Einwirkungen der Bürger sind staatsgefährdend

Morgenpost

Deutsche Kulturbilder der Berliner Morgenpost Oktober 1929 – diese „Postkarte“ ist eine Quittung der Berliner Morgenpost „über 60 Pfennig für die 44. Woche vom 27.10. bis 02.11.1929“.

Friedrich List ist heute immer noch ein moderner Mann. „Für List waren die Überwindung der innerdeutschen Zollschranken und der Eisenbahnbau die ’siamesischen Zwillinge‘ der deutschen Wirtschaftsgeschichte und damit die Werkzeuge um die gewerbliche Rückständigkeit der deutschen Staaten zu überwinden.“ Man muss das nur auf die Europäische Union übertragen. Zitat:

Die „Schreiberherrschaft“ sei eine „vom Volk ausgeschiedene, über das ganze Land ausgegossene und in den Ministerien konzentrierende Beamtenwelt, unbekannt mit den Bedürfnissen des Volkes und den Verhältnissen des bürgerlichen Lebens, … jeder Einwirkung des Bürgers, gleich als wäre sie staatsgefährlich, entgegenkämpfend.“

List ist ein entfernter geistiger Vorläufer Henrich Stephans, der die Postkarte in Deutschland gesellschaftsfährig machte. Er wollte Kommunikation und damit auch die Ökonomie vereinheitlichen. „1865 veröffentlichte er eine Denkschrift zur Einführung der Postkarte, die zwar vom preußischen Generalpostmeister wegen der ‚unanständigen Form‘ der Mitteilungen und zu erwartender Einnahmeausfälle abgelehnt wurde, auf der fünften Konferenz des Deutschen Postvereins in Karlsruhe im November 1865 dennoch Gehör fand.“

Ich zitiere aus einem Artikel, den ich im April 1997 über Wau Holland geschrieben habe, einen der Gründer des CCC („Der Kosmos-Radiomann„, Internet Professionell):

Wau sitzt heute im Keller des väterlichen Hauses in Marburg, umgeben von Gerümpel und meterhohen Papierstapeln und hat zur Zeit noch nicht einmal einen Anschluss an’s World Wide Web. Ihm reicht „erstens mail, zweitens mail, drittens mail“, selbstredend alles unter DOS. Ein dickes Konto besitzt Wau Holland auch nicht. Damit wäre er nicht glücklich. „Wenn du reich werden und den Grossen der Welt die Hände schütteln willst, wie Bill Gates, dann mache es nicht so wie ich.“

Seine Vorbilder sind weder „Cap’n Crunch“ alias John Draper, der die grossen Telefongesellschaften der USA narrte, noch Peter Samson, der Hacker am Massachusetts Institute of Technology, der 1959 die erste „Hackerethik“ formulierte. Wau Holland bewundert Henrich Stephan, den Erfinder der Postkarte und Generalpostmeister im Kaiserreich. Der hat den Weltpostvertrag durchgesetzt, in dem geregelt wird, wie der Briefverkehr zwischen Staaten funktioniert, die gerade Krieg führen. Das ist für ihn eine Kulturleistung ersten Ranges, und damit sind wir bei der heutigen Hackerethik.

Die fordert immer noch: Freier Zugang für alle zu allen Informationen. „Wissen ist mit der Verantwortung verbunden, es weiterzugeben.“ Jeder Programmierer nehme Vorwissen anderer in Anspruch: Dessen sollte sich jeder bewusst sein, „bis zu Konrad Zuse“. Wer Wissen zurückhält, ist der Feind. Der Computer soll ein Werkzeug für jeden sein, „keine Ideologie-schwangere Maschine, die Macht verleiht wie ein Zahnarzt.“

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