Null Aslbewerber

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Key migrant routes from Africa to Europe (source: BBC, 2015)

Ich darf die geschätzte Leserschaft auf ein vermintes Thema aufmerksam machen: die Völkerwanderung Migration, wie es heute heißt, insbesondere was in Dänemark und vermutlich auch bald in Österreich der Konsens der Regierung ist: Null Asylbewerber sei das Ziel.

Jetzt setzt beim einschlägigen Publikum der lichterkettentragenden Art die Schnappatmung ein. Eine rationale Diskussion ist nicht mehr möglich. Ich referiere einige Sätze hinter der Paywall der Welt, dort tummeln sich im Forum auch die, die beim Thema mit verbalen Baseballschlägern unterwegs sind.

„Wir verwenden so viele Ressourcen auf Menschen, die überhaupt keinen Schutz brauchen. Das ist völlig verrückt“, so Dänemarks Ausländer- und Integrationsminister. „Und anschließend schieben wir sie ab – wenn wir Glück haben. Denn bis dahin sind sie in einem Ausreisezentrum einquartiert, wo sie uns im Jahr 40.000 Euro pro Person kosten.“

Der Minister, der selbst äthiopische Wurzeln hat [und Sozialdemokrat ist], verteidigte damit ein Gesetz, das nichts weniger anstrebt als eine radikale Neuausrichtung der europäischen Migrationspolitik. Im Kern will Dänemark nämlich eines erreichen: Es will die Möglichkeit erhalten, nicht nur abgelehnte Asylbewerber konsequent abzuschieben – sondern auch anerkannte Asylbewerber gar nicht erst nach Europa zu lassen.

Das Ziel: So würden nicht jene Menschen die größten Chancen auf Asyl erhalten, die sich bis nach Dänemark durchschlagen, sondern jene, denen die physischen und finanziellen Mittel fehlen, um sich auf den weiten Weg zu machen. Die Regierung in Kopenhagen führt Kanada und Australien als Vorbilder für die neue Strategie an.

Das hört sich nicht unvernünftig an, fände man „Drittstaaten“, die Asylbewerber (die Mehrheit sind schlicht Flüchtlinge vor diesem und jenem) aufnähmen. Mir fällt spontan die Türkei ein, die ohnehin die europäischen Regierungen erpresst. Die jetzige Praxis ist eh schon so, dass die afrikanischen Anrainerstaaten des Mittelmeers mit Geld gepampert werden, dass sie die Schmutzarbeit machen.

Ich war schon immer der Meinung, dass ein „Staat“, der von der jeweils herrschenden Klasse betrieben wird, nicht nach moralischen Prinzipien handeln sollte, sondern schlicht pragmatisch – wie Israel oder die VR China: Was dem Staatsvolk nützt, ist gut, was ihm schadet, ist schlecht. Hierzulande faselt man aber immer moraltheologisch von „Solidarität“ – irgendwie mit der ganzen Welt, was erstens pure Heuchelei ist und zweitens unpraktikabel. Für mich ist die Politik der Grüninnen hier nicht besser oder schlechter als die Orbans in Ungarn.

Es wird eh so kommen wie die dänische Sozialdemokratie das macht, oder das Thema wird irgendwann von einer rechtspopulistischen Partei umgesetzt werden, auch in Deutschland. Wenn die großen kapitalistischen Staaten unter lächerlichen Vorwänden die Regionen mit Krieg überziehen, in denen es für die Konzerne etwas zu holen gibt (Irak, Libyen), dann darf man sich nicht wundern, dass zahllose Menschen versuchen, in das immer noch in Ansätzen vorhandene „soziale Netz“ zu springen, das hier noch das schlimmste Elend verhindert.

Die Bourgeoisie weiß immer worauf es ihr ankommt. „Mangelhafte Schulqualität ist größtes Hindernis“, heißt es meistens. Die heutigen Lehrlinge sind einfach zu dumm und ungebildet. Das wird durch eingewanderte Araber oder Afghanen auch nicht besser werden. Vermutlich gibt es in der herrschenden Klasse wie immer zwei Fraktionen zum Thema Migration – und die werden sich nicht einig werden: Vertraut man darauf, dass die industrielle Reservearmee, zu der eben viele Einwanderer gehören, das Proletariat einschüchtert und die Löhne unten hält, oder möchte man – wie etwa in Kanada – gut ausgebildete Migranten haben, die anderen aber lieber nicht? Das sattsam bekannte Totschlagsargument, Deutschland sterbe irgendwie aus und brauchte mehr Leute, ist albern: Die Leute, die kommen, werden sich oft erst nach drei Generationen für den hiesigen Arbeitsmarkt eignen, und außerdem rationalisiert die aktuelle Revolution der Produktivkräfte massenhaft Arbeitsplätze weg. So what?

