Mach’s besser, Katja!

wortsalat

Neuer Tag dieses Blogs: Mach’s besser, Katja! (natürlich eine Teilmenge von „Deutsch des Grauens“.) Ich helfe gern, wenn Politikerinnen kein verständliches Deutsch sprechen oder schreiben können. Wer dem Volk nicht auf’s Maul schauen kann, hat den Kontakt mit ihm verloren. Das steht Linken nicht gut an. Ich werde das Geschwurbel der linken Parteivorsitzenden hier verbessern: Es ist zwar gut gemeint und oft auch richtig, aber was nützt das, wenn es niemand verstehen kann und lesen mag?

Beispiel 1:

Kipping: Ich war gestern bei einer Lesung der britischen Feministin Laurie Penny. Einer ihrer Punkte war: der neoliberale Kapitalismus lässt uns in vielem die Wahl, aber nicht die Freiheit, diese Wahl auch anzunehmen.

Die indirekte Rede verlangt den Konjunktiv. Vorsicht bei Adjektiven, zumal den doppelt gemoppelten. (Nicht nur der „neoliberale“ Kapitalismus, sondern auch der ganz normale Kapitalismus, vgl. K.M.) Dass das Zitat „einer ihrer Punkte war“, weiß ohnehin jeder – also überflüssig. Neun Wörter pro Satz: Das ist die Obergrenze der optimalen Verständlichkeit (laut dpa, Kippings hat 21).

Besser also: „Penny sagte: „Der Kapitalismus lasse uns in vielem die Wahl, aber nicht die Freiheit, diese Wahl anzunehmen.“

Beispiel 2:

Kipping: Griechenland soll mit den Waffen der Finanzmacht eine demokratische Regierung, die Nein zur Austeritätspolitik sagt, hinwegfegt werden, in dem das Land in ein ökonomisches und soziales Chaos getrieben wird.

Zuerst die Wörter: Was soll „mit den Waffen der Finanzmacht“ heißen? Welche Waffen gäbe es sonst noch – die des Kapitals? Aber das Finanzkapital ist doch nur eine Teilmenge desselben – und ohne das nicht lebensfähig! Wer zwingt wen womit? „Soll mit“ verschweigt das handelnde Subjekt, weil die Waffen – wessen auch immer – bekanntlich nicht allein handeln. (Das wäre schlimm!) Die europäischen Großbanken? Klingt schon besser, wir nehmen das als Arbeitshypothese.

„Austeritätspolitik“? Ich wusste noch nie, was das heißen soll. Versteht das Volk dieses Wort? Hätte es die Rote Fahne damals benutzt? Austerität (von altgr. αὐστηρότης „Herbheit“, „Ernst“, „Strenge“) bedeutet „Disziplin“, „Entbehrung“ oder „Sparsamkeit“.“

Wer den Begriff „Austerität“ benutzt, geht der Propaganda des Kapitals auf den Leim: Die EU will die griechische Regierung zwingen, die Armen noch ärmer zu machen, das Tafelsilber des Landes an ausländische Konzerne zu verkaufen, und das System als solches so zu lassen, wie es ist. Wer das euphemistisch als „Sparen“ verkaufen will, lässt sich als Lautsprecher des Kapitals missbrauchen.

„In dem“, schreibt man zusammen.

Und nun zu uns, Satzbau Katja Kippings! Wichtiges gehört in den Hauptsatz, nicht in einen Nebensatz. Nebensätze sind nur dazu da, Teile des Hauptsatzes zu erläutern. Meister der Sprache wie Kleist, Lichtenberg, Heine und Brecht dürfen diese Regeln durchbrechen, aber nicht Politikerinnen.

Wagen wir’s? Wie viel Logik darf es denn sein? 1. Die griechische Regierung will etwas nicht (ihre Wahlversprechen brechen). 2. Die europäischen Großbanken wollen sie dennoch dazu zwingen. 3. Falls sie Erfolg hätten, stürzte das Land in ein Chaos. 4. Dann würde die griechische Regierung hinweggefegt. 5. Das wäre von den Banken so gewollt.

