Digitale linke Spießer

Jan Freyn in Zeit online: „Die heutige Linke wacht mit polizeilichem Blick über Diskurshecken und leugnet die eigene Macht, um ungestört moralisieren zu können. Das hilft weder ihr noch anderen.“

„…wird unsere Zeit zunehmend und in nicht unerheblichem Maße von „linken“ Gestalten geprägt, die alle genannten Momente in sich bündeln: einen Hang zu Konformität, krasser Komplexitätsreduktion und moralistischer Dogmatik.“

Nehmt dies, Identitäre, Vielfältige und GendersprecherI*_:Innen! Ihr seid nicht links!

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Kommentare

5 Kommentare zu “Digitale linke Spießer”

  1. Godwin am Juli 20th, 2020 8:46 am

    mal etwas Quellenkritik:

    Jan Fryn:
    Studierte Philosophie und Deutsch an der Universität zu Köln. Arbeitete dort am Institut für Deutsche Sprache und Literatur. Sein besonderes Interesse gilt Robert Musil, Karl Kraus und Anton Kuh. Im Nebenberuf als Jazzpianist tätig.
    JAZZPIANIST!!
    Areas of Interest:
    Metaphilosophy, Philosophy of Gender, Race, and Sexuality

    kurzum – ein elitärer Bourgeois durch und durch
    und der erscheint in der ZEIT – einem selbsternannten (wirtschafts-)liberalen (d.h. konservativen Blatt)

    immer wieder interessant so sehen, dass ausgerechnet SOLCHE Leute vorgeben zu wissen, was der linken (aka der zu bekämpfende Gegner) so gut täte…

    Wer sollen denn bitte diese „linken Gestalten“ (allein diese Formulierung verrärt schon den Duktus des Verfassers) sein und welche Macht sollen sie haben?

    Wenn „Konformität, krasser Komplexitätsreduktion und moralistischer Dogmatik“ das Geschehen bestimmen, dann doch nur, weil es der herrschenden Klasse strategisch ins Kalkül passt.

    da braucht der auch nich E.M. Cioran zu zitieren – Bakunin hat das Gleiche viel besser auf den Punkt gebracht.

    Ständig bemängelt die linke, dass ein „Aufstieg in den akademischen und kulturellen Institutionen“ nur möglich sei, in dem man sich anpasse und eben ohnehin sein ‚linkes Dasein‘ aufgebe und verliere.
    Und jetzt kommen diese Schnösel daher und argumentieren, dass das alles links unterwanders sei.
    (sorry – das erinnert irgendwie an AfD-Argumente)

    Natürlich skizziert er den „linken Spießer“ ganz treffend. Etwas mehr Reimkultur und ein paar Zeichnungen und wir wären bei Wilhelm Busch.

    Aber er reiht sich genüsslich in den Reigen derer ein, die genüsslich auf einem am Boden liegenden Gegner eintreten.
    Das ist wenig Ritterlich – eher Feige und Hinterhältig.
    Da wird das Stilett zum dezenten Stil verkürzt.

    Nein – nicht einmal einen würdigen Abgang gönnt man der linken – der Ruf muss endgültig runiniert, der fruchtbare Boden völlig versalzen werden, damit da auch nie wieder eine Konkurrenz erwächst.

  2. admin am Juli 20th, 2020 11:47 am

    Vielleicht ist er Arbeitersohn? Auch die können Jazz mögen.

  3. Huhu am Juli 21st, 2020 10:05 am

    @Godwin Ad hominem?
    Nun gut: Wie viele der digitalen Wortführer der modernen lautstarken „Linken“ gehören nicht in die gleiche bourgeoise Schublade?
    Das wäre tatsächlich interessant …

  4. Godwin am Juli 21st, 2020 7:48 pm

    @ Huhu:
    Ad hominem? – mag sein. kann ich jetzt nicht leugnen. aber m.E. gilt der Grundsatz:
    wenn 2 das Gleiche tun, ist dies noch lange nicht das Selbe…

    So mag der Bengel inhaltlich – wie gesagt – sehr richtig liegen. Die (etwas unterstellte) Intention ist dennoch verachtenswert.
    Texte dieser Art gibt es seit ca. 5 Jahren regelmäßig, ohne dass da jetzt was grundlegend neues inhaltlich dazu gekommen wäre…

    Und es ist m.E. halt ein Wandel im politischen Kampf – man greift die linke nicht mehr als Systemfeinde und Bösewichte an, sondern man macht jetzt so ne False-Friends-Tacktik:
    man greift sich sozusagen die Haare in der Suppe, verallgemeinert und diskreditiert damit „das Linke“, ohne das sonderlich zu präzisieren.
    für die Gefühlsebene reicht das – der Leser weiß schon was gemeint ist.
    „Die Linke“ wird zum Popanz gemacht – auch ohne inhaltliche Auseinandersetzung durch die Gegenseiten

    das zeigt, dass die Angst vor einem Erstarcken linker Ideen in Teilen der zunehmend ruinierte Bevölkerung weitaus größer ist, als die realexistierenden Kräfte aller gesellschaftlich linken Gruppierungen…

    Gleichzeitig muss wohl m.E. auch mal darauf hingewisen werden, dass „links“ nicht ganz gleichzusetzen ist mit „sozialistisch/kommunistisch“

  5. Huhu am Juli 23rd, 2020 9:21 am

    @Godwin
    Danke, eine respektable Argumentation.

    In dem Zusammenhang finde ich eine Betrachtung der Ausweitung des Begriffs der „Linken“ auf Einzelpersonen und Gruppen sowohl seitens ihrer Fürsprecher, als auch ihrer Gegnern interessant.
    Wer wird als „links“ verstanden, mehr noch, wer wird als Sprachrohr einer „Linken“ bezeichnet? Wo beginnt das Hipster-Links, das einer gerade angesagten Mode geschuldet ist (Stickwort wohlfeile Twitter-Dramatisierungen); und wo werden dümmliche Kommentare als „links“ ettiketiert, um pauschal die Linke abzuwerten?
    Das ist jetzt gewiss keine neue Frage, aber gerade derzeit scheint sie mir wieder besonders aktuell.

    (Dazu ein Versatzstück, das wie ich finde ganz gute Diskussionsansätze bietet: Christoph Ruf: „Was ist links?“ Beck’sche Reihe)

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