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Berliner Wirtschaft, 7-8 2021

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Kommentare

20 Kommentare zu “Null Aslbewerber”

  1. Godwin am August 4th, 2021 10:12 pm

    „wo sie uns im Jahr 40.000 Euro pro Person kosten.“
    hieß früher
    „60.000 RM kostet dieser Erbkranke die Volksgemeinschaft auf Lebenszeit“

    Die skandinavische Sozialdemokratie war da eh etwas schmerzfreier

    „Was dem Staatsvolk nützt, ist gut…“
    Das hätte Heinrich H. kaum besser auf den Punkt bringen können.

    Das Problem ist – und da sind wir dann sofort beim Thema Heuchelei – die UNO, die EU, die einzelnen Staaten mit ihren jeweiligen kriegerischen, kolonialen etc. Vergangenheiten haben sich (warum auch immer) auf bestimmte Gesetze zu Asyl, Umgang mit Flüchtis usw. geeinigt.
    Scheinbar hat man nicht so ganz geglaubt, dass da wirklich jemand kommt.
    Nur dann, wo auf einmal welche vor der Tür standen, wurde mit Drittstaaten-Rhetorik das Problem an die Peripherie abgeschoben.
    Sollen die mal schön den Italienern ihr Geld kosten und nicht unseres.
    Aber wehe der Italiener sagt was…

    Entweder passt man mal die Gesetze an die gewollte Praxis an (was ich ok fände), oder aber man hält sich mal an geltendes https://youtu.be/HQs9ReCEUM0?t=165

    Vielleicht hat Polt ja Recht – früher musst man Sklavenkriege führen, heute kommen die freiwillig.
    Früher wollten die nicht, heute wir…

  2. Trebon am August 5th, 2021 12:59 am

    andere Ziele, in Old Germany wollen Sie Leute ansiedeln. Erklärtes Ziel wenn man richtig zuhört.

    Billige Arbeitskräfte, Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt für die vermietete Eigentumswohnung und die Kinder für die nächste Generation. Da ist der tatsächliche Mangel. Die werden hier groß, ausgebildet und zu Steuerzahlern.

    Das irgendjemand seine Gegend nicht wiedererkennt ist denen egal. Mir übrigens auch, es gibt nichts schlimmeres und öderes als die rein deutsche Unkultur. Ein Kastensystem das von seiner Ausgrenzung nur noch durch die Schnöseligkeit der meist von irgendeiner Abgreife lebenden Mitglieder üertroffen wird

  3. Fritz am August 5th, 2021 7:24 am

    Die Löhne zu drücken mag ein Motiv sein. Allerdings dürfen Asylbewerber bis zur Anerkennung ja nicht arbeiten, und das kann Jahre dauern.

    Ich denke es ist vielmehr so, dass man (bei schrumpfender Bevölkerung) Nachfrage für die Wirtschaft generieren möchte, über das Sozialsystem, finanziert von deutschen Arbeitnehmern.

  4. Doktr Hut am August 5th, 2021 11:13 am

    Dann bin ich für Niedermähen mit dem MG; und zwar der Leute die Ressourcen von einem Ort der Welt in einen anderen tragen, ohne die Leute vor Ort zu beteiligen.

    Wenn Europa oder der Westen die Grenzen dicht macht, sollten asiatische, afrikanische und südamerikanische Staaten die Grenzen auch dicht machen.

  5. Radfahrer am August 5th, 2021 1:10 pm

    oder das Thema wird irgendwann von einer rechtspopulistischen Partei umgesetzt werden, auch in Deutschland.

    Das es von einer islamischen Partei umgesetzt wird, das schließen Sie völlig aus? Das Sie es den „Rechten“ zuschreiben, erschließt sich mir nicht, gerade deshalb, weil Sie in Berlin wohnen. Irgendwo bei Heise steht geschrieben

    Was heisst vor allem in Berlin „Deutscher“?

    So mancher kann nicht „Asyl“ buchstabieren und die Mehrheit lebt nach den Regeln, Gewohnheiten und Religion seines Herkunftslandes.

    Der rosa Elephant trampelt schon im Zimmer.

    Das müssen Sie doch auch sehen?!

  6. Patrick am August 5th, 2021 3:52 pm

    Ich erachte linken Rassismus ja in keiner Weise besser als rechten, bin immer wieder überrascht, mit welchen Pauschalurteilen hier Stimmung gemacht wird.

