistrien irgendwie einverleiben und hoffen offenbar darauf, dass die Rumänen Lust bekommen, sich Moldau, das ärmste Land Europas, anzueignen. Das kann man ja auch mit „Volksabstimmungen“ forcieren – oder über andere Maßnahmen. Schöne Aussichten für die Maler von Landkarten!

cernowitz

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Kommentare

7 Kommentare zu “Der Homo sovietikus im Buchenland und auch anderswo”

  1. Jens am April 25th, 2022 10:28 pm

    … sehr schön recherchiert.
    Es führt aber doch zwangsläufig zu der Frage: Wer hat ein Recht (Anspruch)dieses Land(stück) zu regieren? Einfach wäre eine Antwort in Richtung sprachlicher, ethnischer, religiöser Übereinstimmung. Aber wo wäre diese gegeben? Ein sehr anspruchvolles Thema!

    Gruß
    Jens

  2. Eisenbahner am April 25th, 2022 11:07 pm

    Grenzen werden verschoben?
    Ich fürchte, es werden eher schöne Aussichten für Postkartenmaler.

  3. DasKleineTeilchen am April 26th, 2022 1:22 am

    Die wollen also die gesamte Nachkriegsgeschichte neu sortieren?

    äh, ja? dachte, das wäre spätestens nach putins rede im februar offensichtlich? oder überseh ich mal wieder den sarkasmus?

  4. ... der Trittbrettschreiber am April 26th, 2022 6:26 am

    Das Leben beginnt ja mit dem ‚Nehmen‘. Da wird gesaugt, gefordert, lamentiert und geschrien und dann beginnt die Ungleichheit – manche werden liebevoll ‚gestillt‘ und Manchem wird einfach das Maul gestopft. So geht das dann weiter und weiter und irgendwann ist die Stille die einzige Seinsform.
    Um sie zu ertragen singen die Illusionen ihr Truglied in Dur. Selbst kleinste Geräusche kommen wie Arien vor, den noch zum Lauschen fähigen Geketteten. Da ist das Land, die Wiesen, die Blumen und die summenden Bienen, die den Hornissen ein Festmahl sind, die Biobauern, die Speise der demokratischen Konzerne, die Parteien, die in ihrem Spiegellabyrinth den Booggie tanzen, ohne JEVERstanden zu werden, nicht mal von sich selbst; und da ist Burks, der all dies blogged und ordnet, wohlgesinnt erklärt, warum es so sein könnte oder so vielleicht. Denn wärs nicht so, die Stille selbst würd singen – und alle Keller blieben leer.

    …Zischsch

  5. André Dreilich am April 26th, 2022 8:04 am

    Das wirft stets die Frage auf, welche konkrete/n Grenzziehung/en die einzig wahre/n, wiederherstellungswerte/n ist/sind?
    PS.: Ein Lesetipp: „Naher Osten, vom Straßenrand erlebt“; Leopold von Mildenstein. Sehr lesenswerte Beschreibung einer Rundreise per „Emil“ durch Süd(ost)Europa und Nordafrika am Vorabend des 2. Weltkrieges. Hat mir einige Anregungen für weitere Studien gegeben. Schande über mich, aber z.B. das Siedlungswerk Italiens in Libyen hatte ich so nicht im Blick.

  6. Die Anmerkung am April 26th, 2022 9:12 am

    Seit gestern ist die zweite front offiziell eröffnet. Der amerikanische Mann stößt von Westen, dem Westwall, Richtung Ukraine vor.

    In Transnistrien wurde gestern das Gebäude der Staatssicherheit tlw. gesprengt.

    Heute wurde der wichtigste Rundfunkmast der Region flachgelegt.

    Da will wohl jemand Rußland zuvorkommen.

  7. tvb am April 26th, 2022 5:43 pm

    3. Weltkrieg? oh, nö…

    https://www.nau.ch/news/europa/lawrow-nato-waffenlieferungen-sind-legitime-angriffsziele-66163335

    Dabei haben wir uns doch so gut verstanden…

    https://www.youtube.com/watch?v=C0IYnRQJas0

    (ps: it is very,very, very disgusting! )

    Nur so, als Anmerkung.

    pps: der russische Angriffskrieg bringt nunmal auch viele Erinnerungen hervor. Z.B. diese: https://de.wikipedia.org/wiki/Timothy_Snyder#Bloodlands

    und

    https://www.amazon.de/»Aktion-1005«-Spurenbeseitigung-NS-Massenverbrechen-Spannungsfeld/dp/3835332686

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