Fünf Teile hat die Aussage, und so sehen die aus, wenn man sie logisch ordnet. Bei Kipping aber wirbelt alles durcheinander. Wer nur flüchtig liest, kapiert nichts. „Wer wen?“ – darauf kommt es doch an!

Wenn wir aber mit den Banken anfängen wollen, wird es schwer, weil die logische Abfolge dem aktuellen Geschehen widerspricht: Das, was die Banken wollen, kommt später als das, was die griechische Regierung wollte, und die Banken wollen auch etwas, das noch später eintreten soll als ihr eigenes Wollen. (Ja, Schreiben bedeutet: man muss sich Mühe geben und anstrengen, wenn es gut werden soll!)

Logisch und grammatikalisch korrekt wäre folgender Satz: Die europäischen Großbanken möchte die griechische Regierung zwingen, ihre Wahlversprechen zu brechen, die diese (nicht jene!) gemacht hatte (Plusquamperfekt), und nähme billigend in Kauf, dass die linke griechische Regierung dann hinweggefegt werden würde (Futur II, Konditional), weil das Land in ein Chaos stürzte.

Korrektes Deutsch – aber man versteht es dennoch nicht. Das Plusquamperfekt überfordert fast alle Leser. Man weiß am Schluss daher nicht, wann das Chaos nur eintrifft – bevor die die Regierung stürzt, danach? Und wann wollten die Banken etwas?

Zweiter Versuch:
Das europäische Finanzkapital will sich der linken griechischen Regierung entledigen. (Oder: Das europäische Finanzkapital will die linke griechischen Regierung loswerden.) Der Plan ist: Wenn die Forderungen der Banken erfüllt werden („würden“ wäre korrekt, die Möglichkeitsform ist aber schwer zu verstehen), stürzt (korrekt: „stürzte“) das Land in ein Chaos. Dann würde die linke Regierung hinweggefegt werden). Das nähmen die Großbanken billigend in Kauf.

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Kommentare

5 Kommentare zu “Mach’s besser, Katja!”

  1. Ruedi am Juni 20th, 2015 4:17 pm

    Wenn die Forderungen der Banken erfüllt werden („würden“ wäre korrekt, die Möglichkeitsform ist aber schwer zu verstehen), stürzt das Land ..

    Wir habe noch gelernt ‚wenn-Satz ist würdelos‘

    Also : Würden die Forderungen …
    .. und selbstverständlich ’stürzte‘ (ohne genau zu wissen warum; mein Sprachgefühl will das so)

  2. Anhänger des 04.08.1789 am Juni 20th, 2015 4:41 pm

    Mon cher Burk,
    Du hast eine solche nette Art die Essenz von „nur klar Gedachtes, kann klar formuliert werden“ unter die Leute zu streuen. ;-) Bonne fin de semaine…

  3. ... der Trittbrettschreiber am Juni 20th, 2015 5:27 pm

    In Griechenland soll eine demokratische Regierung hinweg gefegt werden, weil sie nicht sparen will. Man will die Waffen der Finanzmacht einsetzen, um das Land in ein ökonomisches und soziales Chaos zu treiben.

    …irgendwie brav nicht wahr?

    Beim Versuch, Herrschaftssprache (also Ausschlussprache) zu verstehen, hat man wenigstens die Chance, ungeniert blöd aus der Wäsche glotzen zu dürfen – und dann aus eben diesen masochistischen Genugtuungen heraus eben just die Leute zu wählen, die so schwurbeln können.

  4. tom am Juni 20th, 2015 11:20 pm

    Versteht denn jemand von denen, die angesprochen werden sollen – und noch nicht Bescheid wissen – was das europäische Finanzkapital ist? Und wieso genau das europäische, kennt das FK noch Staats- oder Kontinental-Grenzen?
    Pimco kaufte neulich noch einige griechische Staatsanleihen dazu.
    TS, vielen Dank, ich weiß nun, was der letzte Grund ist, zu wählen: Die Idee, der Schwurbelant muss so schlau sein, dass er bestimmt Ahnung hat.

  5. andreas am Juni 22nd, 2015 1:53 pm

    Ich kann mich garnicht genug über solche Blogeinträge (Blogeintragungen, hahaha, yeah!) freuen.

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