Working Poor
Carl Wilhelm Hübner: Die schlesischen Weber (1844)
„In den 1850er und 1860er Jahren gab es keine kritischen Romane, die von der Knochenarbeit und den behelfsmäßigen Unterkünften einer großen Zahl von Eisenbahnern, der untersten Stufe der industriellen Arbeiterklasse, erzählten. Es gab keine ausführlichen Enthüllungen, die ein Gefühl für die langen Arbeitszeiten und die gefährlichen Arbeitsbedingungen der Bergleute im Ruhrgebiet vermittelten, welche noch immer hauptsächlich aus westfälischen Bauern der ersten Generation bestanden. Und es gab keine bedeutenden kritischen Werke, die von der Hitze, dem Schweiß und der Schwerarbeit der Former und Puddler in den riesigen Stahlwerken von Essen berichteten. Die Deutschen schrieben weiterhin viele Bücher, aber in den entscheidenden ersten beiden Jahrzehnten, in denen die Industrialisierung in den deutschen Ländern ihren Durchbruch erlebte, ignorierten diese Bücher die gigantischen, oft aus Tausenden von Menschen bestehenden Schwärme von Arbeitern, die Pickel, Axt und Schaufel schwangen, um Erde zu bewegen und Tunnel in sie hineinzugraben, damit Eisenbahnen gebaut werden konnten. Sie drangen auch nicht in die finsteren sächsischen Textilfabriken vor, die ihre Arbeiter zu einem gnadenlosen Tempo zwangen und trotz strenger Arbeitsgesetze immer noch Kinder an Spinnmaschinen ketteten.
Kurz gesagt: Die working poor hatten niemanden, der über sie schrieb.“ (Aus Helmut Walser Smith Deutschland – Geschichte einer Nation, S. 289f.)
Ich habe den Eindruck, dass es heute wieder so ist. Noch schlimmer: Es wird geleugnet, dass es die Arbeiterklasse überhaupt gibt.
Kommentare
9 Kommentare zu “Working Poor”
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Wen oder was subsumiert der alte Mann denn noch unter dem Begriff „Arbeiterklasse“??
Bzw warum soll diese Minderheit noch relevant sein?
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/36846/umfrage/anteil-der-wirtschaftsbereiche-am-bruttoinlandsprodukt/
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1248/umfrage/anzahl-der-erwerbstaetigen-in-deutschland-nach-wirtschaftsbereichen/
Wenn nur noch wenige Leute arbeiten, dann können wir ja sofort zum Kommunismus übergehen!
Dieser Logik folgend – wer arbeitet = Arbeiterklasse – wäre Elon Musk also Working Class Hero
… guten Tag,
wie wäre es, wenn man den Begriff „Arbeiterklasse“ durch „Lohnabhängige Beschäftigte“ ersetzt?
Zum Einen hat godwin Recht, wenn er die Fraktionierung der lohnabhängigen Tätigkeiten anführt; zum anderen „arbeiten“ ja alle.
Daher rühren ja auch die Mobilisierungsprobleme der Gewerkschaften.
Ich zum Beispiel bin während meiner Dekade im Betriebsrat nie großartig aus meiner „Konzernblase“ herausgekommen, obwohl ich im Zuge einer Aufsichtsratswahl einmal quer durch Deutschland zu dieversen Tochterfirmen reiste und jedesmal auch die Gesamtbetriebsratstreffen besuchte.
Es fehlt das Zusammenghörigkeitsgefühl der Arbeiterschaft gegenüber den Arbeitgebern, zumindest bei Großbetrieben würde ich dies erwarten, da dort die Probleme eigentlich synonym sind.
Gruß
Jens
Einfach mal eine Woche lang morgens um 6 Uhr mit der U-Bahn fahren. Dann lernst du aber ganz schnell, wer alles in der heutigen Arbeiterklasse ist. Arbeiterjobs haben etliche Nachteile, aber auch einen großen Vorteil: sie sind fast nie überflüssiger Bullshit. Irgendjemand muss die ganze anstrengende Scheisse nämlich tagtäglich pflichtbewusst erledigen, damit auf dem ganzen Haufen dann entsprechend bezahlte, unersetzliche Orchideen, wie 736 Bundestagsabgeordnete mit Genderbeauftragte*n, blühen können.