    Anyway, „Null Asylbewerber“ ist in der Tat das hehre Ziel. Nur erreicht man das nicht indem man an Mittelmeer und Bosporus grosse Mauern errichtet. Der Weg geht über das Vermeiden von Gründen, überhaupt erst flüchten zu müssen. Aber dazu müsste die EU aktive Geopolitik in den typische Herkunftsländern machen und sich auch wirtschaftlich das eine oder andere überlegen.

  7. Jim am August 5th, 2021 4:03 pm

    Eine rechtspopulistische Partei hat meiner unmaßgeblichen Meinung nach gar keine großen Chancen. Würden Migranten der ersten oder zweiten Generation sowas wählen? Bestimmt nicht. Jeder Ansatz, das Zugewandertsein zu minimieren ist mit einem Großteil der Bevölkerung nicht zu machen, die einzige mir denkbare Option wäre Terror und Bürgerkrieg. Beides nicht sehr wahrscheinlich (wenn auch nicht unmöglich).
    Das Thema wird aufgegriffen werden, auf die eine oder andere Weise. Aber wegzudenken sind religiöse und sich auf Heimatgefühle berufene Spinner ohnehin nicht mehr. Anders als in Dänemark oder Ungarn, wo die Bevölkerung noch weitaus homogener ist als hierzulande, mag das noch funktionieren, aber hier? Guck dich ma um.

  8. nh am August 5th, 2021 6:49 pm

    Ich freue mich auf die ersten die als Ungläubige am Baukran hängen.
    Hat was von Kirmes. Und beim Steinewerfen die Frage ob eventuell Weibsvolk anwesend ist.
    Bis dahin bin ich unter den Radieschen… viel Spass.

  9. Juri Nello am August 5th, 2021 8:00 pm

    „Der Weg geht über das Vermeiden von Gründen, überhaupt erst flüchten zu müssen.“
    Greift zu kurz. Einfach das Internet auf den Handys abstellen. Dann lassen sich mit einem Wisch auch nicht mehr die Lebensstandards vergleichen. ;-)

    Das wird aber nicht kommen.

    Ich frage mich, wer sowas steuern will? Das geht nur mit erheblichem Personalaufgebot an den Grenzen und das ist teuer. Geld, welches schon jetzt nicht mehr zur Verfügung steht.

    Wetten, dass der Deal mit der Türkei auch bald platzt?

    Weder die EU, noch Erdogan haben noch Geld dafür übrig, zumal Erdogans Truppen auch gerade Afghanistan mit bedienen müssen.

    Willst Du da die Bürgerwehren von Dortmund, Dresden und Heidenau hinschicken? Gegen kampferfahrene Recken aus Kriegsgebieten?

    Wenn die Durst- und Hungersnöte in ein paar Jahren groß genug geworden sind, werden die Flüchtlinge ohnehin in solchen Massen überlaufen, dass da nix hilft. Da kannst Du besser jetzt versuchen, die Menschen zu kanalisieren und auf die verbliebenen 26 €U-Staaten zu verteilen.

    Oh, wie? Das klappt nicht?

    Tja. Nationalstaaten sind in einer globalisierten Welt nicht die beste Idee, sofern man als Staat keine Insel ist.

    Das ist ein Problem, was weder die €U, noch Deutschland jemals lösen wird (oder auch nur Ansatzweise Bock hat, da was zu lösen), genau wie beim Klima, Wetter, bei der Infrastruktur, bei der Bildung und bei sozialen Verwerfungen.

    Wichtig ist nur, dass immer die Richtigen noch Profit machen!

  10. Fritz am August 6th, 2021 7:34 am

    Komisch, Ungeimpfte kann man an der Grenze abfangen, illegale Migranten nicht.

  11. Juri Nello am August 6th, 2021 10:30 am

    Das könnte was mit den Verkehrsmitteln zu tun haben. Wird ja keiner gezwungen, mit Tui und LH sich von einem Kontrollposten zum Nächsten chauffieren zu lassen.

  12. Jim am August 6th, 2021 7:18 pm

    Jo Fritz, was ein Schmarrn. Mit genügend Geld, Not und Gerissenheit kannst auch du irgendwo unbemerkt einreisen. Wie Juri schon sagt, Flüchtlinge kommen nicht mit dem Linienflug Mogadischu-Frankfurt eingereist.

  13. Fritz am August 7th, 2021 11:07 am

    Nein sie kommen mit der Mafia und werden von den Schiffen europäischer NGOs übernommen und nach Italien oder Spanien gebracht. Hier sieht man wie sich Mafia und NGOs verstehen:

    https://twitter.com/francescatotolo/status/999564292679716865

    Einmal auf EU-Territorium können sie dann einen Asylantrag stellen. Wahrscheinlich werden sie auch auf Covid getestet, aber ich glaube nicht dass man jemanden der positiv ist nach Libyen zurück bringt.

