Verratene Revolution oder: Das bleierne Hinterteil der Bürokratie

„Es ist genug bekannt, das bisher jede Revolution nach sich eine Reaktion oder sogar Konterrevolution auslöste, die freilich die Nation nie ganz bis zum Ausgangspunkt zurückwarf dem Volk aber immer den Löwenanteil seiner Eroberungen wieder entriss. Opfer der ersten reaktionären Welle sind in der Regel die Pioniere, Urheber, Initiatoren, die in der Angriffsperiode der Revolution an der Spitze der Massen standen: dagegen treten an die erste Stelle Leute zweiten Kalibers, im Bunde mit gestrigen Feinden der Revolution.“ (Leo Trotzki: Verratene Revolution, V. Sowjetthermidor – Warum hat Stalin gesiegt?)

Erstaunlich, dass das auch heute noch stimmt: die DDR und das aktuelle Ägypten sind schlagende Beispiele. Schöner Schlusssatz übrigens: „Das bleierne Hinterteil der Bürokratie wog schwerer als der Kopf der Revolution.“

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Kommentare

3 Kommentare zu “Verratene Revolution oder: Das bleierne Hinterteil der Bürokratie”

  1. Alter Nihilist am August 7th, 2014 5:18 pm

    Hinterkeule statt Brägen. Is normal.
    (Der Dshugashwili hasste Leo nicht ohne Grund.)

  2. Nina Tabai am August 8th, 2014 1:24 pm

    Revolution ist ein willkommenes Vehikel zur grenzenlosen Macht für Psychopathen, die mit ihrer Bereitschaft zur unbeschränkten Gewalt die Idealisten verdrängen. Die Masse sehnt sich, unter dem revolutionären Chaos leidend, alsbald nach der alten, stabilen, paternalistischen Herrschaft zurück, denn Fressen ist stets wichtiger als die Moral. Der charismatische Psychopath wird als neuer Patriarch hingenommen, zuweilen sogar willkommen geheißen. So folgt auf König Louis XVI und den terreur ein Napoleon und auf den Zar nach jahrelangem blutigen Bürgerkrieg von Roten und Weißen ein Stalin.

    Die amerikanische Revolution war im Gegensatz dazu erfolgreich, weil sie das Alltagsleben der Masse nicht umgekrempelt hat. Der ferne englische König wurde ersetzt durch einen Geldadel, der aus seinen Reihen periodisch neue Anführer auf Zeit rekrutierte – George Washington zum Beispiel, der erste Präsident, war einer der reichsten Männer des neuen Landes und verfügte über ein Vermögen, das ihn heute zum drittreichsten Mann der USA machen würde. Im Leben der normalen Menschen änderte sich dadurch wenig, sie akzeptierten den geschmeidigen Übergang in eine neue Staatsform.

    In Ägypten hat es die Muslimbruderschaft versäumt, nach dem Sturz Mubaraks eine breite Koalition mit den progressiven Kräften, den Studenten, Frauen, Intellektuellen und der urbanen Mittelschicht (welche die Revolution initiierten) gegen die kurzzeitig geschwächte und weiterhin präsente Militärdiktatur zu schaffen. Die Muslimbruderschaft wollte stattdessen, wenig überraschend, aus der Revolution eine islamische Revolution machen und eine Theokratie errichten, so wie der Ayatollah im Iran. Sie hat ihre eigene Machtbasis überschätzt und die Progressiven sind in die ungeliebten Arme der Generäle geflüchtet.

  3. Temnitzbiber am August 10th, 2014 11:22 pm

    Die Ossis haben halt die Konterrevolution gewählt. Zwei Drittel der Stimmen gingen am 18.3.1990 an die Parteien und Listen der ehemaligen „Nationalen Front.“ Und die Wahlsieger von CDU und FDP versuchten mit lustigen Verrenkungen, ihr Bisheriges mit dem neu verordneten Weltbild zusammen zu bringen. Beispiel: Presseerklärung der Jungen Union Potsdam 1990: „Als christlicher Jugendverband sind wir selbstverständlich Pazifisten, halten jedoch die Pflicht zum Dienst in der Bundeswehr für notwendig.“ Versuchtes Westsprech ohne Wissen um -sorry,Burks! – Bedeutung des einen Wortes.

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