Kritische Infrastruktur

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Schon merkwürdig, dass ich bei keiner Meldung in den Medien seit Beginn der Pandemie etwas über die Leute gelesen habe, die in der Sicherheitsbranche arbeiten, zum Teil unter extrem prekären Bedingungen. Prekär heisst: Wenig Lohn, lange Arbeitszeiten, Wechselschicht usw. Natürlich ist das auch eigenes Verschulden: Extrem geringer Organisationsgrad, Lohndumping, viel nicht tarifgebundene Subunternehmen, oft wechselnde Arbeitsplätze, Wechselschichten, oft zwölf Stunden Arbeitszeit.

Wären die Sicherheitsmitarbeiter so selbstbewusst und organisiert wie Bergleute, läge der Mindestlohn vermutlich bei 40 und nicht bei gut zehn Euro. (Meine Firma zahlt mehr, aber die ist ja auch nicht die billigste – Qualität ist eben nicht umsonst zu haben.) Die Sicherheitsbranche ist die Hochburg des Lohndumpings, noch vor dem Baugewerbe. Das wird noch dadurch gefördert, dass städtische Unternehmen – wie etwa die Krankenhauskonzerne in Berlin – oft selbst dann Billigfirmen vorziehen, wenn die lokale Verwaltung und das Personal hoch zufrieden sind. (Ich weiß, wovon ich rede.) Nur der Profit zählt.

Zudem arbeiten in der Brache oft Kolleginnen und Kollegen, die keinen deutschen Pass haben und/oder der deutschen Sprache kaum mächtig sind. Das wäre an sich nicht so wichtig, je nach Aufgabe, aber Einwanderer, vor allem aus arabischen Ländern, sind nur wenig klassenbewusst und lassen alles oft mit sich machen. Ich musste mehrfach erklären, was eine Gewerkschaft ist, sogar das Wort buchstabieren. Geholfen hat es nicht. Mein Mitleid über schlechte Arbeitsbedingungen in der Branche hält sich daher in engen Grenzen.

Die Arbeiter der Sicherheitsbranche müssen immer arbeiten (wie medinizisches Personal); wenn jemand ausfällt, muss die Schicht trotzdem besetzt werden. Was ist, wenn sich in einem Monat die Hälfte aller Leute krank melden, weil sie infiziert sind? Wer wartet die Brandmeldeanlagen in vielen Objekten, die zum Teil gar nicht so einfach zu „handeln“ sind (RTFM!)? Selbst ich kam bei einigen Manuals, die ich studieren musste, ins Grübeln.

Ich hatte sogar einmal einen lautstarken Streit mit einem Feuerwehrhäuptling, der mich anfauchte, als sie drei Minuten nach einem Brandalarm mit großem Gerät samt Leiterwagen und in Begleitung der Polizei vor dem Objekt standen, warum ich denn den akustischen Alarm ausgeschaltet habe? Er grummelte was von mehreren Tausend Euro, die ein Feuerwehreinsatz koste. Zum Glück hatte ich Recht, und er entschuldigte sich später. Ich war aber schon relativ nervös geworden – wer legt sich schon gern mit einem Expertem der Feuerwehr an? (Ursache des Alarms und des „Brandes“ war übrigens ein vor sich hin kokelnder Toaster.)

Die Sicherheitsbranche ist – wie der Name suggeriert – dafür da, die so genannte kritische Infrastruktur zu bewachen und ist daher, wie ein aufmerksamer Leser hier schon anmerkte, „systemrelevant“.

Aber wie schützt man sich, wenn man bei einer Billigfirma des Sicherheitsgewerbes arbeitet, die noch nicht einmal Dienstkleidung stellt, bei einer Einlasskontrolle davor, sich anzustecken? Zum Glück sind die meisten Events zur Zeit abgesagt… Das musste mal gesagt werden.

Die gute Nachricht: Eine Ausgangssperre wäre für mich kein großes Problem.

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Kommentare

7 Kommentare zu “Kritische Infrastruktur”

  1. Roman Bardet am März 22nd, 2020 6:46 pm

    Ja, der Sicherheitsmitarbeiter. Diese Mischung aus Sklave, Blödel, Hilfsarbeiter, x sprachigem Dolmetscher, Nahkämpfer, Techniker, Psychologe, Rettungssanitäter und einem Gedächnis wie ein Computer.

    „Kritische Infrastruktur zu bewachen“ müßte richtig hei0en „Kritische Infrastruktur in Friedenszeiten zu bewachen“ In Kriegszeiten sind dafür die sogenannten Sicherungskompanien der Bundeswehr zuständig. Das sind alle die für die Front untauglich sind.

