Kurbelwelle und Schubstange

sägemühle

Noch ein schweres Rätsel. Hier haben wir zum Beispiel die schematische Darstellung der Sägemühle von Hierapolis (heutige Türkei) aus der zweiten Hälfte des 3. Jh. n. Chr..

sägemühle

Was uns daran interessiert, ist nicht die innovative Säge, sondern das Getriebe.

Klaus Grewe, durch den ich auf die Mühle aufmerksam wurde, schreibt dazu in Meisterwerke antiker Technik:
Was die Inschrift des Nonius Datus uns für die Rekonstruktion der Organisation einer antiken Tunnelbaustelle bedeutet, ist das Relief auf dem Sarkophag des Ammianos (2. Hälfte des 3. Jahrhunderts n. Chr.) für die Maschinentechnik. Ammianos, der sich selbst als großen Daedalus (Erfinder) bezeichnet, liefert uns mit diesem Relief eine detaillierte Beschreibung der Kraftübertragung von einem Wasserrad auf eine Doppelsteinsäge. Nach dieser bildlichen Darstellung wurde die von einem Wasserrad erzeugte Drehbewegung über Wellenbaum, Zahnrad, Drehling mit Kurbelwelle und eine Schubstange in eine oszillierende Bewegung umgewandelt, wodurch die Sägen schließlich in ihre „Hin- und Herbewegung“ versetzt worden sind. Damit kann man Ammianos als den Erfinder des mechanischen Getriebes bezeichnen zumindest legt er uns die erste zeichnerische Darstellung eines solchen vor. (…) Zur Herstellung der Unmengen von Marmorplatten, wie sie u. a. für den Bau der antiken Thermen massenhaft gebraucht worden sind, muss man das Vorhandensein derartiger Steinsägemaschinen auch an anderen Orten voraussetzen. Ausonius beschreibt die von Steinsägen verursachten Geräusche im Ruwertal in seiner Mosella* (…), und archäologische Funde der letzten Jahre belegen, dass Steinsägen z. B. in Ephesus (Türkei) und in Gerasa (Jordanien) im Einsatz waren – allerdings erst in byzantinischer Zeit (6. Jahrhundert n. Chr.).

dampfmaschine

Diese Grafik zeigt das Prinzip einer Dampfmaschine, wie sie durch Thomas Newcomen und James Watt entwickelt wurde. [Nachbau des Originals]

Frage also: Das Drehmoment wird bei der Sägemühle in einer lineare Bewegung übertragen. Das ist nicht so schwierig sich vorzustellen, und außergewöhnliche Materialien braucht man auch nicht dazu. Warum haben die alten Ägypter so etwas nicht erfunden und benutzt? Warum nicht die Kelten, die nördlichen „Nachbarn“ der Römer, bevor sie überrannt wurden?

Warum wurde die Dampfmaschine erst im 18. Jahrhundert erfunden und nicht etwa 300 Jahre früher? Ideen fallen nicht vom Himmel: Ihre materiellen Voraussetzungen müssen auch vorhanden sein. So etwas geschieht nicht einfach zufällig. Ein Prinzip kann lange bekannt sein, aber wann und warum wird es irgendwann ein- und umgesetzt?

Ein Hinweis aus dem Bellum Gallicum Julius Caesars:
… hatte Caesar beschlossen, den Rhein zu überqueren; doch er glaubte, mit Schiffen überzusetzen sei nicht sicher genug, und war der Ansicht, dass eine Überfahrt weder seiner noch des römischen Volkes Würde entsprechen würde. Daher hielt er, auch wenn wegen der Breite, Strömung und Tiefe des Flusses ein Brückenbau äußerst schwierig war, dennoch dafür, dies angehen zu müssen oder andernfalls sein Heer nicht übersetzen zu dürfen. Er beschloss folgendes Verfahren für die Brücke: Je zwei anderthalb Fuß [ca. 30 Zentimeter] dicke Balken, von unten ein wenig angespitzt, abgemessen nach der Tiefe des Flusses, verband er in einem Abstand von zwei Fuß untereinander. Diese hatte er mit Maschinen in den Fluss eingelassen, in den Boden eingesteckt und mit Rammen hineingestoßen, nicht nach Art gewöhnlicher Brückenpfeilers senkrecht, sondern geneigt und giebelförmig, sodass sie sich nach der Strömung des Flusses vorneigten; diesen setzte er zwei auf dieselbe Weise verbundene Balken in einem Abstand von je 40 Fuß, vom unteren Abschnitt aus gemessen, gegenüber und zwar gegen die Kraft und den Strom des Fluss gerichtet. Diese beiden wurden an ihrem Ende mit darüber gelegten, zwei Fuß breiten Balken (in dem Abstand waren die Tragbalken miteinander verbunden), auseinandergehalten, wobei je zwei Spangen auf beiden Seiten waren; weil diese Balken voneinander getrennt und mit dem gegenüberliegenden Paar verbunden waren, hatte das Bauwerk eine so große Festigkeit und eine derartige Beschaffenheit, dass die Verbindungen umso fester zusammengehalten wurden, je stärker die Strömung war. Diese Bauteile wurden mit in gerader Richtung darüber gelegtem Holz verbunden und mit langen Stangen und Flechtwerk bedeckt; und nicht anders wurden Balken zusätzlich am unteren Teil des Flusses schräg eingerammt, die, als Wellenbrecher untergesetzt und mit dem ganzen Bauwerk verbunden, die Kraft des Fluss absorbieren sollten; und ebenso wurden weitere Pfähle oberhalb der Brücke in mittlerem Abstand eingefügt, um – falls die Barbaren Baumstämme oder Schiffe zur Zerstörung des Baus ins Wasser gelassen hätten – die Kraft dieser zu vermindern damit sie der Brücke nicht schaden würden. Innerhalb von zehn Tagen, seit man begonnen hatte, das Baumaterial herbeizuschaffen, wurde das ganze Werk fertig gestellt und das Heer hinübergeführt. (…) Sobald Caesar dies erfahren hatte, glaubte er – nachdem all diejenigen Dinge erledigt waren, wegen deren er die Überfahrt seines Heeres beschlossen hatte, nämlich den Germanen Furcht einzujagen, die Sugambrer zu strafen und die Ubier von der Bedrängnis zu befreien – dass nach 18 Tagen jenseits des Rheins genug für den Ruhm und Nutzen des römischen Volkes gewonnen worden sei, zog sich zurück nach Gallien und ließ die Brücke abreißen.