  14. Jim am August 7th, 2021 4:50 pm

    Ja, den Antrag kann jeder stellen, der meint dazu berechtigt zu sein. So what? Und warum sollte man jemand positiv Getesteten nach Libyen zurück bringen? Das funktioniert eh nicht ohne die libyschen Behörden oder was da gerade die Amtsgewalt ausübt. Die Flüchtlinge lässt man möglichst in Quarantäne, und dann ist hoffentlich gut. Praktische Lösungen von deiner Seite? Nada.

  15. Juri Nello am August 7th, 2021 10:26 pm

    Das größte Problem sind weder die Flüchtlinge, noch Corona, noch sonst was. Es sind die alteingesessenen Firmen! Bayers großer Coup war nicht Glyphosat, sondern Heroin. Dieses vertrieb man bereits 1896 weltweit als Kinderhustensaft. Das war nicht die Ausnahme, sondern der Regelfall und lässt sich auf alle Firmen jedes Landes anwenden. Dem heute einen libanesischen Clan voranzustellen, ist fast eine Ironie der Geschichte!
    Und Ihr bespaßt Euch mit Asylanträgen! Herrlich!

    Staat, Politik, organisierte Kriminalität, Firmen, Schattenwirtschaft, sowie Recht und Bildungswesen sind eins und untrennbar miteinander verflochten!
    Da gibt es mit Ausnahme des Selbstmords keinen Weg raus!

  16. Jim am August 8th, 2021 10:35 am

    @Juri
    Für Ideen bin ich immer zu haben. Selbstmord gehört nicht zum Plan, mit der Welt fertig zu werden. Dazu macht das Leben zu viel Spaß und gibt es zu viele schöne Dinge.
    Also, was tun?

  17. Fritz am August 8th, 2021 3:49 pm

    Mein Schwager aus Kolumbien ist Arzt, 30 Jahre alt. Er hat kürzlich jemandem, der sich mit der Machete einen Finger abgehackt hat, diesen wie der angesetzt und ein Dankschreiben bekommen, danke Doktor, dass sie mir meine Beweglichkeit erhalten haben.

    Wir haben vor einiger Zeit mal geredet, ob er nicht nach Deutschland kommen wollte, hier werden Ärzte gesucht. Hab mich dann mal erkundigt bei der Ärztekammer, die sagten: Aber sicher, ihr Schwager kann jederzeit Arbeit suchen in Deutschland. Er muss nur Deutschkenntnisse Level C1 (=fließend) nachweisen. In Bogota gibt es ein Goethe-Institut, wo man deutsch lernen kann, ist aber teuer. Außerdem lebt er in Medellín, 500km entfernt. Wird also nichts mit Arbeit in Deutschland.

    Hätte ihm schon gesagt: komm ach Deutschland als Tourist, schmeiß deinen Pass weg und stell einen Asylantrag, dann kannst du bleiben. Aber er will ja arbeiten und Geld verdienen.

    Dem müsste der deutsche Staat nur ein Jahr intensiven Deutschkurs finanzieren, dann hätten wir einen fähigen jungen Arzt gewonnen.

    Aber wir nehmen lieber Somalis oder Afghanen auf, die dann hier um sich stechen oder Mädchen vergewaltigen und tot liegen lassen. Wegen Menschlichkeit und so. Zum kotzen.

  18. Jim am August 8th, 2021 5:44 pm

    @Fritz
    Du bist entweder ein Troll oder unfassbar damlich. Was hat die Geschichte von deinem Schwager mit kriminellen Aktionen von Flüchtlingen zu tun? Hauptsache mal bisschen Dampf abgelassen hier? Als ob Somalier und Afghanen extra her kämen um doitsche Frolleins zu meucheln und als ob dein Schwager nicht einen Weg finden würde. Aber nee, nachdenken ist offenbar nicht deine Stärke. Oder du trollst, dann ist mir die Tippzeit hier zu schade.

  19. Fritz am August 9th, 2021 7:10 am

    Leute aus Ländern ohne funktionierende staatliche Strukturen wie Afghanistan oder Somalia sind sozialisiert in einer Gesellschaft, in der nur der Clan oder der Stamm Sicherheit gewährt und alle anderen Feinde sind. Entsprechend verhalten sie sich, auch hier. Man kann sowas vorher wissen und selektieren, wem man den Aufenthalt ermöglicht und wem nicht. Warum geschieht das nicht?

  20. Juri Nello am August 12th, 2021 11:39 pm

    Klingt nach Duisburg. Da hätte man 40 Jahre vorher fragen müssen. Frage Deine Eltern.

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