Schädel bei Pflaumloch

schädel ofnet höhle

Credits: Spuren des Menschen: 800.000 Jahre Geschichte in Europa / Jörg Orschied

Ich hoffe doch, dass niemand jetzt angesichts des von mir gewählten Titels etwas Sexistisches assoziierte? Anwälte sind ja nicht zu Scherz aufgelegt, wenn man, wie jüngst geschehen, pars pro toto gegen Damen wettert. Ich würde auch nicht goutieren, nennte man mich „Schwanz“ als Alleinstellungsmerkmal, obzwar das unter gewissen Umständen auch positiv sein könnte und eingedenk der Tatsache, dass es im alten Welt-Berlin einen Luden gab, der Otto Schwanz hieß.

Ich stöbere gerade und immer noch als Vor- und Zwischenarbeit in diversen Büchern herum, die sich dem Paläolithikum und verwandten Zeiten widmen und die alle so schwer sind wie mehrere ausgebuddelte Schädel. Kennt jemand die Blatterhöhle oder war jemand dort, wo US-amerikanische Astronauten Geologie live studierten? Wer sich fragt, warum und zu welchem Ende ich ausgerechnet darauf komme: Es geht auch hier um die Dialektik aus Zufall und Notwendigkeit ganz nebenbei um die Frage, warum sich ausgerechnet in Mesopotamien, also im so genannten „fruchtbaren Halbmond“, die ersten Zivilisation aus der Urgesellschaft entwickelte.

sfruchtbarer halbmond

Um mich zu wiederholen: Überzeugend ist Parzinger: Die Kinder des Prometheus, nicht nur wegen der Fülle des Materials, sondern auch, weil der Autor sehr vorsichtig ist etwas zu behaupten, war er nicht auf mehrere Arten und Weisen behaupten kann. Das ist unbefriedigend, wenn man oft liest „wir wissen es nicht genau“, aber man erhält auch einen Einblick in wissenschaftliche Kontroversen, die noch andauern. Heute ist auch von Klaus Schmidt Sie bauten die ersten Tempel: Das rätselhafte Heiligtum am Göbekli Tepe eingetrudelt, das ich schon beim ersten Durchblättern für ein Standardwerk halte und Teil des geforderten Bildungskanons.

Der „Fruchtbare Halbmond“ war das Ergebnis klimatischer Bedingungen, die sich schon vor dem zehnten Jahrtausend entwickelten hatten – und ja, das war ein Zufall. Man kann leider keine Gegenerde als Modell entwickeln, um zu überprüfen, ob man das wiederholen könnte: Neigung der Erdachse, der Wechsel zwischen Warm -und Kaltzeiten, Vulkanausbrüche oder Sintfluten – zu viele Variablen.

Wenn ich jetzt an China und die Liangzhu-Kultur denke, deren Bewässerungssystem aus dem 6. Jahrtausend v.u.Z. stammt, während Göbekli Tepe mindestens vier Jahrtausende älter ist, fällt mir wieder die Asiatische Produktionsweise ein, offenbar nicht die optimale Voraussetzung, um die Zukunft zu erfinden. Oder doch? Fragen über Fragen.

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Kommentare

10 Kommentare zu “Schädel bei Pflaumloch”

  1. Andreas am Januar 5th, 2022 11:49 pm

    Da wäre doch eigentlich „The Dawn of Everything“ genau die passende Kontra-Lektüre um das klassische Geschichtsbild (Was machte damals „Zivilisation“ oder „Staat“ aus?) ein bisschen ins Wanken zu bringen – sehr empfehlenswert!

  2. Godwin am Januar 6th, 2022 1:57 pm

    welchen Einfluss hatten wohl die Migranten (Stichwort Völkerwanderung) und der überregionale Handel?

    Und was brachte überhaupt irgendwann mal Leute dazu, aus der sog. Urgesellschaft heraus zu behaupten, dieses und jenes an Boden und Zeug gehört jetzt nur noch uns persönlich und nicht mehr uns allen – und wieso wurde das geduldet, statt die Scharlatane ins Feuer zu schubbsen.

    Heute zum Jahrstag, als man die Regierung des Volkes, durch das Volk erinnerte, WER überhaupt das Volk ist, darf man mal für einen Freund fragen…

  3. Jim am Januar 6th, 2022 3:14 pm

    Pflaume bei Schädelloch hätte ich sexistischer gefunden…

  4. admin am Januar 6th, 2022 4:00 pm

    Der Ort heißt aber „Pflaumloch“.

  5. Kay am Januar 6th, 2022 5:58 pm

    Deine Ausflüge in die Geschichte sind gern gesehen!

    Artikel oder Bücher, die so gut wie jede Aussage relativieren oder höchstens als wissenschaftlichen derzeitigen Konsens darstellen, mag ich sehr.

    Da ich mich neben Geschichte u.a. auch für Geophysik interessiere, finde ich auf Twitter z.B. unter @NatRevEarthEnv manchmal freie Reviews über ganze Gebiete. Da gibt es Bezüge auf Mehrheits- und Minderheitspositionen zuhauf.

    Mich als Laien überzeugen dann natürlich die Positionen mit den besseren Grafiken ;-)

  6. Joscha am Januar 6th, 2022 9:34 pm

    Spannend ist auch, dass ein bestimmender Faktor weshalb sich europäische, asiatische und der afrikanische Lebensraum sehr unterschiedlich ab dem Mittelalter entwickelten in der Hauptnahrung lag. Während Reis bzw. Hülsenfrüchte keiner aufwendigen Verarbeitung bedürfen ist das bei Brotgetreide anders. Es entwickelte sich z.B. ein Mühlenwesen und daraus dann schon im ausgehenden Frühmittelalter erste Montanzweige. Teilweise wird von einer technischen Revolution im frühen Mittelalter gesprochen. Das auch sehr kontrovers und gerade der Begriff Revolution ist mittlerweile wieder obsolet.

    Hierzu folgende Literatur für Interessierte

    G. Bayerl: „Technik in Mittelalter und Früher Neuzeit“
    M. Mitterauer: „Warum Europa“.

  7. admin am Januar 6th, 2022 10:32 pm

    Mitterauer habe ich hier schon mehrfach besprochen, bin aber noch nicht ganz fertig mit der Lektüre.

  8. Jim am Januar 7th, 2022 10:06 am

    @Burks
    Danke, dachte ich mir schon. Immer gut zu wissen, wie viele witzige Ortsnamen es hier gibt. Gruß aus Lübeck mit seinen Ortsteilen Buntekuh, Roter Hahn und Roter Löwe :-)

    @Joscha
    Wahnsinnig spannend das Thema, finde ich auch. Dass mehr Gehirnleistung erforderlich ist, um Getreide aufwendig verarbeiten zu können, klingt erstmal logisch. Hab ich nie drüber nachgedacht.

  9. waldheinz am Januar 7th, 2022 9:09 pm

    Das muß ein ganz schöner Hirnfick gewesen sein…

  10. flurdab am Januar 8th, 2022 12:28 pm

    Jaja, der Suff. Triebfeder der Zivisilation.

    https://www.welt.de/geschichte/article181535798/Anthropologie-Alkohol-trieb-den-Menschen-in-die-Sesshaftigkeit.html

    Die kannten noch kein Muskathuhn.

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