  2. Thomas am März 23rd, 2020 10:58 am

    „dass städtische Unternehmen – wie etwa die Krankenhauskonzerne in Berlin –“

    Was nun? Städtische, als kommunale Unternehmen/Krankenhäuser oder Krankenhauskonzerne, also privatwirtschaftlich geführt.
    Die kommunalen werden zwar heute auch wie Wirtschaftsunternehmen geführt. Gewinne dürfen sie aber eigentlich nicht erwirtschaften. Wenn aus irgendeinem Grund dort ein Überschuß entstehen sollte, dann sollte das in die Verbesserung der Pflege fließen.
    Ganz im Gegensatz zu den privatwirtschaftlichen wie Helios, Asklepios und wie sie alle heißen. Wenn die von dem Geld, das meine Krankenkasse für meine Bahandlung an sie zahlt, Gewinne erwirtschaften, dann empfinde ich das als Diebstahl! Denn für das abfließende Geld wird genau NICHTS für meine Gesundheit geleistet.

  3. André Dreilich am März 23rd, 2020 4:17 pm

    Korinthenkackermodus: Im Foto fehlt ein „r“. Von wegen „Schrackanlage“ …

  4. Martin Däniken am März 23rd, 2020 6:24 pm

    @ Andre Dreilich:Nö..da fehlt ein „e“ und das „a“ it zuviel-„Schreckanlage“…
    Der Entwickler dieser Anlagen war der begnadete Max Schreck! ;-)
    Aber was anderes in den systemrelevanten Verkaufsbetrieben greift Sicherheitspersonal hilfreich ein wenn Kunden nicht den Sicherheitsbstand einhalten…
    erst getasert,dann geschlagstockt und dann wirds unschön…wieder in die Reihe gestellt.
    Die Wirtschaft soll ja brummen!

  5. ... der Trittbrettschreiber am März 24th, 2020 11:30 am

    Es braucht schon sehr viel Liebe, Idealismus und auch eine gehörige Portion Selbstdefinition, um überhaupt auf die Idee zu kommen, für andere, meist besser gestellte Menschen Sicherheit zu produzieren.
    Der sportliche Aspekt dieser Tätigkeit ist sicher markant, die kleine Macht, der Wissensvorprung z.B. zum Thema Eigensicherung und, je nach Erfahrungsgrad, die Eingriffssicherheit in Grundrechte von „Störern“ und der Genuss, meist Herr der (Gewalt-)Situation zu sein, ein weiteres. Diese oft nicht langweiligen, ja auch abenteurlichen Attribute dieser Tätigkeit stärken das Ego, mildern die Lebensangst und verschaffen ein Gefühl, zu den Altruisten dieser Gesellscahft zu gehören. Vielleicht ist das der Grund für die vielen lonely fighters, sich nicht zu organisieren und für wenig Geld zu dienen, zumal man oft die Gelegenheit hat, Selbstwertsteigerungen im Machtgefälle zwischen z.B. erwischten Ladendieben zu erfahren oder im erfolgreichen Dingfestmachen des armen Teufels, der mit Rucksack und Schweißbrenner auf dem Rücken den SPS-gesteuerten Sicherheitszaun überwunden hat und nun eins auf sein verbliebenes, nicht durch die obligatorische schwarze Augenklappe geschütztes Auge bekommt.

  6. Alreech am März 26th, 2020 7:26 pm

    Ich möchte ja nicht unken, aber der Bergbau ist inzwischen irrelevant.
    Auch das Baugewerbe hat einmal gute Löhne gezahlt und hatte eine starke Gewerkschaft.
    Hier hat dann vor allem die Liberalisierung und der Binnenmarkt dafür gesorgt das die Löhne gefallen sind.
    Wenn sich auf einmal jeder Fliesenleger selbstständig machen kann oder Firmen aus Nachbarländern mit Billigpreisen auftreten helfen starke Gewerkschaften auch nicht…

  7. ... der Trittbrettschreiber am März 27th, 2020 1:19 pm

    @Alreech

    Gewerkschaften sind die Kirchen des …ähem… Proletariats. Man zahlt seine Steuern und wähnt seine Seele feuersicher wie in einem Bankschließfach. Hin und wieder kommt der Gemeindebrief ins Haus geflattert, in dem die letzte Kollekte gen Ghana beziffert und um Verständnis für die nächste leichte Erhöhung des Beitrags gebeten wird. Die Klassenunterschiede zwischen den einzelnen Konfessionen (IG-Metall oder die der Schrotthandelhilfsfachkräfte mit Handelsfachpackerzertifikat) heben das Selbstwertgefühl zumindest des Metallers. Wehe aber dem, der ein teleologisches* Problem hat – ich habe zeitlebens nur dickbäuchige, unlängst noch Zigarren rauchende Gewerkschafts- und Betriebratsfunktionäre kennengelernt, die Solidarität heucheln und Harnsäure und Cholesterin gesteuert in sich hineingrinsen. Gewerkschaft? Never again. Dann lieber beim selbstständigen Fliesenleger ein Praktikum mit der Option eines Taschengeldes – ist halt Vertrauenssache.

    *nicht theologisches…

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