Was macht eigentlich die Arbeiterklasse?

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Nein, ich vergesse die Fragen nicht. Hier wurde vom interessierten Publikum bezweifelt, ob es das klassische Proletariat noch gebe bzw. ob die Arbeiterklasse noch existiere. Um das zu beantworten, nutze ich gern Quellen, die des Linksextremismus bwz. der politischen Ökonomie unverdächtig sind.

Das Bundesinstitut für Berufsbildung wäre so eine Instanz. Der scheinbar harmlose Titel: „Die Bevölkerung wächst – Engpässe bei fachlichen Tätigkeiten bleiben aber dennoch bestehen. BIBB-IAB-Qualifikations- und Berufsfeldprojektionen bis zum Jahr 2035 unter Berücksichtigung der Zuwanderung Geflüchteter“.

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Credits:BiBB-Report, 3/2016

Im obigen Report heisst es: „Der Trend zur Dienstleistungsgesellschaft ist nicht gleichzusetzen mit einer Deindustrialisierung. Die Bruttoproduktion im produzierenden Gewerbe wächst auch in Zukunft leicht überdurchschnittlich. Voraussetzung dafür ist auch weiterhin ein erfolgreicher Export. Die Rationalisierungsmöglichkeiten der Industrie erlauben – insbesondere bei einer Digitalisierung der Produktion – überdurchschnittliche Produktivitätssteigerungen, die mit einem geringeren Arbeitskräfteeinsatz einhergehen.“

Das kann man so auch im Marxschen „Kapital“ nachlesen, insbesondere im Abschnitt über die Rate des Mehrwerts. „Arbeitskräfteeinsatz“ im esoterischen Neusprech der „Volkswirtschaftler“ bedeutet das variable Kapital: Je kleiner der Anteil des variablen Kapitals, um so höher der Mehrwert, der letztlich in den Profit eingeht – trotz tendenziellen Falls der Profitrate.

Der Anteil der Arbeiterklasse sinkt also nur leicht, auch perspektivisch. Ich interpretiere die Schaubilder so, dass mindestens ein Viertel aller Berufstätigen zum Proletariat gehört. Dazu kommen deren eventuell nicht berufstätigen Familienangehörigen und Arbeiter, die entlassen wurden und eine neue Anstellung suchen, dazu alle, die nur zweitweilig und/oder prekär beschäftigt sind. Das klassische Kleinbürgertum zähle ich im Gegensatz zu Hal Draper nicht dazu.

Letztlich ist die Arbeiterklasse in der Mehrheit, sogar dann, wenn man die marxistische Definition eng auslegt. Und wieviel davon werden in den Medien und im Bundestag repräsentiert – und von wem?

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Kommentare

4 Kommentare zu “Was macht eigentlich die Arbeiterklasse?”

  1. Wolf-Dieter Busch am März 6th, 2019 11:59 am

    Was „macht“ die Arbeiterklasse? Arbeiten.

    Die „Arbeit“ ist der Gegenpart des „Kapital“ im Geldkreislauf G→W→G‘. Die „Arbeiterklasse“ als Begriff einer analytischen Gesellschaftstheorie bezeichnet den Teil, der seine Arbeitskraft zum Gegenwert von dessen Reproduktion (als Lohn) „verkauft“, wobei der produzierte Wert höher ist als für Reproduktion seiner Arbeitskraft erforderlich.

    Zur Arbeiterklasse gehört sowohl der Paketauslieferer als auch der Manager.

    Zur Arbeiterklasse gehören nicht Selbständige, „Kleine Meister“, Künstler, Freischaffende jeder Art, sowie Bettler.

    Zum Kapital gehören Aktionäre, insbesondere alle Banken und Sparkassen. Das unscheinbare Strichelchen rechts oben am G→W→G‘ heißt „Zinsen“.

    Die Arbeiterklasse ist nichts zum „Anfassen“. Insbesondere hat sie nichts zu tun mit romantischen Vorstellungen der Alt-68er.

  2. Godwin am März 6th, 2019 8:02 pm

    Ich bin ja einer von denen, die zweifeln.
    Die Arbeiter stehen längst nicht mehr im Gegensatz zum Bürgertum, sondern eiferm ihm nach.
    ArbeiteR besitzen Aktien und Rentenfonds – sind also längst teil des Kapitals.
    Arbeiter, die gut verdienen, wollen nix mit denen zu tun haben, die weniger haben.

    Auch wenn das Elend nicht ganz verschwunden ist, sondern nur andere Formen angenommen hat und derzeit wieder zunimmt – ohne Klassenbewusstsein alles vergebliche Liebesmüh

  3. blu_frisbee am März 6th, 2019 11:23 pm

    Aus den Augen, aus dem Sinn.
    Global siehts anders aus.
    Man sollte schon berücksichtigen, daß das Proletariat tw in den Rest der Welt ausgelagert ist, wie auch unöko Produktion. Was China exportiert schlägt auf deren CO2-Bilanz und nicht auf deutsche.
    Bloß weil das Proletariat hier weniger geworden ist heißt nicht daß es verschwunden wäre.

  4. MH am März 7th, 2019 8:52 am

    Die Arbeiterklasse des produzierenden Gewerbes im Jahr 20XX in Deutschland hat doch nichts (!) mit der marxschen Definition gemeinsam.
    Mein Vater war nach 3 Jahren Ausbildung 48 Jahre als Schlosser für einen Automobilzulieferer tätig und hatte durch Prämien und Schichtdienst ein Gehalt, das an das Medieneinkommen (ca. 2000 Euro Netto) heranreichte.
    Dazu Lebensversicherung, Eigenheim, Sozialversicherung, Betriebsrat, Rentner mit 63 Jahren… Ja der arme wird und wurde vom pöhsen Kapital ausgebeutet hat es aber nie gecheckt und aus seinen Kindern wurde auch nichts.

    Ich bin die Sturheit hier allmählich leid. Wer sich permanent überhöht und alle anderen als Volltrottel hinstellt, der hat meist selbst ein recht geschlossenes Weltbild, welches vehement verteidigt wird.

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