Was mit Medien machen

„Beim Aufräumen im Keller fand ich jetzt eine vergilbte Broschüre: Leistungssport im imperialistischen Westdeutschland. Darin stehen Sätze wie dieser: Die auf die sportpolitische Wirksamkeit und auf sportliche Siege zielende Ideologierelevanz ist ein Hauptaspekt der Olympiavorbereitung, um westdeutsche Spitzensportler durch antikommunistische Verhetzung zu personifizierten Gegnern des Sozialismus zu erziehen.“ (Aus Birk Meinhardt: Wie ich meine Zeitung verlor – ein Jahrebuch.)

Birk Meinhardt, der lange für eine Tageszeitung gearbeitet hat, gehört zu den wenigen, die sich einer genauen Selbstbefragung unterzogen haben und ihre Position auf dem brüchigen Pflaster des Medienbetriebs zu orten versuchen. Seine Geschichte ist die eines leidenschaftlichen Journalisten, der als erster Ostler in der Redaktion eines angesehenen Blattes arbeitet und lange blind bleibt für die Widerstände, auf die seine Arbeit zunehmend trifft. Es ist die Geschichte einer Ernüchterung und – schließlich – einer Entzweiung.

Ich habe das Buch geschenkt bekommen und finde es großartig. Meinhardt schreibt so präzise und gleichzeitig subtil wie Osang, der auch aus dem Beitrittsgebiet stammt. Meinhardt war in einer anderen Situation als ich, weil ich immer als Freiberufler gearbeitet hatte, aber ich kann dennoch fast alles nachvollziehen und unterschreiben.

Es ist auch bezeichnend, dass jemand, der die Branche – und sich selbst – kritisch sieht, sofort runtergemacht wird: „Psychogramm des gekränkten älteren weißen Mannes“. Jaja. Warum nicht gleich „Nazi“? „An einer Stelle beteuert er, er sei kein Rassist. Er wolle nur halt nicht immer nur positive Geschichten über Flüchtlinge lesen“. So was geht ja gar nicht. Geschichten über „Flüchtlinge“ müssen immer positiv sei, am besten noch mit kleinen Kindern bebildert werden. Oder nicht?

In einem muss ich Sabine Rennefanz von der „Berliner Zeitung“ recht geben: „Ich habe das Buch anders gelesen: als eine Zeitreise in eine Zeitungswelt, die es so nicht mehr gibt.“ Eben. Journalismus, wie man ihn früher lernte, gibt es nicht mehr. Vielleicht ist das auch ganz gut so – im Interesse der mündigen Leser, die sich aus verschiedenen Quellen selbst informieren.

Das Buch kann man auch gut an Leute verschenken, die „was mit Medien“ machen.

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Kommentare

3 Kommentare zu “Was mit Medien machen”

  1. Godwin am Januar 20th, 2023 9:56 pm

    welche Rolle spielen denn „die Medien“ noch, können sie noch spielen?
    inzwischen ist ja jeder Medien-Macher. Waschweiber Klatsch und Tratsch weit unterhalb des BILD-Niveaus wird geglaubt, geteilt und beeinflusst unsere Minung mehr als alles andere.
    Die sog. Leitmedien greifen diese Trends dann auf, um wenigstens noch etwas Auflage und Quote zu erreichen. Man will/muss ja was verdienen.
    Aber auch hier ist die Welt im Wandel…
    Was braucht es da noch neugierige, anständige Journalisten, die nur unbequeme Wahheiten zutage fördern und der wabernden Masse den Spiegel vorhalten.

    Merke:
    „Im übrigen gilt ja hier derjenige, der auf den Schmutz hinweist, für viel gefährlicher als der, der den Schmutz macht.“ (Kurt Tucholsky)

  2. ... der trittbrettschreiber am Januar 21st, 2023 4:54 am

    ‚…im Interesse der mündigen Leser, die sich aus verschiedenen Quellen selbst informieren.‘

    ein sehr zeitgemaesses argument.
    der muendige leser, buerger, user und fulltimekonsument aller geschlechtsbeschaffenheiten, -farben, -ausrichtungen und -diskriminanten ist zum doedl universale avanciert.
    Als zahlender mitarbeiter ist er ein gefuehlter kunde, als computer- und softwarecongurator ist er, wie auch beim kauf eines autos nicht einfach ein mensch, der dinge hat, die ihm nuetzlich sein sollen sondern deren sklave und hoeriger mechaniker er durch anfaengliches enjoyment geworden ist. da ist es nur folgerichtig, wenn er sich seine news und meinungsbildungsitems gefaelligst selbst aus dem muellhaufen globaler informationen zusammenstellt – das ist eklektizismus in seiner zynischen reinform.
    jammern sollte der boomer aber nicht. er muss sich zwar das JEVER noch selbst aus dem keller holen aber er kann sich sicher sein, dass dieses noch von leuten gebraut wurde, die ihr handwerk hemdsaermelig mit einem hoelzernen ruehrstab in der maische singend ausuebten…press the open-button to let it zisch.

    tut es regelmaessig:

    https://www.youtube.com/watch?v=Y_V8oCh9fgM

  3. Fred am Januar 21st, 2023 1:28 pm

    Es ist doch bezeichnend das die Kritik in der BZ an seinem Buch schon mit einem abgegriffenen Schlagwort in der Headline beginnt.
    Natürlich darf der Vorwurf nicht fehlen das der Autor auf der Welle „…man darf ja nichts mehr sagen…“ reitet.
    Da hat die Autorin tatsächlich ein anderes Buch gelesen…

    Und selbstverständlich darf der Hinweis nicht fehlen das, dass Buch in einem (kleinen) Verlag erschienen ist, welcher auch Honeckers Briefe veröffentlich hat.
    Das kann ja nur scheiße sein.
    Warum sich auch wirklich inhaltlich mit dem geschriebenen auseinandersetzen müssen?

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