Outlander oder: Kostüm-Schmonzette

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Der Netflix-Algorithmus schlug mir Outlander vor, eine unendlich lange Serie nach der Romanvorlage von Diana Gabaldon. Ich muss jetzt schlucken und komme mir vor wie bei einer Beichte. Wie kann man so eine Schmonzette angucken? Dazu fällt mir Tucholsky ein:
Jeder historische Roman vermittelt ein ausgezeichnetes Bild von der Epoche des Verfassers.

Ich gebe also zu, dass ich überraschenderweise gefesselt war und die ersten beiden Staffel, die in Schottland und Paris spielen, mehr oder weniger am Stück angesehen habe. Die dritte und die vierte Staffeln (vorwiegend in den USA des 18. Jahrhunderts) fallen etwas ab. Die Bücher habe ich mir anschließend besorgt, weil ich mein Englisch verbessern will. Ich vermute, dass die schlechter sind als die Verfilmung.

Zugegeben: Das Thema Zeitreise wurde schon langweiliger bearbeitet. Der Plot von Outlander ist sogar ganz intelligent gemacht, da man nicht wirklich erfährt, warum ein Stein eines neolithischen Heiligtums in Inverness ermöglicht, ins 18. Jahrhundert reisen zu können. Wenn man erst mit Physik kommt, kann man das ohnehin vergessen.

Exzellente Nebenwirkung: Ich weiß jetzt sehr viel über die Geschichte Schottlands, inklusive der Jakobiten und Schlacht von Culloden. Man bekommt Lust, dorthin zu reisen. Der Plot spielt auch ganz witzig auf die heutige Unabhängkeitsbewegung an, und einer ihrer schauspielerischen Protagonisten (Lotte Verbeek als Gillian Edgars) findet sich plötzlich als Hexe in der Vergangenheit wieder, was seinen Reiz hat.

Zu der Hauptdarstellerin Caitriona Balfe: Mich nervte total, dass die Dame ständig heult oder das typisch weibliche soziale Lächeln zeigt und dass sie natürlich Krankenschwester/Heilerin ist. Ich würde sie gern persönlich kennenlernen, um herauszufinden, ob sie nur schauspielert oder ob sie immer so guckt. Vermutlich waren englische Damen im 18. Jahrhundert wirklich so. In der Serie darf sie den Traum jeden Models ausleben und in gefühlt mehr als einer Million Kostümen herumlaufen. Sie gibt neben ihrem Filmpartner Sam Heughan ein gutes und sympathisches Bild ab, obwohl ich die Sexszenen bei der x-ten Version langweilig fand. Auch bei den „Beziehungsgesprächen“ habe ich meistens den Vorlauf-Button gedrückt.

Aber zum eigentlichen Thema: Von Outlander kann man lernen, wie man heute Drehbücher schreiben muss. Es ist schwer, in überlangen Serien die Spannung hochzuhalten, weil man irgendwann meint, alles schon zu kennen. Nicht jedoch bei Outlander, was vermutlich aber auch an dem kompliziert und schlau konstruierten Plot liegt. Alles verweist auf alles, man merkt es oft aber erst im Nachhinein.

Ich habe es hiermit gebeichtet und bereue nicht.

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Kommentare

2 Kommentare zu “Outlander oder: Kostüm-Schmonzette”

  1. Alreech am Februar 21st, 2020 12:17 am

    Lol, bei Outlander hab ich zuerst an die SciFi Variante von Beowulf gedacht…
    nein, nicht die von 1999(?) mit Cristopher Lambert, die andere bei der Beowulf & Grendel Aliens zur Wikingerzeit sind.

  2. OstRost am Februar 21st, 2020 11:57 am

    Deine Vermutung, dass die Bücher schlechter sind als die Verfilmung kann ich, zumindest meiner Wahrnehmnung nach, nicht bestätigen. In Hinblick auf das Darstellen historischer Fakten, sowie der gesellschaftlichen Verhältnisse gehen die deutlich tiefer, sowohl was machtpolitische, religiöse, als auch durchaus Klassenverhältnisse angeht. In den Punkten werden Dir die Bücher auf jeden Fall was geben, leider ist aber auch der Beziehungsaspekt (samt „Beziehungsgesprächen“) ausgeprägter als in der Verfilmung… da hilft dann eben nur vorblättern.

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