Spartanerdeutsch oder: Unsozialer griechischer Sozialstaat

Ich wollte etwas zu Griechenland schreiben, aber Oskar Lafontaine hat das eigentlich schon ausgesprochen: „Die Wahlbeteiligung war erschreckend niedrig. Fast jeder zweite Grieche blieb zuhause, es ging nur darum, welche Partei und Regierung das Troika-Diktat umsetzen wird. Die Wahl hat gezeigt: Obwohl Tsipras vor Merkel, Schäuble und Co auf die Knie ging, vertrauen ihm die Menschen immer noch mehr, als den korrupten Vertreter der Altparteien. Die Griechen geben die Hoffnung nicht auf, dass sich doch noch eine Möglichkeit eröffnet, die Zerstörung der Demokratie und des Sozialstaates aufzuhalten.“ (73 Wörter)

Man kann das besser und prägnanter sagen. Mir gefällt die Logik nicht. Lafontaine sagt etwas darüber, dass viele Griechen nicht wählen gingen – das sagt er gleich doppelt: Wenn jeder zweite (das klingt natürlich besser als „fünfzig Prozent“) nicht zur Wahl ging, weiß man, wenn man eine Millisekunde nachdenkt, dass die Wahlbeteiligung niedrig war. In einer Rede sollte man immer alles Wichtige wiederholen, nicht aber beim Schreiben.

Nur jeder zweite Grieche wählte. (Punkt!) Und „wählen“ ist dasselbe wie „wählen gehen“, nur aufgeblähter. Es ging nur darum, welche Partei und Regierung das Troika-Diktat umsetzen wird.

„Die Wahl hat gezeigt“ ist überflüssig. (Nicht aber, wenn es eine Rede vor Publikum wäre.)

Die Menschen vertrauen Tsipras mehr als den korrupten Vertretern der Altparteien, obwohl er vor Merkel, Schäuble und Co auf die Knie ging,

Oskar, man sollte keinen Satz mit „obwohl“ anfangen (Konzessivsatz), wenn die eigentlich wichtige Aussage erst danach kommt. „Sie vertrauen, obwohl“ – so ist es logisch und richtig. (Wer ist übrigens „und Co“? Man sollte es sagen und das Publikum nicht raten lassen – oder das Maul halten.)

„Eine Möglichkeit eröffnen“ ist Furz- und Blähdeutsch. Eine Möglichkeit öffnet sich nicht wie eine Fleisch fressende Pflanze, sie tut gar nichts. „Hoffen“ (aktiv) ist besser als „die Hoffnung nicht aufgeben“ (ung ung ung).

Die Griechen höffen immer noch, dass die Zerstörung der Demokratie und des Sozialstaates aufzuhalten ist. Krieg man das Ung noch weg? Wer zerstört was? Was hoffen die Griechen? Dass die Demokratie und der Sozialstaat erhalten bleiben möge? Welcher Sozialstaat? Wenn man Floskeln zerschlägt, zerplatzt oft der Ballon und es bleibt nichts übrig als heiße Luft.

Die Griechen höffen immer noch, dass die Demokratie und der Sozialstaat erhalten werden können.

Aha, Oskar stellt die Systemfrage auch nicht und suggeriert, im Kapitalismus gäbe es einen Sozialstaat, was auch immer das sein möge. Ich sag ja nur.

Nur jeder zweite Grieche wählte. Es ging nur darum, welche Partei und Regierung das Troika-Diktat umsetzen wird. Die Menschen vertrauen Tsipras mehr als den korrupten Vertretern der Altparteien, obwohl er vor Merkel und, Schäuble auf die Knie ging. Die Griechen hoffen immer noch, dass die Demokratie und der Sozialstaates erhalten werden können.

52 Wörter – habe ich weniger gesagt als Oskar?

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Kommentare

9 Kommentare zu “Spartanerdeutsch oder: Unsozialer griechischer Sozialstaat”

  1. Temnitzbiber am September 22nd, 2015 7:57 pm

    Aber ein Komma zuviel, zwischen „und“ und „Schäuble.“ Fünf, Setzen!

  2. Ahmed am September 22nd, 2015 10:29 pm

    Da muss einer dringend ans Rednerpult und sein großes Können zum Wohle der Arbeiterklasse einsetzen! oder doch nicht

  3. andreas am September 22nd, 2015 11:36 pm

    hat mich spontan an mein studium erinnert.
    http://gunning-fog-index.com/

  4. gag101 am September 23rd, 2015 1:03 am

    Naja, weniger nicht. Aber die ersten beiden Zeilen klingen sehr nach gmx.de- wer bei Sprache zuviel wegläßt klingt finde ich schnell mal auch reißerisch- oder als ob er wenig Vertrauen in das Textverständnis seiner Leser hat.
    ansonsten, sehr gelungen -ungs reduziert.

  5. ... der Trittbrettschreiber am September 23rd, 2015 8:05 am

    Den Oskar gibt’s aber nur für Buntes, Glitzerndes und viel Verschwommenes. Eben dafür, das ein Blinder sich sehend wähnen darf. Warum, Burks, reduzierst Du die Welt auf die Wahrheit? Wer hält schon die Erkenntnis aus, dass wir Teil eines im All taumelden Materieklumpens sind? Schöner und zauberhafter ist es doch, unseren wunderschönen schützenswerten blauen Planeten im Chor der singenden Galaxien summen zu hören. Mit Begeisterung begeistert …(nein, das „ung“ wiederhole ich hier jetzt nicht)

  6. rainer am September 23rd, 2015 12:52 pm

    …und?….hat Oskar schon was dazu gesagt?….

  7. Messdiener am September 23rd, 2015 10:03 pm

    Hi Burki,
    mache doch den Deutschlehrer für die syrischen Neubürger. Die freuen sich, so einen engagierten O-lehrer zu bekommen… mmh… verschone deine teuren Leser..

  8. tom am September 23rd, 2015 10:16 pm

    Nicht schlecht, vor allem gefiel mir die Geschichte mit der heißen Luft nach den Floskeln.
    Nun kannst Du außer dem schon festgestellten überflüssigen Komma auch noch das es am Sozialstaat wegnehmen (viertletztes Wort).

  9. FDominicus am September 24th, 2015 4:33 pm

    Mann kann es auch anders sehen, sind immer noch 50% zu viel zur Wahl gegangen. Syriza hat abstimmen lassen über Sparsachen und dann den Wählern mehr zugemutet -> Belohnung Stimme wurde wieder dieser Partei gegeben -> Griechen sind mindestens genauso dumm wie die Deutschen

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