Warum ließ Caesar dieses technische Meisterwerk (nur zehn Tage Bauzeit!) wieder abreißen? Oder: Warum haben die rechtsrheinischen Germanen keine Brücken gebaut? Was fehlte ihnen dazu?
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*Im Original: Probra canunt seris cultoribus: astrepit ollis
Et rupes et silua tremens et concauus amnis.
Nec solos homines delectat scaena locorum…

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Kommentare

7 Kommentare zu “Kurbelwelle und Schubstange”

  1. Die Anmerkung am Mai 24th, 2020 3:49 pm

    >> Warum haben die rechtsrheinischen Germanen keine Brücken gebaut? Was fehlte ihnen dazu?

    Die politische Klasse, die ihnen die französische Frau als liebreizendes, excellent kochendes und überhaupt sehr bezauberndes Geschöpf als eroberungswürdig einredete. Sprich, die stinkfaulen Germanen hatten keinen Anreiz, ihr Kaff weiter als bis zu den Weibern im Nachbardorf zu erkunden. Schwimmen zum Objekt der Begierde ging schon mal gar nicht.

    1.500 Jahre später sah das dann anders aus. Da gab es diese politische Klasse. So klasse war die aber auch wieder nicht.
    —–
    Außerdem schreibt jo_backinTown

    24.05.2020 14:48

    Die Linksintellektuellen sind der Arbeiterklasse völlig egal.

    Es war auch noch nie anders. Diese Pseudolinken leben in ihrer Filterblase und interessieren sich nur für sich selbst. Kein Arbeiter wählt die oder hört denen zu. Kann man auch nicht, denn deren Kauderwelsch versteht kein Mensch.

    PS:
    Dem Volk sind sie noch egaler.

    https://www.heise.de/forum/Telepolis/Kommentare/Die-Wiederentdeckung-der-Arbeiterklasse-als-Ausdruck-linksidentitaerer-Sehnsucht/Die-Linksintellektuellen-sind-der-Arbeiterklasse-voellig-egal/posting-36720342/show/

  2. Serdar Günes am Mai 24th, 2020 6:18 pm

    Die Römer haben die Dampfmaschine zwar nicht erfunden, haben aber einen Vorläufer gehabt:

    Heronsball
    https://de.wikipedia.org/wiki/Heronsball

  3. Wolf-Dieter Busch am Mai 24th, 2020 6:25 pm

    Zur Sägemühle – nicht das wirtschaftliche Umfeld vergessen.

    Die Ägypter hatten jährliche Nil-Überschwemmung (Quelle der Bodenfruchtbarkeit). Dort wäre eine Wassermühle zu schwierig zu handhaben gewesen. Das kann ein Erfindungshemmnis darstellen.

  4. Martin Däniken am Mai 24th, 2020 7:20 pm

    Der olle Julius liess die Brücke abreissen, weil er es konnte!
    Er hatte bewiesen, das er es drauf hatte und gut war…
    Nein, er wollte keine möglicherweise anderweitig nötigen Truppen für die Bewachung der Brücke erübrigen.
    Diese Bewacher in geringer Stärke könnten überrannt werden oder sich nen schönen Lenz machen…
    Andenken kaufen, fraternisieren…
    „Man teile und beherrsche die anderen.Punkt.“
    Alte römische Weisheit.

  5. flurdab am Mai 25th, 2020 8:56 am

    @ Sedar Günes,
    das Gerät/ Heronsball hatte ich auch sofort im Gedanken, aber römisch?
    Ich hatte den Heronsball den Griechen zugeordnet, ähnlich dem „Mechanismus von Antikythera“.
    Bei der Sägemühle ist besonders auf die Wasserführung zu achten. Hier läuft das Wasser unter dem Wasserrad was einen geringeren Wirkungsgrad bedeutet im Vergleich zu Rädern wo das Wasser über das Wasserrad geleitet wird.
    D.h. es stand weniger Wasser zur Verfügung bzw. das Gefälle war nicht gegeben. Die Konstruktion war also weniger effektiv, weil weniger Bums.
    Aber vermutlich immer noch effektiver als Sklaven.

  6. Serdar Günes am Mai 25th, 2020 11:52 pm

    Ja es wurde von einem Griechen erfunden, von Heron von Alexandria. Ich bin mir jetzt nicht sicher ob er aber im römischen Herrschaftsgebiete gelebt hat. Was ja möglich wäre.

  7. admin am Mai 26th, 2020 3:39 pm

    @Martin: Ich glaube, „weil er es konnte“ kommt der historischen Wahrheit ziemlich nahe.

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