Der liebe Herr Schröder ist wieder auf der Suche nach der deutschen (???) Arbeiterklasse. Als regelmäßiger Leser dieses blogs weiß ich, dass ähnliche Artikel hier im blog regelmäßig
Mir ist eine deutsche Partei bekannt, die ebenfalls nach der deutschen Arbeiterklasse sucht, das ist die DKP. Wikipedia schreibtDie ist linksextremistisch, genauso wie die AfD rechtsextremistisch ist. Die sind demnach bäh! Der deutsche Arbeiter soll die nicht wählen. Er wäre sonst ein Linksextremist.
Jetzt gäbe es noch die SPD. Die war in meiner Jugend eine Arbeiterpartei und gibt heute nicht mal mehr den Anschein man vertrete die deutsche Arbeiterklasse. Jedenfalls vermittelt mir das nicht nur deren Hubertus Heil. Die Wörter Arbeiter oder Arbeiterklasse vermeidet der bei jedem seiner Auftritte immer peinlichst. Aber nicht die Wörter Hilfsbedürftige oder Arme.
Ich habe hier noch irgendwo den Hyperlink auf ein Interview mit einem AfD Parteigenossen. Der bezeichnet die AfD als neue Arbeiterpartei und belegt das mit einer Aufzählung der durch die AfD gewonnenen Wahlkreise, die als Arbeiterwahlreise bekannt sind und vormals durch die SPD besetzt waren.
Dagegen sprechen die Aktionen der verdi Genossen, die AfD Genossen bei Demos nicht sehen wollen und die denen den Zutritt zu Streiks mehrfach verwehrten. Darunter den ehemaligen „Bergarbeiterführer“ Guido Reil. Der ist von der SPD zur AfD übergetreten.
Früher gab es noch sogenannte Arbeiterviertel. Die gibt es heute nicht mehr. Das sind heute nogo areas und wurden von Türken übernommen oder durch Kapitalisten für eine andere Klientel überbaut.
Streiks! Streiks waren in meiner Jugend von Zeit zu Zeit einfach da und niemanden hat es aufgeregt. Heute stänkert selbst die FAZ gegen die Streikenden und hetzt die Bestreikten gegen die Streikenden auf. Die BILD forderte unlängst sogar ein Streikverbot während der Urlaubszeit an deutschen Flughäfen und befragte dazu Reisende direkt vor Ort am Terminal. Die waren der gleichen Meinung.
Ok! Was haben wir noch? Da haben wir den Mann als Mann. Jeder Mann hat eine Marotte. Bei dem Einen sind es die Mülltonnen vor dem Haus, dessen Nachbar hegt und pflegt seinen Flaggenmast und der nächste Nachbar seine Arbeiterklasse im Internet. Wahrscheinlich ist es bei unserem Blogger ähnlich.
Grundsätzlich sind Björn Höcke und unser Blogger dem gleichen Fehler aufgesessen. Höcke sieht in Deutschland die Menge der Nationalsozialisten und Schröder die der Arbeiterklasse. Beide gibt es in Deutschland – so wie es die genannten denken – nicht mehr.
Die Überschrift lautet „Working poor“, welche sich damals vor allem aus der Arbeiterklasse zusammensetzten. Ihre Frage müsste also eher lauten, wer denn heute die Working poor sind.
Es wäre doch zu klären, wie Abhängigkeits- und Ausbeutungs-Verhältnisse in einer Dienstleistungegesellschaft aussehen?
Da geht es ja nicht mehr um Eigentum an Produktionsmitteln sondern wie Distributionsketten und Reproduktionsmechanismen organisiert werden.
Selbst der Klo-Putzer stellt keine Scheisse her, sondern wischt sie nur weg, damit der nächste sich wohl fühlt beim abkoten.
wie viele „Arbeiter“ hocken rum und glotzen auf ihr Smartphone, bis mal ein Kunde kommt und nervt?
Was ist unterm Strich der unterschied zwischen kollektivem Eigentum via Aktiengesellschaft, Genossenschaft und anderen Formen?
Die Zielstellung könnte man sagen – Gewinnmaximierung vs. gegenseitige Hilfe.
Aber wenn too big to fail, dann müssen auch wieder alle helfen.
und auch der Genosse muss Gewinn erwirtschaften…
evtl. bringt des etwas Licht ins Dunkel
hab es nur kurz überflogen
https://d-nb.info/962727075/34